Das Leben um uns herum wirft immer wieder neue Fragen auf, auf die wir Antworten finden müssen. Auch der nachfolgende Sachverhalt begründet solche Fragen. Heiraten Sie nach Ihrer Trennung erneut, könnten Sie in folgende Situation kommen: Ihr neuer Ehepartner oder Ihre neue Ehepartnerin bringt ein eigenes leibliches Kind mit in der Ehe ein. Sie haben aus Ihrer ersten Ehe selbst leibliche Kinder.
Müssen Sie jetzt allen Ihren Kindern, also Ihren leiblichen Kindern und Ihrem adoptierten Stiefkind in gleicher Höhe Unterhalt zahlen? Und vor allem: Dürfen oder müssen Sie den leiblichen Kindern den Unterhalt kürzen, damit Sie auch Ihrem adoptierten Stiefkind angemessenen Unterhalt zahlen können?
Unterscheiden Sie: Kindesunterhalt, wenn Sie getrennt leben und Familienunterhalt
Betreut Ihr Ehepartner nach Ihrer Scheidung Ihre gemeinsamen Kinder, zahlen Sie für Ihre leiblichen Kinder Kindesunterhalt. Heiraten Sie erneut, können Sie das leibliche Kind Ihres neuen Ehepartners, also Ihr Stiefkind, adoptieren. Das adoptierte Stiefkind ist dann Ihr eigenes Kind und steht Ihren leiblichen Kindern rechtlich gleich. Alle Kinder haben die gleichen Rechte und Ansprüche. Mit der Adoption werden Sie zum rechtlichen Vater Ihres Stiefkindes.
Da Sie Ihr adoptiertes Stiefkind aber in Ihrer neuen Ehe gemeinsam mit Ihrem Ehepartner betreuen, brauchen Sie keinen direkten Unterhalt für das Kind zu zahlen. Insoweit besteht Ihre Unterhaltspflicht darin, dass Sie mit Ihrem Einkommen zum gemeinsamen Familienunterhalt beitragen. Sie sind dazu verpflichtet, die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 BGB). Der angemessene Unterhalt umfasst alles, was erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse des Ehepaars und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu erfüllen (§ 1360a BGB).
Auch wenn Sie Bargeld zum gemeinsamen Familienunterhalt beisteuern, schulden Sie die Zahlung nicht direkt dem Kind. Ihr Beitrag fließt vielmehr in die Haushaltskasse ein, aus der alle familiären Bedürfnisse, auch die Ihres adoptierten Stiefkindes, finanziert werden. Sie schulden insoweit nicht Barunterhalt, sondern Naturalunterhalt. Der Naturalunterhalt besteht vorwiegend darin, dass Sie gemeinsam mit dem anderen Elternteil dem Kind Kost und Logis bieten und für seine Erziehung und Betreuung aufkommen. Allerdings hat Ihr Stiefkind ab einem gewissen Alter Anspruch auf ein angemessenes Taschengeld in Form von Bargeld.
Inwieweit werden leibliche und adoptierte Kinder gleich behandelt?
Sie müssen wissen, dass alle Ihre Kinder untereinander unterhaltsrechtlich gleich behandelt werden. Sie sind also allen Kindern gleichermaßen unterhaltspflichtig, unabhängig davon, ob es sich um Ihre leiblichen Kinder oder um ein adoptiertes Kind handelt (BGH FamRZ 1984, 378). Auch kommt es nicht darauf an, ob es sich um eheliche oder nichteheliche Kinder handelt.
Erfasst werden auch sogenannte privilegierte Kinder. Privilegierte Kinder sind solche Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, noch im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden. Auch diese privilegierten Kinder haben die gleichen Unterhaltsansprüche wie alle Ihre minderjährigen Kinder.
In welcher Höhe zahlen Sie Kindesunterhalt für Ihre leiblichen Kinder?
Der Kindesunterhalt für Ihre leiblichen Kinder, von denen Sie getrennt leben, richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. In Abhängigkeit von Ihrem Nettoeinkommen und dem Alter Ihrer Kinder entnehmen Sie aus der Düsseldorfer Tabelle den zu zahlenden Unterhaltsbetrag für das einzelne Kind.
Jetzt müssen Sie aber beachten, dass die Düsseldorfer Tabelle die Besonderheit hat, dass sie auf zwei unterhaltsberechtigte Personen abstellt. Der in der Tabelle ausgewiesene Unterhaltsbetrag ist also nicht unbedingt identisch mit dem zu zahlenden Unterhalt. Bei einer größeren / geringeren Anzahl unterhaltsberechtigter Kinder können Ab- oder Zuschläge erfolgen, indem Sie als unterhaltspflichtiger Elternteil in eine niedrigere oder in eine höhere Einkommensgruppe eingestuft werden.
- Sind Sie also zwei Kindern unterhaltspflichtig, ist der Tabellenbetrag mit dem Unterhaltsbetrag identisch.
- Sind Sie mehr als zwei Kindern unterhaltspflichtig, werden Sie in der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensgruppe niedriger eingestuft, als es Ihrem Nettoeinkommen entspricht.
- Sind Sie nur einem Kind unterhaltspflichtig, werden Sie der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensgruppe höher eingestuft, als es Ihrem Nettoeinkommen entspricht.
Somit ergibt sich der in Bargeld zu zahlende Kindesunterhalt für Ihre leiblichen Kinder, von denen Sie getrennt leben, aus der Düsseldorfer Tabelle. Ihre Unterhaltspflicht gegenüber Ihrem adoptierten Stiefkind, mit dem Sie gemeinsam in Ihrem Haushalt leben, bestimmt sich nach dem Maß des Familienunterhalts und stellt sich als Naturalunterhalt dar.
Lebt auch nur eines Ihrer leiblichen Kindern in Ihrem neuen Haushalt, schulden Sie auch diesem Kind lediglich im Rahmen des Familienunterhalts Naturalunterhalt.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebende Unterhaltsbetrag für Ihre leiblichen Kinder entweder gleich bleibt, wenn Sie nur ein leibliches Kind und ein adoptiertes Stiefkind unterhalten. Haben Sie zwei leibliche Kinder und ein adoptiertes Stiefkind, werden Sie in der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensgruppe niedriger eingestuft. Die Konsequenz ist, dass Ihre beiden leiblichen Kinder nach Ihrer Heirat und der Adoption Ihres Stiefkindes weniger Kindesunterhalt bekommen, als sie vorher vor Ihrer Heirat und vor der Adoption Ihres Stiefkindes bekommen hatten.
Beispiel: Sie haben zwei leibliche Kinder aus erster Ehe und haben Ihr Stiefkind adoptiert. Ihr Nettoeinkommen beträgt 2.500 EUR. Damit werden Sie in der Düsseldorfer Tabelle zunächst in die Einkommensgruppe 3 eingestuft. Der Kindesunterhalt für Ihr vierjähriges Kind würde dann 433 EUR betragen (Stand 1.1.2021). Da Sie mit Ihrem Stiefkind aber drei Kinder unterhalten müssen, werden Sie in der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensgruppe niedriger in die Einkommensgruppe 2 eingestuft. Daher zahlen Sie Ihrem vierjährigen leiblichen Kind nur 413 EUR Kindesunterhalt. Der Kindesunterhalt für Ihr anderes leibliches Kind bemisst sich gleichfalls nach diesem Grundsatz. Der Kindesunterhalt für Ihr adoptiertes Stiefkind hingegen bemisst sich nach dem Familienunterhalt. Die Tatsache, dass Sie Ihr adoptiertes Stiefkind im Rahmen des Familienunterhalts unterhalten, wirkt sich also insoweit aus, als Sie in der Düsseldorfer Tabelle bei der Unterhaltspflicht gegenüber mindestens zwei leiblichen barunterhaltsberechtigten Kindern herabgestuft werden.
Alles in allem
Letztlich geht es darum, dass alle Ihre Kinder ein im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten angemessenes Leben führen sollen. Um dies sicherzustellen, wurden entsprechende gesetzliche Vorgaben geschaffen. Dabei wird auch Ihr eigener Lebensbedarf über den Selbstbehalt berücksichtigt. So sollen alle Familienmitglieder bestmöglich versorgt werden.