Scheinvater bleibt als rechtlicher Vater unterhaltspflichtig
Der rechtliche Vater ist generell für das Kind unterhaltspflichtig. Das ist nach § 1592 BGB derjenige,
- der im Zeitpunkt der Geburt mit der Kindesmutter verheiratet ist oder
- die Vaterschaft anerkannt hat oder
- dessen Vaterschaft im gerichtlichen Verfahren festgestellt wird, wobei für den Mann die Vermutung der Vaterschaft besteht, der der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat.
Erst wenn im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1599 ff BGB festgestellt wird, dass der rechtliche Vater bzw. Scheinvater nicht der biologische Vater ist, entfällt der Unterhaltsanspruch des Kindes. Weiterhin hat die Entscheidung des Familiengerichts im Vaterschaftsanfechtungsverfahren zur Folge, dass das Kind vaterlos wird und zwar rückwirkend seit seiner Geburt. Damit hat das Kind aber vom Scheinvater unrechtmäßig Unterhalt bezogen. Für diesen stellt sich dann die Frage, ob er diesen „Kuckuckskind“- Unterhalt zurückfordern kann.
Wann kann ein Scheinvater den unrechtmäßigen „Kuckuckskind“- Unterhalt zurückfordern
Nach der jetzigen Rechtslage kann ein Scheinvater durch einen Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress den unrechtmäßigen „Kuckuckskind“- Unterhalt zurückfordern, wenn er
- weiß, wer der leibliche Vater von dem „Kuckuckskind“ ist oder
- von der Kindesmutter freiwillig Auskunft über die Identität des biologischen Vaters erhält oder
- vom Kind Auskunft über die Identität des biologischen Vaters erlangt, wobei das Kind nach wie vor einen Auskunftsanspruch gegen seine Mutter über die Person seines leiblichen Vater besitzt, oder
- ein gerichtliches Unterhaltsregressverfahren gegen den vermuteten biologischen Vater führt, nachdem die fehlende tatsächliche Vaterschaft des Scheinvaters zuvor gerichtlich festgestellt wurde
Dazu sollten Sie wissen, dass das Interesse des Kindes gegen seine Mutter über die Identität des biologischen Vaters nicht mit dem Interesse des Scheinvaters an einem Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress gegen den biologischen Vater gleichzusetzen ist, da das Interesse des Kindes höher als das des Scheinvaters wiegt. Daher kann das Kind diese Auskunft von seiner Mutter verlangen. Für die Praxis stellt sich allerdings die Frage, wie dieser Anspruch von minderjährigen Kindern durchgesetzt werden kann. Beim volljährigen Kind besteht dagegen die Gefahr, dass der Scheinvater Druck gegenüber dem Kind aufbaut, damit dieses seinen Auskunftsanspruch gegen seine Mutter geltend macht und er so durch einen Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress seinen Unterhalt zurückfordern kann.
Dagegen ist ein gerichtliches Unterhaltsregressverfahren gegen den vermuteten biologischen Vater – ohne ein vorausgegangenes Vaterschaftsfeststellungsverfahren – äußerst riskant, wenn der Scheinvater über die Person des biologischen Vaters keine genaue Kenntnis hat. Denn wenn der im Verfahren durchgeführte Gen-Test ergibt, dass die vermutete Vaterschaft nicht besteht, geht der Prozess verloren und der Scheinvater ist nicht in der Position, seinen unrechtmäßig gezahlten Unterhalt zurückfordern zu können.
Scheinvater erhält Unterhaltsanspruch des Kindes
Anspruchsgrundlage für den Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress ist § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB. Danach geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen ein Elternteil auf denjenigen über, der dem Kind als Vater Unterhalt leistet, obwohl er ein nicht unterhaltspflichtiger Dritter ist. Aufgrund dieses gesetzlichen Forderungsübergangs kann der Scheinvater für seinen gezahlten „Kuckuckskind“- Unterhalt den biologischen Vater in Unterhaltsregress nehmen.
Voraussetzung dafür ist jedoch nach § 1600d Abs. 4 BGB, dass die Vaterschaft des biologischen Vaters festgestellt ist. Daher ist zuerst ein Abstammungsverfahren durchzuführen, so dass für den Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress zum einen die Vaterschaft des Scheinvaters anzufechten und zum anderen die tatsächliche Vaterschaft des biologischen Vaters festzustellen ist.
Keine Auskunft der Kindesmutter
Um die Auskunft über die Identität des biologischen Vaters für einen Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress zu erhalten, ist es naheliegend, dass der Scheinvater die Kindesmutter darüber befragt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dazu jahrelang ausgeführt, dass die Kindesmutter nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verpflichtet ist, dem Scheinvater die Auskunft über die Identität des biologischen Vaters zu erteilen (zuletzt noch BGH, Beschluss vom 02.07.2014, Az.: XII ZB 201/13).
Diese Rechtsprechung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gekippt. Die Karlsruher Richter waren der Meinung, dass ein Auskunftsanspruch gegen die Kindesmutter über deren geschlechtliche Beziehungen nicht existiert, da die dafür erforderliche eigene gesetzliche Grundlage fehlt. Der Gesetzgeber müsste hierzu erst tätig werden (BVerfG, Urteil vom 24.02.2015, Az.: 1 BvR 472/14). Mit dieser Entscheidung wurden die Rechte und Möglichkeiten der Scheinväter, den „Kuckuckskind“- Unterhalt durch einen Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress zurückfordern zu können, deutlich geschwächt.
Als Folge der Entscheidung des BVerfG hatte die damalige Bundesregierung im Jahr 2016 dem Bundesrat den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes“ zur Stellungnahme nach Artikel 76 Abs. 2 Grundgesetz (GG) zugeleitet (Bundesrat Drucksache Nr. 493/16 vom 02.09.2016). Danach sollte § 1607 Abs. 4 BGB um einen Auskunftsanspruch gegen die Mutter ergänzt werden, „wenn und solange die Erteilung der Auskunft für die Mutter des Kindes unzumutbar wäre.“
Allerdings sollte die derzeit zeitlich nicht eingeschränkte Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruches auf einen Unterhaltregress bzw. Scheinvaterregress auf einen „Zeitraum von zwei Jahren vor Einleitung des Verfahrens auf Anfechtung der Vaterschaft bis zum Abschluss dieses Verfahrens“ begrenzt werden, um so unangemessen hohe finanzielle Rückabwicklungen zu vermeiden.
Allerdings ist dieser Reformvorschlag nie umgesetzt worden. Eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion aus April 2020 zeigte, dass die Bundesregierung auch nicht plant, das Vorhaben aktuell neu anzugehen. Daher bleibt es bei der alten Rechtslage.
Durch ein Abstammungsverfahren den unrechtmäßig gezahlten Unterhalt zurückfordern
Das gerichtliche Abstammungsverfahren beinhaltet die Anfechtung der Vaterschaft des Scheinvaters nach § 1599 Abs. 1 BGB und die Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft des biologischen Vaters nach § 1600d BGB.
Die Anfechtung des Scheinvaters kann aber nicht darauf gestützt werden, dass dieser heimlich eine DNA-Analyse einholt. Gibt der Scheinvater eine solche Analyse in Auftrag und reicht dazu etwa eine Speichelprobe von sich sowie ein benutztes Kaugummi des Kindes ein, besteht ein gerichtliches Beweisverwertungsverbot, wenn das Kind oder die Kindesmutter als dessen gesetzliche Vertreterin mit der Untersuchung dieses Materials nicht einverstanden sind und es daher rechtswidrig verwendet wurde.
Soll ein Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress durchgeführt werden, in dem inzident (anlässlich des Verfahrens) die tatsächliche Vaterschaft des biologischen Vaters festgestellt werden soll, setzt dies voraus, dass die Anfechtung des Scheinvaters über seine Vaterschaft zuvor erfolgt ist und diese erfolgreich war. Nur dann kann die inzidente Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft des biologischen Vaters im Unterhaltsregressverfahren vom Familiengericht veranlasst werden.
Diese inzidente Vaterschaftsfeststellung für den Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress ist für den Scheinvater, der keine Informationen über den biologischen Vater hat oder von der Kindesmutter bzw. dem Kind erhält, der einzige Weg, die tatsächliche Vaterschaft des leiblichen Vaters feststellen zu lassen. Denn antragsberechtigt für die gerichtliche Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft sind nur der vermutliche biologische Vater selbst, die Kindesmutter oder das Kind, nicht aber der Scheinvater. Die inzidente Vaterschaftsfeststellung im Unterhaltsregressverfahren des Scheinvaters ist daher anerkannt und rechtens.
Keine Verwirkung bei vorheriger „Ahnung“
Für den Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress spielt es keine Rolle, dass der Scheinvater bei der Geburt des Kindes den tatsächlichen biologischen Vater erahnte und diesen erst Jahre später für Unterhaltsleistungen in Regress nimmt. Insbesondere tritt dadurch keine Verwirkung ein, also kein Ausschluss des Regresses durch Zeitablauf. Der Scheinvater kann nach wie vor seinen gezahlten „Kuckuckskind“- Unterhalt zurückfordern.
Zum Ratgeber: Verwirkung des Unterhalts Scheinvaterregress gegen die Kindesmutter
Dem Scheinvater ist nicht zu empfehlen, den Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress gegen die Kindesmutter durchzuführen, weil sie ihm das „Kuckuckskind“ untergeschoben und ihn dadurch zu Unterhaltsleistungen veranlasst hat.
Zwar könnte der Scheinvater bei einem Getrenntleben der Eltern von der Kindesmutter nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung den gezahlten „Kuckuckskind“- Unterhalt zurückfordern, da diese den Unterhalt ohne Rechtsgrund erhalten hat. Dem kann die Mutter aber entgegenhalten, dass sie die Gelder bereits verbraucht hat (sogenannter Einwand der Entreicherung).
Zum anderen führt weder ein Ehebruch noch ein bloßes Verschweigen der Nichtvaterschaft des Scheinvaters zu einem deliktischen Anspruch (also einem Schadensersatzanspruch) gegen die Mutter nach § 823 BGB für den geleisteten Kindesunterhalt. Anders wäre es nur dann, wenn die Kindesmutter den Scheinvater vorsätzlich und sittenwidrig schädigen wollte. Das müsste der Scheinvater aber darlegen und beweisen.
Und schließlich ist ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB wegen Pflichtverletzung nicht möglich, weil mangels Kenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des biologischen Vaters eine Bezifferung des konkreten Schadens nicht möglich ist.
Podcast: Vorschuss vom Jugendamt
Unterhaltsregress bei Unterhaltsvorschuss
Es gibt noch einen zweiten wesentlichen Fall von Unterhaltsregress bzw. Scheinvaterregress. Und zwar, wenn das Jugendamt anstelle des barunterhaltspflichtigen Elternteils Unterhaltsvorschuss für den Kindesunterhalt an den betreuenden bzw. alleinerziehenden Elternteil leistet (also an den Elternteil, bei dem das Kind lebt) und den Unterhalt zurückfordern möchte. Die Rechtsgrundlagen sind im UVG enthalten.
Dazu sollten Sie wissen, dass der alleinerziehende Elternteil beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragen kann, wenn
- das Kind sein 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat
- das Kind bei ihm lebt
- der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in der Bundesrepublik Deutschland ist
- der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen, nur teilweise und lediglich unregelmäßig Unterhalt zahlt, wobei die Unterhaltszahlungen unterhalb des gesetzlichen Mindestunterhalts (nach Abzug des Kindesgeldes) liegen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der alleinerziehende Elternteil auf Antrag einen monatlichen Unterhaltsvorschuss nach Abzug des Kindergeldes erhalten, und zwar bis zu (Stand: 1. Januar 2024)
- bis zu 230 EUR für Kinder bis zu 6 Jahren
- bis zu 301 EUR für Kinder bis zu 12 Jahren
- bis zu 395 EUR für Kinder bis zu 18 Jahren
Gewährt wird der Unterhaltsvorschuss längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes.
Damit der barunterhaltspflichtige Elternteil in Regress genommen werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Er muss vom Antrag auf Bewilligung des Unterhaltsvorschusses informiert und darüber belehrt worden sein, dass die Vorschusszahlungen von ihm zurückverlangt werden können.
- Es besteht ein Unterhaltsanspruch des Kindes und der Pflichtige wurde zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert, was der Regelung des § 1613 BGB entspricht.
- Der Pflichtige muss leistungsfähig gewesen sein, hätte also den Barunterhalt zahlen können.
Bei der Leistungsfähigkeit kann dem Barunterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen unterstellt werden, wenn er etwa als Arbeitnehmer mit geringem Einkommen einen zusätzlichen Mini-Job oder als Selbstständiger mit unzureichendem Einkommen eine sozialversicherungspflichtige unselbstständige Tätigkeit hätte ausüben können. In diesen Fällen wird der Pflichtige so behandelt, als hätte er das erzielbare Einkommen tatsächlich erwirtschaftet. Trägt der Pflichtige vor, er sei dazu nicht imstande und im Übrigen nicht leistungsfähig gewesen, ist er dafür darlegungs- und beweispflichtig.