Mit welcher rechtlichen Begründung kann zu viel gezahlter Unterhalt zurückgefordert werden?
In einigen Situationen kann – mit unterschiedlichen rechtlichen Begründungen - zu viel gezahlter Unterhalt zurückgefordert werden:
Die wichtigste Rechtsgrundlage ist die Regelung zur ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB). Wurde etwa der Überweisungsträger fehlerhaft ausgefüllt und deshalb zu viel Unterhalt überwiesen, besteht ein Bereicherungsanspruch. Gleiches gilt, wenn der Unterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung festgesetzt und im späteren Hauptverfahren nach unten korrigiert wurde. Die Mehrzahlung kann auch zurückgefordert werden, wenn die Unterhaltspflicht gerichtlich oder in einer notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung festgesetzt und die Höhe später nach erfolgreicher Abänderungsklage niedriger angesetzt wurde. Das ist zumindest die Theorie.
In der Praxis wird sich der Unterhaltsgläubiger wahrscheinlich darauf berufen, dass er oder sie das Geld für die laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht hat und nicht in der Lage ist, irgendwas zurückzuzahlen. Es geht um die sogenannte Entreicherung (§ 818 Abs. III BGB).
Der Einwand des Schuldners könnte dann wiederum darin bestehen, dass der Unterhaltsgläubiger das Geld nicht für den laufenden Lebensunterhalt verbraucht hat, stattdessen mit dem Unterhalt Anschaffungen getätigt oder Verbindlichkeiten getilgt hat (so BGH FamRZ 192, 1152). Dafür steht der Schuldner allerdings in der Beweispflicht: Gelingt es nicht, diese Behauptung zu beweisen, ist davon auszugehen, dass der gezahlte Unterhalt in gutem Glauben für den Lebensunterhalt verwendet wurde.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den zu viel gezahlten Unterhalt gerichtlich zurückfordern. Ab dem Zeitpunkt, in dem die Klage dem Unterhaltsgläubiger gerichtlich zugestellt wird und damit rechtshängig ist, kann sich der Unterhaltsgläubiger nicht mehr damit herausreden, dass er oder sie das Geld verbraucht hat (§ 818 Abs. IV BGB). Sollte sich die Forderung einigermaßen begründet darstellen lassen, könnte es sich tatsächlich empfehlen, frühzeitig zu klagen (so BGH FamRZ 1992, 1152).
Hat der Unterhaltsgläubiger vorsätzlich über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse getäuscht, kann der Rückzahlungsanspruch auf einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gestützt werden (§§ 823, 826 BGB). Der Unterhaltsgläubiger ist nämlich verpflichtet, eigene Einkünfte anzugeben. Tut er oder sie dies nicht, steht der Vorwurf eines Prozessbetruges im Raum.
Welche Schwierigkeiten bestehen, zu viel bezahlten Unterhalt zurückzufordern?
Hat der Unterhaltsschuldner zu viel Unterhalt gezahlt, bestehen rechtliche und praktische Schwierigkeiten.
Zahlt der Unterhaltsgläubiger den Unterhalt nicht freiwillig zurück, weil er oder sie nicht will oder nicht kann, ist der Unterhaltsschuldner darauf angewiesen, den zu viel gezahlten Unterhalt gerichtlich zurückzufordern. Dann muss der Anspruch rechtlich im Detail begründet werden.Wichtig ist es, sich zuvor anwaltlich beraten zu lassen, ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg hätte. Bei einem Gerichtsverfahren müssen außerdem die Verfahrenskosten für Gericht und Anwalt muss der Klägervorgestreckt werden. Es muss jeder für sich abwägen, ob es der Aufwand, sich gerichtlich auseinanderzusetzen, auch tatsächlich wert ist.
Die zweite Schwierigkeit ist die Frage der Durchsetzung des Urteils auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Summe. Unterhaltszahlungen dienen im Regelfall dem Lebensunterhalt. Der Unterhaltsgläubiger wird das Geld schlicht verbraucht haben. Er oder sie wird wahrscheinlich nicht die finanziellen Mittel haben, zu viel gezahlten Unterhalt einfach so wieder zurückzuzahlen. Selbst wenn der Unterhaltsgläubiger erstattungspflichtig ist, geht die Forderung faktisch ins Leere, wenn der Unterhaltsgläubiger nur so viel Geld hat, dass er oder sie das eigene Existenzminimum sichern kann. Dabei ist auf den pfändungsfreien Freibetrag abzustellen. Dieser beträgt 1.402,28 EUR (Stand 1.1.2024). Betreut der Unterhaltsgläubiger ein Kind, erhöht sich der persönliche Freibetrag um einen zusätzlichen Freibetrag für jedes Kind. Selbst wenn der Rückforderungsanspruch gerichtlich festgestellt wäre, könnte der Anspruch nicht zwangsweise vollstreckt werden.
Ist die Aufrechnung zu viel gezahlten Unterhalts mit aktuellem Unterhalt möglich?
Was rechtlich nicht möglich ist: Die aktuellen Unterhaltszahlungen mit dem zu viel gezahlten Unterhalt in der Vergangenheit zu verrechnen. Denn dies verstößt gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot (§ 394 BGB). Da Unterhalt nicht oder nur sehr eingeschränkt der Pfändung unterliegt, ist auch die Aufrechnung ausgeschlossen. Mit etwas, was nicht pfändbar ist, kann also nicht aufgerechnet werden. Denn: Der aktuelle Unterhalt soll den täglichen Lebensbedarf des Unterhaltsgläubigers abdecken und muss uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Der Unterhaltsschuldner bleibt daher verpflichtet, den aktuellen Unterhalt in der berechneten Höhe pflichtgemäß zu entrichten. Wenn der zu viel gezahlte Unterhalt dann möglicherweise nicht erstattet wird, geht dies zu Lasten des Schuldners. Bestenfalls gelingt es, auf freiwilliger Basis eine Vereinbarung zu treffen und den zu viel gezahlten Unterhalt mit aktuellen Unterhaltszahlungen zu verrechnen. Wer hingegen ohne Absprache aufrechnet, riskieren, dass der Unterhaltsgläubiger den aktuellen Unterhalt zwangsweise vollstreckt. Wer seine Unterhaltspflicht korrigieren möchte, muss zwangsläufig bei Gericht einer Abänderungsklage einreichen und die Unterhaltspflicht neu berechnen lassen.
Wie vermeidet man von vornherein, zu viel Unterhalt zu zahlen?
Wer derartige Schwierigkeiten vermeiden möchte, sollte präventiv tätig werden. Die Lösung kann nur darin bestehen, von vornherein darauf abzustellen, dass der Unterhalt so berechnet wird, dass die Zahlungen wirklich begründet sind und nur der Unterhalt gezahlt wird, der auch von Gesetzes wegen gezahlt werden muss.
Die Empfehlung lautet also, dass die Unterhaltspflicht individuell nach Maßgabe der familiären, beruflichen und sonstigen wirtschaftlichen Gegebenheiten berechnet werden sollte. Hierzu empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung. Denn nur ein in Unterhaltsfragen kompetenter Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin werden in der Lage sein, den maßgeblichen Unterhalt zuverlässig zu berechnen.