Wann besteht eine Unterhaltspflicht?
Sie sind unterhaltspflichtig, wenn Sie leistungsfähig sind. Oder umgekehrt: Sie sind nicht unterhaltspflichtig, wenn Sie bei Berücksichtigung Ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande sind, ohne Gefährdung Ihres eigenen Unterhalts den Unterhalt für Ihr Kind oder Ihren Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin zu leisten. Sie gelten dann im Sinn des Unterhaltsrechts als nicht leistungsfähig (§ 1603 BGB). Dann brauchen Sie Unterhaltsansprüche nur aus dem Einkommen zu bedienen, das über Ihren sogenannten Selbstbehalt (Eigenbedarf) hinausgeht.
Lebensbedarf des Kindes muss gesichert sein
Sind Sie Ihrem Kind gegenüber unterhaltspflichtig, sind Sie verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu Ihrem Unterhalt und den Unterhalt für Ihr Kind gleichmäßig zu verwenden. Diese moralische Verpflichtung hat also auch eine rechtliche Grundlage. Ihnen obliegt eine gesteigerte Erwerbspflicht, die Sie verpflichtet, sich verantwortungsvoll um Arbeit zu bemühen, jedwede zumutbare Arbeit anzunehmen und alles zu unterlassen, was den Unterhaltsanspruch Ihres Kindes gefährdet.
Ihre Selbstbehalte, wenn Sie Schulden haben
Ihr Selbstbehalt dient dazu, Ihren eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Ergibt sich unter Berücksichtigung unterhaltsrechtlich relevanter Schulden, dass Ihnen weniger Einkommen verbleibt, als es Ihrem jeweiligen Selbstbehalt entspricht, sind Sie nicht unterhaltspflichtig, weil Sie nicht „leistungsfähig“ sind.
Es gelten folgende Selbstbehalte:
- Selbstbehalt gegenüber minderjährigen und privilegierten Kindern = 1.450 EUR, wenn Sie erwerbstätig sind und 1.200 EUR, wenn Sie nicht erwerbstätig sind. Ein privilegiertes Kind ist ein Kind bis zum 21. Lebensjahr, das im Haushalt eines Elternteils wohnt und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befindet.
- Die benannten Selbstbehalte beinhalten bis 520 EUR für Ihre Warmmiete und können erhöht werden, wenn Ihre Wohnkosten den eigentlichen Selbstbehalt überschreiten und nicht unangemessen sind.
- Gegenüber einem volljährigen, nicht privilegierten Kind, beträgt der Selbstbehalt 1.750 EUR.
- Ihr Selbstbehalt gegenüber dem getrenntlebenden und dem geschiedenen Ehepartner beträgt 1.600 EUR, wenn Sie erwerbstätig sind, ansonsten 1.475 EUR.
In welchem Verhältnis stehen Unterhalt und Schulden?
Schulden und Verbindlichkeiten reduzieren die Unterhaltszahlungen nur dann, wenn sie unterhaltsrechtlich auch tatsächlich relevant sind. Sie können die Zahlung von Unterhalt also nicht pauschal mit dem Argument verweigern, dass Sie anderweitig Schulden und Verbindlichkeiten bedienen müssen und für den Unterhalt kein Geld mehr übrighaben. Bestimmte Schulden und Verbindlichkeiten mindern Ihre Pflicht zum Unterhalt, andere hingegen nicht. Insoweit gibt es keinen absoluten Vorrang von Unterhalt gegenüber Schulden. Genauso wenig gibt es einen absoluten Vorrang von Schulden gegenüber Unterhalt. Im Prinzip müssen Sie auch Unterhalt zahlen trotz hoher Schulden.
Allerdings kommt es immer auf eine umfassende Interessenabwägung an. Dabei ist von Bedeutung, ob Ihre Schulden zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als Sie mit Ihrer Inanspruchnahme noch nicht rechnen mussten. Wussten Sie um Ihre Unterhaltspflicht oder mussten Sie damit rechnen, können Sie sich nicht auf Ihre Leistungsunfähigkeit berufen, wenn Sie in dieser Zeit Schulden begründet haben, es sei denn, dass es sich um nachweislich notwendige Anschaffungen oder Dienstleistungen für den Beruf oder die allgemeine Lebensführung handelt (BGH, FamRZ 2003, 1181). Die Interessenabwägung führt meist dazu, dass Sie wenigstens den Mindestunterhalt zahlen müssen.
Beachten Sie, dass Sie sich nicht auf Schulden berufen können, die Sie leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständlichen Grund eingegangen sind (BGH FamRZ 1984, 358). Auch Glücksspielschulden (OLG Hamm, FamRZ 1996, 959) und Schulden aus dem Betrieb einer von vornherein unwirtschaftlichen gewerblichen Tätigkeit (OLG Köln, FamRZ 1994, 1406) bleiben außer Betracht.
Umgekehrt haben Unterhaltsansprüche gegenüber anderen Verbindlichkeiten grundsätzlich keinen Vorrang (BGH FamRZ 1984, 657). Unterhaltsansprüche sind allenfalls ein Abwägungskriterium, wenn sie zwangsweise vollstreckt werden. Dann müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Selbstbehalt herabgesetzt wird, insbesondere dann, wenn es um die Zahlung von Kindesunterhalt geht.
Welche Schulden verringern Ihr unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen?
Geht es um unterhaltsrechtlich relevante Schulden, kommt es immer auf den Einzelfall an. Pauschale Angaben sind nicht möglich. Vor allem kommt es darauf an, wie Sie eine Verbindlichkeit im Detail begründen und in einem Unterhaltsrechtsstreit vortragen und beweisen.
Steuern und Sozialabgaben
Unterliegen Sie nicht der gesetzlichen Rentenversicherung, dürfen Sie für Ihre Altersvorsorge regelmäßig 20 % Ihres Bruttoeinkommens aufwenden. Für eine zusätzliche Altersvorsorge kommen weitere 4 % in Betracht.
Berufsbedingte Aufwendungen
Im Regelfall kommt eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens in Ansatz, höchstens 150 EUR monatlich. Übersteigen Ihre berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind diese insgesamt nachzuweisen.
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Weitere Unterhaltspflichten
Sind Sie mehreren Personen gegenüber unterhaltspflichtig, mindern die Unterhaltspflichten Ihre Leistungsfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Rangfolge (§ 1609 BGB). So sind Sie verpflichtet, erst- und vorrangig den Kindesunterhalt zu leisten. Sind Sie auch gegenüber Ihrem Ex-Partner oder Ihrer Ex-Partnerin unterhaltspflichtig, dürfen Sie bei der Bemessung des Trennungs- oder Ehegattenunterhalts die Zahlungen für den Kindesunterhalt abziehen. Das für den Ehegattenunterhalt unterhaltsrechtliche Einkommen wird also um den Kindesunterhalt reduziert.
Unterhalt an Verpflichtungen anpassen
Sind Sie erneut verheiratet, können Sie Ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehepartner nicht einkommensmindernd geltend machen. Der „alte“ Ehegatte und der „neue“ Ehegatte müssen sich den Unterhalt teilen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der frühere Ehegatte Unterhalt wegen Kindesbetreuung oder wegen einer langer Ehedauer von wenigstens 15 Jahren beansprucht. Dann hat der alte Ehegatte Vorrang vor dem neuen Ehegatten (§ 1582 BGB).
Das Unterhaltsrecht spricht von einem Mangelfall, wenn Sie mehrere leibliche Kinder haben und wenig verdienen oder neben dem Kindesunterhalt auch noch Ehegattenunterhalt zahlen müssen. Als Mangelfall wird alles bezeichnet, wenn der Unterhaltspflichtige nicht allen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann. Das Gesetz bestimmt deshalb eine Rangfolge, nach der Sie Ihre Unterhaltspflichten zu erfüllen haben (§ 1609 BGB). Vorrangig ist immer der Unterhalt für das minderjährige Kind zu bedienen
Ehe- und familienbedingte Schulden
Dem Grundsatz nach ist es so, dass Schulden und Verbindlichkeiten, die bereits Ihre Lebensverhältnisse während Ihrer Ehe bis zur Trennung geprägt haben, im Regelfall zu berücksichtigen sind (BGH, FamRZ 2002, 536). Dabei kommt es darauf an, ob die Schulden mit ausdrücklicher oder stillschweigender Billigung des Ehepartners begründet oder in die Ehe mit eingebracht wurden. Nach der Trennung neu entstandene Schulden für notwendige Ausgaben sind ebenfalls zu berücksichtigen, soweit diese nunmehr der normalen Weiterentwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse zuzurechnen sind. Dazu müssen Sie darlegen, dass diese Schulden nicht rein persönlichen Bedürfnissen dienen (BGH, FamRZ 1992, 797).
Kosten Ihrer allgemeinen Lebensführung sind nicht gesondert zu berücksichtigen. Beiträge für Versicherungen gehören nur zum Lebensbedarf, wenn sie angemessen und notwendig sind. Prämien für eine Lebensversicherung gelten als Aufwand zur Vermögensbildung und bleiben unberücksichtigt. Pkw-Kosten sind relevant, wenn Sie den Pkw zur Berufsausübung benötigen oder aus sonstigen Gründen auf dessen Nutzung angewiesen sind.
Verbindlichkeiten, die Sie im Hinblick auf die Finanzierung Ihrer Ehewohnung oder Ihres Familienwohnhauses zu verantworten haben, sind meist ehebedingt. Kommt ein Verkauf des Immobilieneigentums nicht in Betracht, kann es geboten sein, die Tilgungsrate für den Hauskredit außer Ansatz zu lassen, wenn die Berücksichtigung dieser Verbindlichkeit dazu führen würde, dass Sie unberechtigterweise auf Kosten der unterhaltsberechtigten Personen Vermögen bilden (BGH NJW-RR 1995, 129).
Familienbedingte Schulden
Wurden Sie geschieden, sind auch die Scheidungskosten familienbedingte Schulden (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 578).
Welche Option bietet die Verbraucher-/Privatinsolvenz?
Sind Sie unterhaltspflichtig, müssen Sie alles tun und veranlassen, was Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit stützt. Dazu gehört im Regelfall auch die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens (Privatinsolvenz).
Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einleitung des Privatinsolvenzverfahrens geeignet ist, den laufenden Unterhalt dadurch sicherzustellen, dass ihm Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird und das Insolvenzverfahren im Einzelfall nicht unzumutbar erscheint (BGH, FamRZ 2005, 608). Eine Unzumutbarkeit kommt in Betracht, wenn das Insolvenzverfahren Ihren Arbeitsplatz gefährdet (OLG, Oldenburg, FamRZ 2006, 1223) oder Ihre Verbindlichkeiten relativ niedrig sind.
Im Übrigen sind Sie auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um wenigstens den Mindestunterhalt zu zahlen. Vorteilhaft ist, dass auch Ansprüche auf rückständigen Unterhalt der Restschuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren unterliegen. Die Restschuldbefreiung wird von Amts wegen erteilt, wenn Sie Ihr verfügbares Einkommen an einen vom Amtsgericht bestellten Treuhänder abgeliefert und die vom Gesetz im Einzelfall vorgegebene Wohlverhaltensphase beanstandungslos absolviert haben.
Von Schulden befreien
Sind Sie überschuldet, haben Sie seit 1.10.2020 die Möglichkeit, sich innerhalb von regelmäßig drei Jahren von Ihren Schulden zu befreien. Dieser Weg steht Ihnen auch dann offen, wenn Sie während des Verfahrens kein pfändbares Einkommen oder Vermögen erwirtschaften. Durch die Möglichkeit, die Verfahrenskosten vom Gericht stunden zu lassen, können Sie am Verfahren teilnehmen und sich entschulden, auch wenn Sie völlig mittellos sind.
Weniger arbeiten oder gar nicht arbeiten sollte keine Option sein
Als Elternteil oder Ex-Partner tragen Sie eine besondere Verantwortung. Sie sind deshalb verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und Geld zu verdienen. Arbeiten Sie weniger oder arbeiten Sie überhaupt nicht und verbinden damit die Vorstellung, dass Sie dadurch den Unterhalt vereiteln könnten, werden Ihnen theoretisch erzielbare Einkünfte, sogenannte fiktiver Einkünfte, angerechnet. Ihre Unterhaltspflicht bestimmt sich dann nach diesem fiktiven Einkommen. Gleiches gilt, wenn Sie Ihren Arbeitgeber veranlassen, Ihr Arbeitsverhältnis ohne nachvollziehbare Gründe zu kündigen.
Da Sie von irgendwas Ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten müssen, müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Selbstbehalt weiter herabgesetzt wird und Sie aus dem Einkommen, das dann über dem herabgesetzten Selbstbehalt liegt, die Unterhaltsansprüche bedienen müssen. Dabei gilt insbesondere gegenüber minderjährigen und schulpflichtigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht.