Das Unterhaltsrecht befasst sich eher mit Selbstbehalten statt Schonvermögen
Sind Sie unterhaltspflichtig und denken darüber nach, ob Sie ein „Schonvermögen“ in Anspruch nehmen können, liegt das Augenmerk zunächst auf den Selbstbehalten. Sind Sie Ihrem Kind oder Ihrem Ex-Partner unterhaltspflichtig und zahlen Kindesunterhalt oder Trennungs- bzw. Ehegattenunterhalt, stehen Ihnen unterhaltsrechtlich sogenannte Selbstbehalte zu. Die Rede ist auch vom Eigenbedarf. Die Selbstbehalte sind im Prinzip ähnlich wie das „Schonvermögen“ im Sozialrecht, beziehen sich aber auf Bargeld, nicht auf sonstige Vermögenswerte. Ob auch Vermögenswerte unterhaltsrechtlich als Schonvermögen in Betracht kommen, ist eine andere Frage.
Beim Kindesunterhalt beträgt der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber minderjährigen Kindern und gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden (volljährige privilegierte Kinder),
- soweit Sie nicht erwerbstätig sind = 1.200 EUR
- soweit Sie erwerbstätig sind = 1.450 EUR und
- gegenüber sonstigen Kindern = 1.750 EUR (notwendiger Eigenbedarf).
Der monatliche Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber dem getrenntlebenden und dem geschiedenen Ex-Partner beträgt
- bei Erwerbstätigkeit = 1.475/1.600 EUR und
- bei Erwerbslosigkeit = 1.475 EUR
Sparsame Lebensweise reduziert nicht den Selbstbehalt
Es ist Ihre Entscheidung, wie Sie mit dem im Rahmen des Selbstbehalts zustehenden Geld umgehen. Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie gerne reisen und dafür am Essen und Trinken sparen (OLG München, FamRZ 1999, 510). Es ist auch egal, ob Sie in Tahiti leben und dort die allgemeinen Lebenshaltungskosten niedriger sind als in Deutschland. Diese Umstände sind kein Grund, Ihren Selbstbehalt herabzusetzen (OLG Frankfurt, FamRZ 1995, 735). Auch eine besonders sparsame Lebensweise führt nicht dazu, dass der Selbstbehalt herabgesetzt wird (OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1476).
Zum Artikel: (Mehr) Unterhalt, wenn man in der Schweiz lebt? Kein Einkommen, aber Vermögenswerte, was nun?
Im Idealfall zahlen Sie Kindesunterhalt und Unterhalt für den Ex-Partner aus Ihrem laufenden Einkommen. Die Selbstbehalte gewährleisten, dass Sie von Ihrem verdienten Geld so viel Geld für sich verwenden können, dass der eigene Lebensbedarf einigermaßen abgedeckt wird.
Haben Sie keine oder nur unter Ihrem Selbstbehalt liegende Erwerbseinkünfte, verfügen aber über Vermögen, stellt sich die Frage, ob Sie Ihre Vermögenswerte für den Unterhalt einsetzen und verwerten müssen oder ob das Unterhaltsrecht ein gewisses Schonvermögen gewährt. Der Begriff des Schonvermögens wird im Unterhaltsrecht, anders als im Sozialrecht oder beim Ehegattenunterhalt, nicht direkt verwendet.
Allgemein ist es so, dass Unterhaltspflichtige nicht ohne weiteres verpflichtet sind, den Stamm des Vermögens anzugreifen, um es für die Zahlung von Unterhaltsansprüchen einzusetzen. Dabei geht es um den unterhaltsrechtlich wichtigen Begriff der Leistungsfähigkeit. Leistungsfähig ist nur, wer auf Dauer finanziell selbst gesichert ist. Feste Grundsätze gibt es hierbei nicht. Jedenfalls braucht der Unterhaltspflichtige den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, wenn die Verwertung für ihn bzw. sie mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es um Kindesunterhalt oder Unterhalt für den Ex-Partner geht.
Schonvermögen beim Kindesunterhalt
Sind Sie Ihrem Kind unterhaltspflichtig, müssen Sie grundsätzlich Ihr Vermögen einsetzen (OLG München, FamRZ 1996, 1434). Eine „Billigkeitsklausel“ gibt es im Gesetz nicht. Gegenüber Kindern gilt eine verschärfte Haftung, die auch die Pflicht beinhaltet, notfalls den Stamm des eigenen Vermögens einzusetzen.
Haben Sie bei der Abwicklung der Ehe einen Zugewinnausgleich erhalten oder eine Abfindung für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch, müssen Sie das Geld für den Unterhalt Ihrer Kinder verwenden (OLG Koblenz, FamRZ 2015, 1973).
Eine Verwertungspflicht besteht nicht, wenn Sie die Verwertung des Vermögensstamms von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die Sie für den eigenen Lebensunterhalt oder zu berücksichtigende Verbindlichkeiten oder andere Unterhaltsansprüche benötigen (BGH, FamRZ 1986, 50).
- So brauchen Sie eine angemessene Wohnung nicht zu verwerten, soweit Sie darin relativ günstig wohnen und eine Mietwohnung keine sinnvolle Alternative darstellt.
- Auch ein angemessenes Fahrzeug, das Ihre Mobilität sicherstellt, braucht sicherlich nicht verwertet zu werden.
Wegen der verschärften Haftung für den Unterhalt gegenüber minderjährigen Kindern, ist eine zusätzliche private Altersversorgung beim Kindesunterhalt nur dann als Schonvermögen berücksichtigungsfähig, wenn der Mindestbedarf des minderjährigen Kindes gedeckt ist (BGH FamRZ 2013, 616).
Sind Sie barunterhaltspflichtig, besteht eine Vermögensverwertungspflicht nicht zwingend, wenn der betreuende Elternteil den Barbedarf des Kindes abdecken könnte, ohne seinen eigenen angemessenen Bedarf zu gefährden (OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 436).
Was muss ich zum Kindesunterhalt wissen?
Beide Elternteile sind dem Kind zum Unterhalt verpflichtet - doch was ist nach der Trennung zu beachten?
Schonvermögen beim Trennungs- und Ehegattenunterhalt
Geht es um Trennungs- und Ehegattenunterhalt, besteht im Regelfall keine Pflicht zur Vermögensverwertung, wenn die Verwertung unwirtschaftlich und unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Belange unbillig wäre (§ 1581 S. 2 BGB). Unwirtschaftlich ist die Veräußerung von Vermögenswerten, sofern auf längere Sicht der Ertrag den Unterhalt und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen besser gewährleistet als der erzielbare Erlös (BGH FamRZ 1985, 361).
Im Zeitraum der Trennung hat der Bundesgerichtshof die Grenzen der Vermögensverwertung eng gezogen. Die Vermögensverwertungspflicht geht nicht so weit wie beim Ehegattenunterhalt nach der Scheidung, weil die Trennung nicht unbedingt bedeutet, dass es tatsächlich auch zur Scheidung kommt. Auch hätten die Ehegatten während der Ehe und im Zeitraum der Trennung mehr Verantwortung füreinander als nach der Scheidung. Da prinzipiell eine Versöhnung denkbar erscheint, sollen im Zeitraum der Trennung Veränderungen vermieden werden, die die Aussichten für die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft beeinträchtigen könnten (BGH FamRZ 1986, 556). Dabei kann die Dauer des Getrenntlebens an Bedeutung gewinnen. Ist die Trennung erst erfolgt, ist eine Versöhnung wahrscheinlicher, als wenn die Trennung länger dauert und deshalb eher eine Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstamms angenommen werden kann.
Was ist der 'Ehegattenunterhalt'?
Ehepartner sind einander auch nach der Trennung und Scheidung zu einer gewissen Solidarität verpflichtet. Welche Unterhaltsansprüche haben Sie?
Welche Entscheidungen gibt es hierzu?
- Soll ein Vermögenswert sofort verwertet werden, spielt es keine Rolle, wenn bei einer sofortigen Verwertung künftige Preissteigerungen nicht ausgenutzt werden (BGH FamRZ 1980, 44).
- Barvermögen muss hingegen verwertet werden, da die Annahme einer Unwirtschaftlichkeit von vornherein ausscheidet. Unwirtschaftlichkeit liegt hingegen vor, wenn der Vermögensgegenstand nur zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis verkauft werden könnte (OLG Celle, 1977, 209).
- Auch der Verkauf oder die Beleihung eines Miteigentumsanteils an einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung bleibt außen vor, wenn sich dabei nicht der Verkehrswert realisieren lässt.
Bei der Bewertung sind persönliche Umstände des Unterhaltspflichtigen wie
- Alter,
- voraussichtliche Lebensdauer,
- Gesundheitszustand
- und die Belange naher Angehöriger
zu berücksichtigen (BGH FamRZ 1984, 367).
Was bedeutet Schonvermögen im Sozialrecht?
Anders als im Unterhaltsrecht ist der Begriff des Schonvermögens im Sozialrecht ein zentraler Begriff und ist vor allem gesetzlich klar definiert. Bevor Sie öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen, sind Sie verpflichtet, Ihr vorhandenes Vermögen zu verwerten. Allerdings bestimmt § 90 Abs. 2 SGB XII eine ganze Reihe von Ausnahmen. So darf die Sozialhilfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass Sie Ihre Altersvorsorge einsetzen oder Bargeld in Höhe von bis zu 10.000 EURvorher aufbrauchen. Seit 1.1.2023 gilt auch ein angemessenes Auto als Schonvermögen (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII).
Was ist das Schonvermögen beim Elternunterhalt?
Auch beim Elternunterhalt spielt der Begriff des Schonvermögens eine gewichtige Rolle. Reicht das Einkommen oder die Rente der Eltern nicht aus, um den Lebensunterhalt zu gewährleisten, wird das Sozialamt versuchen, die Kinder unterhaltsrechtlich in die Pflicht zu ziehen, wenn ein Elternteil öffentliche Unterstützungsleistungen benötigt. So wie Eltern gegenüber ihren Kindern zum Kindesunterhalt verpflichtet sind, sind Kinder ihren Eltern zum Elternunterhalt verpflichtet. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom 1.1.2020 hat diese Situation allerdings aufgegriffen und Kinder beim Elternunterhalt weitgehend entlastet.
Vor allem, wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird und nicht genug Geld für die Pflege vorhanden ist, übernimmt das Sozialamt häufig die Kosten und versucht, sich das Geld von den Angehörigen zurückzuholen. Sind Sie Ihren Eltern dem Grundsatz nach unterhaltspflichtig, brauchen Sie dem Sozialamt die entstandenen Kosten erst dann zu erstatten, wenn Sie mehr als 100.000 EUR im Jahr verdienen.
Wird der Elternunterhalt berechnet, profitieren Sie von einem gewissen Schonvermögen. Zum Schonvermögen gehört alles, was die Rechtsprechung einem unterhaltspflichtigen Kind zur Sicherung seines eigenen Lebensbedarfs zugesteht. Vor allem sind ein angemessenes Hausgrundstück oder eine angemessene Eigentumswohnung geschützt.
Die Höhe des Schonvermögens ist vom Einzelfall abhängig. Je mehr Kosten Sie für sich selbst und Ihre Familie haben, desto weniger brauchen Sie für einen pflegebedürftigen Elternteil im Heim zu bezahlen.
Hinzu kommt, dass vom bezifferten unterhaltsrelevanten Nettoeinkommen immer noch 2.000 EUR Selbstbehalt abzuziehen sind. Der Selbstbehalt erhöht sich auf 3.600 EUR wenn Sie verheiratet sind. Vom sich daraus ergebenden Einkommen, ist die Hälfte als Elternunterhalt für einen pflegebedürftigen Elternteil zu verwenden.