Der Selbstbehalt, auch Eigenbedarf genannt, soll dazu beitragen, dass der Unterhaltspflichtige den eigenen Lebensunterhalt sicherstellen kann. Der Selbstbehalt lässt sich zwar in festen Beträgen ablesen, ist aber trotzdem keine statische Größe. Der Selbstbehalt kann im Einzelfall höher oder niedriger werden. Um dies im Einzelfall zu beurteilen, ist wichtig zu wissen, was der Selbstbehalt bezweckt, wie hoch die Selbstbehalte im Einzelfall sind und nach welchen Kriterien bemessen wird, wann der Selbstbehalt sinkt oder steigt.
Was bezweckt der Selbstbehalt?
Wer dem Grundsatz nach als Elternteil oder als Ex-Ehepartner unterhaltspflichtig ist, kann den Unterhalt nur leisten, wenn er bzw. sie wirtschaftlich leistungsfähig ist. Die Leistungsfähigkeit findet dort eine Grenze, wo der Unterhaltspflichtige selbst nicht mehr in der Lage ist, die eigene Existenz zu sichern. Der Selbstbehalt bezweckt also,
- den eigenen Unterhaltsbedarf des Unterhaltspflichtigen zu gewährleisten
- und zu verhindern, dass er oder sie auf öffentliche Unterstützungsleistungen angewiesen ist.
Deshalb ist der Selbstbehalt ungefähr so hoch, dass der Unterhaltspflichtige nicht selbst sozialhilfebedürftig wird.
Selbstbehalt und Eigenbedarf bedeuten das Gleiche. Die Selbstbehalte des Unterhaltsrechts sind nicht mit den im Sozialgesetzbuch II enthaltenen Freibeträgen gleichzusetzen, da diese arbeitsmarktpolitische Hintergründe haben.
Welche Selbstbehalte gibt es?
Bei Kindern sind der angemessene Selbstbehalt und der notwendige Selbstbehalt zu unterscheiden:
- Der notwendige Selbstbehalt besteht gegenüber minderjährigen und volljährigen privilegierten Kindern. Volljährige privilegierte Kinder sind Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden.
- Gegenüber anderen volljährigen Kindern gilt der angemessene Selbstbehalt.
- Darüber hinaus gibt es noch den Ehegattenselbstbehalt.
Wie hoch sind die Selbstbehalte?
Der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen und volljährigen privilegierten Kindern beträgt im Monat:
- 1.450 EUR, wenn der Unterhaltspflichtige erwerbstätig ist,
- 1.200 EUR, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig ist.
In diesen Beträgen sind 520 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Gleiches gilt, wenn der Unterhaltsschuldner im Eigentum wohnt.
Der angemessene Selbstbehalt gegenüber anderen volljährigen Kindern beträgt monatlich:
- 1.750 EUR inklusive einer Warmmiete bis 650 €.
Gegenüber dem getrenntlebenden und dem geschiedenen unterhaltsberechtigten Ex-Partner beträgt der Selbstbehalt monatlich:
- 1.475/1.600 EUR, wenn der Unterhaltspflichtige erwerbstätig ist,
- 1.475 EUR, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig ist.
In diesen Beträgen sind 580 EUR für die Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) 580 EUR übersteigen und nicht unangemessen sind.
Gegenüber der Mutter oder dem Vater eines nichtehelichen Kindes beträgt der Selbstbehalt:
- 1.475/1.600 EUR wenn der Unterhaltspflichtige erwerbstätig ist,
- 1.475 EUR, wenn der unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig ist.
In diesen Beträgen sind 580 EUR für die Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann im Einzelfall erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) 580 EUR übersteigen und nicht unangemessen sind.
Erhöhter Selbstbehalt bei höheren Wohnkosten
Der notwendige als auch der angemessene Selbstbehalt können erhöht werden, wenn die Wohnkosten des Unterhaltspflichtigen
- beim notwendigen Eigenbedarf 520 EUR
- und beim angemessenen Eigenbedarf 650 € übersteigen und nicht unangemessen sind.
Gleiches gilt, wenn die Wohnkosten beim Ehegattenunterhalt580 EUR übersteigen. Insoweit ist im Selbstbehalt die Miete enthalten.
Voraussetzung, damit der Selbstbehalt bei höheren Wohnkosten erhöht werden kann, ist die Unvermeidbarkeit der Wohnkosten (BGH FamRZ 2016, 887).
Praxisbeispiel
Kein Auszug aus der Wohnung vor Trennungsjahr möglich
Kann dem Ehepartner beispielsweise vor Ablauf des Trennungsjahrs nicht zugemutet werden, aus der ehelichen Wohnung auszuziehen, so dass erhöhte Wohnkosten in Kauf zu nehmen sind, bestehen gute Aussichten, den Selbstbehalt zu erhöhen.
Praxisbeispiel
Erhöhung, um bis zum Auszug Kredit bedienen zu können
Wurde die eheliche Wohnung über ein Bankdarlehen finanziert, kann es ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft sein und auch im Interesse des Unterhaltsberechtigten liegen, wenn der Unterhaltspflichtige in der Wohnung verbleibt und abwartet, bis sich eine passende Gelegenheit zum Verkauf der Wohnung bietet oder sich eine andere Lösung ergibt. Insoweit kommt in Betracht, den Selbstbehalt zu erhöhen, damit der Kredit ordnungsgemäß bedient werden kann.
Erhöhter Selbstbehalt bei hohem Einkommen des Ex-Partners
Verdient der Ex-Partner mehr als die Hälfte des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils, kann der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen erhöht werden. In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde der Selbstbehalt eines unterhaltspflichtigen Elternteils gegenüber einem unterhaltsberechtigten Kind um 120 € angehoben, mit der Begründung, dass das Einkommen des betreuenden Elternteils um mehr als die Hälfte über dem des allein barunterhaltspflichtigen Vaters lag (BGH, Urteil vom 4.5.2011, Az. XII ZR 70/09).
Selbstbehalt kann auch indirekt erhöht werden
Was sind Alternativen zur Erhöhung des Selbstbehalts?
Herabsetzung des Ehegattenunterhalts
Alternativ zur Erhöhung des Selbstbehalts kann auch die Herabsetzung des Ehegattenunterhalts in Betracht gezogen werden. Nach § 1578 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unbillig wäre. Ansatzpunkt sind meist eine Schwerbehinderung oder sonstige außergewöhnliche Belastungen. Im Detail kommt es auf die Begründung im Einzelfall an.
Herabstufung in eine untere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle
Statt einer Erhöhung des Selbstbehalts wäre auch die Herabstufung in eine untere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu prüfen. Die Düsseldorfer Tabelle geht nämlich davon aus, dass der Unterhaltspflichtige immer gegenüber zwei Personen unterhaltspflichtig ist. Insoweit kann der Unterhaltspflichtige in der Düsseldorfer Tabelle eine Einkommensgruppe herabgestuft werden, wenn mehr als zwei unterhaltsberechtigte Personen zu versorgen sind (z.B. zwei Kinder und Ex-Partner oder zwei Kinder aus erster Ehe und ein Kind aus einer neuen Beziehung).
Dadurch hätte der Unterhaltspflichtige mehr Geld, weil er in der unteren Einkommensgruppe weniger Unterhalt leisten muss. Ob unter dem Strich dann wirklich mehr Geld zur Verfügung steht, ist wiederum relativ, weil der Unterhaltspflichtige gegenüber drei unterhaltsberechtigten Personen unterhaltspflichtig ist.
Absenkung des Selbstbehalts bei gemeinsamer Wohnung
Der Selbstbehalt kann herabgesetzt werden, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner in einer Wohnung zusammenlebt und dadurch Mietkosten für eine zweite Wohnung erspart. In dem Fall ist anzunehmen, dass die allgemeinen Lebenshaltungskosten niedriger sind, als wenn der Unterhaltspflichtige alleinstehend wäre. Die Wohnkostenersparnis wird üblicherweise mit 10 % des jeweils maßgeblichen Selbstbehalts bemessen (BGH FamRZ 2014, 912).
Voraussetzung ist, dass der neue Partner aber so viel verdient, dass er sich an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten finanziell auch beteiligen kann. Nach Abzug eventueller berufsbedingter Aufwendungen muss er mehr verdienen, als wenn er Bürgergeld beziehen würde. Verfügt der neue Partner selbst nur über Einkünfte nach SGB II (“Bürgergeld/Hartz 4”) oder aus Sozialhilfe, kommt eine Herabsetzung des Selbstbehalts beim Unterhaltspflichtigen eher nicht in Betracht, falls der Unterhaltspflichtige und der Partner in einer sogenannten “Bedarfsgemeinschaft” leben (OLG Hamm FamRZ 2010, 985).
Umgekehrt braucht der Unterhaltspflichtige nicht zu befürchten, dass sein Selbstbehalt abgesenkt wird, wenn er bzw. sie auf Wohnkomfort verzichtet und in einer besonders preisgünstigen Wohnung lebt. Wird dadurch Geld gespart, gehen die Ersparnisse zugunsten des Unterhaltspflichtigen (BGH FamRZ 2004, 370). Es ist auch nicht relevant, wenn der Unterhaltspflichtige beispielsweise in Thailand lebt und dort von den allgemeinen niedrigen Lebenshaltungskosten profitiert (OLG Frankfurt FamRZ 1995, 735). Auch eine besonders sparsame Art zu leben, um Geld für andere Bedürfnisse anzusparen, führt nicht zur Herabsetzung des Selbstbehalts (OLG Naumburg FamRZ 2007, 1476).
Wer bestimmt, ob der Selbstbehalt erhöht oder abgesenkt wird?
Die in der Düsseldorfer Tabelle benannten Selbstbehalte sind Orientierungshilfen. Insoweit entscheiden die Familiengerichte anhand der Umstände im Einzelfall, ob die Selbstbehalte erhöht oder abgesenkt werden. Es ist dem Gericht dabei nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerten zu orientieren (BGH FamRZ 1997, 806).
- Wünscht der Unterhaltspflichtige, dass der Selbstbehalt erhöht wird, ist er oder sie auf gerichtliche Hilfe angewiesen, wenn der Unterhaltsberechtigte darauf besteht, dass der volle Unterhaltsbedarf bezahlt und nur der in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene Selbstbehalt gewährt wird.
- Wünscht umgekehrt der Unterhaltsberechtigte, dass der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen abgesenkt wird, muss er im Streitfall seine Argumentation gleichfalls vor Gericht vortragen und beantragen, den Selbstbehalt abzusenken.
Alles in allem
Die in der Düsseldorfer Tabelle benannten Selbstbehalte sind nicht in Stein gemeißelt. Im Einzelfall kann es Umstände geben, die es rechtfertigen, den jeweiligen Selbstbehalt zu erhöhen oder abzusenken. Im Einzelfall kommt es neben einer rechtssicheren Unterhaltsberechnung auch auf den richtigen Sachvortrag an, der die Unterhaltsberechnung begleitet.