Sie haben für Ihr Kind Anspruch auf Kindesunterhalt oder Anspruch auf Trennungs- oder Ehegattenunterhalt? Geld erhalten Sie trotzdem nur, wenn der unterhaltspflichtige Ex-Partner (Unterhaltsschuldner) finanziell leistungsfähig und damit in der Lage ist, Unterhalt zu zahlen. Beantragt der Unterhaltsschuldner die Privatinsolvenz, stellt sich die Frage, ob Sie trotz der Privatinsolvenz Unterhaltszahlungen erwarten dürfen.
Was bedeutet Privatinsolvenz bei unterhaltspflichtigen Personen?
Wer überschuldet ist und nicht dazu in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu bedienen, kann Privatinsolvenz beantragen. Ziel ist es, schuldenfrei zu werden. Dazu muss der Schuldner in einer sogenannten Wohlverhaltensphase sein Einkommen an einen vom Insolvenzgericht bestellten Treuhänder abtreten, der das Geld an die Gläubiger verteilt. Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase kann der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragen. Dann werden ihm/ihr die restlichen Schulden erlassen. Der Schuldner ist danach schuldenfrei. Die Wohlverhaltensphase kann neuerdings auf nur noch drei Jahre verkürzt werden. Die Privatinsolvenz erfasst auch Unterhaltsschulden.
Was bedeutet die Privatinsolvenz für den Unterhalt?
Der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts. Darin stellt das Gericht fest, dass das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Erhalten Sie Unterhalt, ist zwischen den kommenden und bereits vergangenen Monaten zu unterscheiden:
Laufender Unterhalt für die kommenden Monate
Haben Sie Anspruch auf künftigen Unterhalt, sind Ihre Unterhaltsansprüche aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Insolvenzforderungen. Sie werden also nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Der Unterhaltsschuldner bleibt trotz der Privatinsolvenz verpflichtet, Unterhalt zu leisten.
Die Höhe des Unterhaltsbetrages wird auch nicht gekürzt oder gar auf null reduziert. Kommt der zahlungspflichtige Unterhaltsschuldner auch mit diesen Unterhaltszahlungen in Verzug, können Sie Ihre Unterhaltsforderungen trotz der Privatinsolvenz vollstrecken. Die laufenden Unterhaltsansprüche nehmen also nicht am Privatinsolvenzverfahren teil. Für den säumigen und vielleicht zahlungsunwilligen Unterhaltsschuldner besteht insoweit ein Risiko, da neue Unterhaltsschulden entstehen können, die er nach einem erfolgreich absolvierten Insolvenzverfahren trotzdem noch abzutragen hat. Die Restschuldbefreiung befreit den Schuldner also nicht von diesen Unterhaltsschulden.
Rückständiger Unterhalt für vergangene Monate
Haben Sie Unterhaltsforderungen, die aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen, unterliegen diese Forderungen der Restschuldbefreiung. Die Unterhaltsrückstände sind Schulden wie andere Verbindlichkeiten auch. Wird dem Unterhaltsschuldner die Restschuldbefreiung erteilt, gehen Sie leer aus. Sie erhalten allenfalls im Rahmen der Wohlverhaltensphase anteilige Beträge, die der Treuhänder aus dem verfügbaren und pfändbaren Einkommen des Unterhaltsschuldners an die Gläubiger gleichmäßig verteilt. Davon gibt es aber wiederum eine Ausnahme.
Restschuldbefreiung und Unterhalt
Die Restschuldbefreiung erfasst nicht den rückständigen gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich und pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 InsO).
Im Detail:
- Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt beruhen auf gesetzlichen Unterhaltspflichten.
- Wichtiges Merkmal ist aber, dass der Unterhalt pflichtwidrig nicht gewährt wurde.
Über die nicht erfüllten Verbindlichkeiten hinaus wird also eine zusätzliche Pflichtwidrigkeit verlangt. Damit soll klargestellt werden, dass der Unterhaltsschuldner keinen Unterhalt gezahlt hatte, obwohl er aufgrund seiner wirtschaftlichen Gegebenheiten Unterhalt hätte zahlen können.
Außerdem muss der Unterhaltsschuldner den Unterhaltsbedarf und die Bedürftigkeit der unterhaltsberechtigten Person sowie den Zahlungsverzug zumindest billigend und damit vorsätzlich in Kauf genommen haben. Falsche Einschätzungen können den Vorsatz entfallen lassen. Ist der Unterhalt rechtsverbindlich festgestellt (tituliert), ist regelmäßig von einer vorsätzlichen Unterhaltspflichtverletzung auszugehen. Dem Schuldner werden also nach der Wohlverhaltensphase in der Privatinsolvenz diese Unterhaltsschulden nicht erlassen. Als Unterhaltsgläubiger können Sie weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen durchführen.
Wie viel darf man während des Insolvenzverfahrens verdienen?
Der Unterhaltsschuldner darf so viel Geld verdienen, wie er will und kann. Allerdings muss er den Betrag, der über seinen persönlichen Pfändungsfreibetrag hinausgeht, dem Treuhänder zur Verfügung stellen und damit die Gläubiger anteilig bedienen.
Um zu gewährleisten, dass der Unterhaltsschuldner künftig fällig werdende Unterhaltszahlungen bedienen kann, werden ihm/ihr erhöhte pfändungsfreie Beträge gewährt. So beträgt zunächst der persönliche Pfändungsfreibetrag des alleinstehenden Schuldners 1.252,64 EUR (Stand 1.7.2021). Gewährt der Schuldner Unterhalt, erhöht sich der persönliche Pfändungsfreibetrag um einen weiteren Freibetrag von 471,44 EUR. Der Schuldner kann also über 1.724,08 EUR verfügen. Bis zu dieser Höhe braucht er sein Einkommen nicht an den Treuhänder zur Befriedigung der Gläubiger abzuführen.
Ist der Schuldner einer weiteren Person gegenüber unterhaltspflichtig (z.B. zweites Kind, Ex-Ehepartner) kommt ein weiterer Freibetrag von jeweils 262,65 EUR hinzu. Dann stehen dem Schuldner insgesamt 1.986,73 EUR zur Verfügung.
Durch das erhöhte pfändungsfreie Einkommen ist gewährleistet, dass der Schuldner seinen laufenden Unterhaltspflichten auch während des Privatinsolvenzverfahrens nachkommen kann. Einkommen, das über diese Pfändungsfreibeträge im Einzelfall hinausgeht, ist an den Treuhänder zur Befriedigung der Gläubiger abzuführen. Der pfändungsfreie Betrag betrifft aber nicht Unterhaltsschulden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind. Diese Unterhaltsschulden sind bloße Insolvenzforderungen und werden nur bedient, soweit der Schuldner Einkommen hat, das über den Pfändungsfreibetrag hinausgeht.
Wie kommen Sie bei Privatinsolvenz an Ihr Geld?
Der Gesetzgeber räumt Unterhaltsgläubigern bei der Zwangsvollstreckung laufender Unterhaltsansprüche Vergünstigungen ein. Grund ist, dass Sie als Unterhaltsgläubiger den Unterhalt benötigen, um Ihren notwendigen Lebensbedarf zu gewährleisten. Beachten Sie also Folgendes:
- In der Regel wird die Vollstreckung in das Arbeitseinkommen des Unterhaltsschuldners die größten Erfolgsaussichten haben. Geht es um Unterhalt, ist Arbeitseinkommen ohne die üblichen Beschränkungen pfändbar. Die Einkünfte unterliegen insoweit einem erweiterten Vollstreckungszugriff. Dieser Sachverhalt wird relevant, wenn das Einkommen des Schuldners unterhalb der ihm zustehenden pfändungsfreien Beträge liegt. Dann reicht sein Einkommen vielleicht nicht aus, den Unterhaltsanspruch in voller Höhe zu bedienen.
- Pfänden Sie als Unterhaltsgläubiger wegen Ihrer Unterhaltsansprüche, bestimmt das Vollstreckungsgericht deshalb auf Ihren Antrag hin einen vom Pfändungsfreibetrag (Basissockelbetrag) abweichenden geringeren pfändungsfreien Betrag (§ 850k ZPO). Dies bedeutet, dass der Unterhaltsschuldner aus diesen Mitteln seinen eigenen und den Unterhalt der unterhaltsberechtigten Personen sicherstellen muss. Der Unterhaltsschuldner kann sich also nicht auf den ihm/ihr eigentlich zustehenden vollen pfändungsfreien Betrag berufen.
- Um dieses Pfändungsprivileg zu nutzen, müssen Sie bei Gericht beantragen, dass aus dem pfändungsfreien Einkommen des Unterhaltsschuldners der entsprechende Unterhaltsbetrag abzuführen ist. Das Vollstreckungsgericht legt dann betragsmäßig oder nach Quoten fest, wie viel dem Unterhaltsschuldner für seinen eigenen Unterhalt und zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche verbleiben darf. Dabei ist der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners nach dem notwendigen Lebensunterhalt zu bemessen (BGH, FamRZ 2018, 1687).
- Aufwendungen für die Unterkunft sind nach den konkreten Umständen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten (ortsübliches Mietpreisniveau) zu ermitteln. Wohnt der Schuldner mit anderen Personen in einer Wohnung zusammen und decken die von ihm aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung auch den Wohnbedarf dieser Personen, ist die Höhe des angemessenen Bedarfs des Schuldners für Unterkunft und Heizung gedanklich nach den Kosten zu ermitteln, die der Schuldner nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Deckung seines eigenen Wohnbedarfs aufwenden müsste.
Unterhaltsansprüche gehen in der Zwangsvollstreckung vor
Als Unterhaltsgläubiger sind Sie in der Zwangsvollstreckung privilegiert. Um Ihre Privilegierung nachzuweisen, müssen Sie einen Titel vorlegen, aus dem sich ergibt, dass Sie wegen eines Unterhaltsanspruchs vollstrecken. Ein gerichtlicher Mahn- und Vollstreckungsbescheid kann einen solchen Nachweis nicht erbringen. Grund ist, dass der Bescheid auf Ihren Angaben beruht, die das Vollstreckungsgericht nicht näher prüft. Sie sind also in einer besseren Position, wenn der Unterhaltsschuldner beispielsweise den Kindesunterhalt in einer Jugendamtsurkunde anerkannt hat oder Sie Ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt beispielsweise in einer Scheidungsfolgenvereinbarung notariell beurkundet haben.
Alles in allem
Geht es um Unterhalt und Privatinsolvenz, bewegen Sie sich in einem schwierigen Terrain. Es gilt, aus den meist bescheidenen finanziellen Möglichkeiten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Im Regelfall werden Sie dazu auf anwaltliche Beratung und Vertretung angewiesen sein. Machen Sie Unterhalt gelten, sollten das Risiko beherzigen, dass der Unterhaltsschuldner sich in die Privatinsolvenz flüchtet. Möglicherweise erhalten Sie nur wenig oder überhaupt kein Geld. Unter Umständen kann es deshalb günstiger sein, den Unterhalt vergleichsweise zu regeln und angesichts der finanziellen Verhältnisse nicht darauf zu bestehen, den vollen Unterhalt beanspruchen zu wollen.