Welche Möglichkeiten bestehen, den Unterhaltstitel zu ändern?
Welche Möglichkeiten bestehen, wenn Sie Ihren Unterhaltstitel ändern lassen möchten, richtet sich nach der Art des Titels.
Beruht der Unterhaltstitel auf einer gerichtlichen Entscheidung (Beschluss oder Urteil), richtet sich die Titeländerung nach § 238 FamFG. Besteht dagegen eine vollstreckbare Unterhaltsvereinbarung (etwa ein gerichtlich protokollierter Vergleich, eine notariell beurkundete Vereinbarung mit Vollstreckungsklausel oder eine Jugendamtsurkunde), erfolgt eine Unterhaltsabänderung von Vergleichen und Urkunden nach § 239 FamFG.
Zweck einer Änderung des Unterhaltstitels ist letztlich die Korrektur von unvorhersehbar nicht zutreffenden Zukunftsprognosen. Dies hat zum einen zur Folge, dass vermeidbare und damit vorhersehbare Fehler bei der Begründung des Unterhaltstitels nicht abgeändert werden können. Wurden also falsche Berechnungsgrundlagen für den Unterhalt eingestellt oder bestimmte unterhaltsrelevante Positionen „vergessen“, kann deswegen noch nicht der Unterhaltstitel geändert werden. Zum anderen dient die Unterhaltsabänderungsklage lediglich der Anpassung an die veränderten Umstände. Wenn der Unterhaltstitel geändert wird, erfolgt daher grundsätzlich keine komplette Neuberechnung des Unterhalts.
Zur Abänderungsklage sollten Sie ansonsten noch wissen, dass:
- Anwaltszwang besteht
- bei der Unterhaltsabänderungsklage bezüglich Kindesunterhalt das Familiengericht, an dem das Kind seinen Wohnsitz hat, ausschließlich zuständig ist. Ansonsten ist regelmäßig das Familiengericht am Wohnsitz des Beklagten bzw. Antragsgegners zuständig.
- die Parteien, also Unterhaltspflichtiger und Unterhaltsberechtigter, mit den Parteien des abzuändernden Titels identisch sein müssen. Wurden die Unterhaltsansprüche zwischenzeitlich an einen Sozialhilfeträger abgetreten, ist dieser Partei. Erfolgt die Abtretung hingegen erst während des laufenden Prozesses der Unterhaltsabänderungsklage, klagt der abtretende Berechtigte auf Zahlung an den Sozialhilfeträger.
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Welche Gründe gibt es für eine Abänderungsklage?
Um den Unterhaltstitel ändern zu lassen, muss beim Familiengericht eine Abänderungsklage bzw. einen Antrag auf Abänderung eines Unterhaltstitels gestellt werden. Hierfür ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die dem Unterhaltstitel zugrunde liegen, erforderlich. Zwar ist dies nur für die Unterhaltsabänderungsklage bei gerichtlichen Entscheidungen ausdrücklich in § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG erwähnt. Allerdings sind solche wesentlichen Änderungen auch bei einer Abänderungsklage bei Vergleichen und Urkunden nach § 239 FamFG von Bedeutung.
Eine wesentliche Änderung kann erfolgen durch:
Neue Einkommensverhältnisse
Der klassische Fall für eine Änderung des Unterhaltstitels ist, dass der Unterhaltspflichtige wesentlich weniger verdient - etwa durch den Verlust seiner Arbeitsstelle und den damit verbundenen Rückgang seiner Leistungsfähigkeit. Hier sollten Sie zunächst wissen, dass eine mutwillige Aufgabe der Arbeitsstelle keinen Herabsetzungsantrag oder gar eine Herabsetzung auf null rechtfertigt. Denn in diesem Fall wird dem Pflichtigen das bisherige Einkommen fiktiv angerechnet, so dass die bisherige Unterhaltspflicht trotz Arbeitsplatzverlust bestehen bleibt. Ebenso muss ein Unterhaltspflichtiger damit rechnen, dass ihm fiktive Einkünfte zugerechnet werden, wenn er nicht in Vollzeit arbeitet oder sonstige Einnahmequellen nicht nutzt. Ein Herabsetzungsantrag hat daher nur Aussicht auf Erfolg, wenn dem Unterhaltspflichtigen nicht durch sein Verhalten vorzuwerfen ist, dass er jetzt weniger oder nichts verdient.
Weitere wesentliche Änderungen in den Einkommensverhältnissen können vorliegen, wenn sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen erhöht und dadurch seine Leistungsfähigkeit steigt. Auch, wenn der Unterhaltsberechtigte mehr bzw. weniger Einkünfte erwirtschaftet und sich dadurch seine Bedürftigkeit verringert bzw. erhöht, kann der Unterhaltstitel geändert werden.
Erhöhung des Kindesunterhalts
Erhöhen sich die Bedarfssätze nach der Düsseldorfer Tabelle, kann es notwendig werden, dass der Unterhaltstitel entsprechend geändert wird und eine Abänderungsklage eingereicht wird. Allerdings ist dies nur bei statischen Unterhaltstiteln nötig, denn in diesen ist die Zahlung eines festen monatlichen Betrags vereinbart. Dynamische Unterhaltstitel berücksichtigen die Änderungen der Düsseldorfer Tabelle automatisch.
Weitere Unterhaltsberechtigte
Sind Unterhaltsberechtigte vorhanden und treten höherrangige oder gleichrangig neue Unterhaltsberechtigte hinzu (etwa ein neugeborenes Kind), wirkt sich das regelmäßig auf die Höhe des bisher zu zahlenden Unterhalts aus. Grund dafür ist zum einen das im Unterhaltsrecht herrschende Rangstufenprinzip. Danach werden die Berechtigten in bestimmte Personengruppen eingeteilt. Die Unterhaltsansprüche der auf oberen Rang befindlichen Gruppen sind stets vorrangig gegenüber der jeweils nachfolgenden Gruppe zu berücksichtigen. Zum anderen hat das Hinzutreten eines gleichrangig Unterhaltsberechtigten regelmäßig zur Folge, dass das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nun auf mehr Personen als zuvor zu verteilen ist und sich dadurch der Unterhalt für den Einzelnen verringert. Hier kann der Unterhaltsberechtigte eine Herabsetzung des Kindesunterhalts anstreben und den Unterhaltstitel ändern lassen.
Änderungen der Rechtsprechung oder Rechtslage
Eine geänderte Rechtsprechung kann ebenso wie etwa eine vom Gesetzgeber neu geschaffene Rechtslage zu einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse führen und damit eine Abänderungsklage rechtfertigen. Die Rechtsprechungsänderung muss allerdings auf höchstrichterlicher Ebene (BGH oder Bundesverfassungsgericht) erfolgen. Eine Änderung der Rechtsprechung der Instanzgerichte (Familiengericht und Oberlandesgericht) reicht für eine Abänderungsklage nicht aus.
Verändert sich der Unterhaltsanspruch um 10 %?
Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und eine Abänderungsklage erfordern grundsätzlich, dass sich der Unterhaltsanspruch um etwa 10% oder mehr verringert. Bei einer Verringerung weniger als 10% kann die Unterhaltspflicht nur ausnahmsweise bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen herabgesetzt werden.
Wie kann der Unterhaltstitel geändert werden?
Eine Änderung des Unterhaltstitels setzt voraus, dass die Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse erst nach der Titulierung entstanden ist. Haben dagegen die Gründe, die zu einer Unterhaltsabänderungsklage führen sollen, im ursprünglichen Gerichtsverfahren bereits vorgelegen und wurden nicht vorgetragen, ist eine Abänderungsklage ausgeschlossen (Präklusion). Demgegenüber darf der Antragsgegner bei seinem Abweisungsantrag Gründe vortragen, die bereits in der Vergangenheit vorlagen.
Sind die Gründe für die Abänderungsklage erst nach der Titulierung der Unterhaltsansprüche entstanden, muss der Antragsteller diese vortragen. Für das Vorliegen dieser Gründe ist derjenige, der den Unterhaltstitel ändern lassen möchte, darlegungs- und beweispflichtig.
Wie erfolgt die Abänderungsklage bei Vergleichen und Urkunden?
Eine Unterhaltsabänderungsklage bei Vergleichen und Urkunden richtet sich nach § 239 FamFG. Im Wesentlichen ist hier zwischen gerichtlich protokollierten bzw. notariellen Unterhaltsvereinbarungen und Jugendamtsurkunden zu unterscheiden.
Es gilt zwar in der Rechtsordnung der Grundsatz: Verträge sind einzuhalten (pacta sunt servanda), so dass Unterhaltsvereinbarungen an sich durchzuführen sind. Aber gerade im Unterhaltsrecht sind die sich ändernden Lebensverhältnisse der Berechtigten und Pflichtigen zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsberechtigte oder Unterhaltspflichtige den Unterhaltstitel ändern lassen möchte. Dazu wird bei Unterhaltsvereinbarungen auf eine falsche Vorstellung der Beteiligten über die Geschäftsgrundlage abgestellt, also eine falsche Vorstellung über die Bemessungsgrundlagen und Umstände für den Unterhalt.
Ob eine Störung der Geschäftsgrundlage – also der Vorstellung über die Bemessungsgrundlagen und Umstände für den Unterhalt – vorliegt, ermitteln die Familiengerichte durch die Auslegung der Unterhaltsvereinbarung nach § 157 BGB. Dabei ist als erstes zu prüfen, ob eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung durch die Parteien in der Vereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen wurde oder nicht. Danach ist zu untersuchen, inwieweit die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung gestört ist oder ob der Vereinbarung erst gar keine Geschäftsgrundlage zu entnehmen ist.
Im Wesentlichen sind daher die folgenden drei Fallgruppen zu unterscheiden:
Unterhaltsvereinbarung und Ausschluss einer Unterhaltsabänderungsklage
Die Unterhaltsvereinbarung kann Klauseln enthalten, wonach eine Änderungsklage bewusst und gewollt ausgeschlossen wird. Ist ein solcher Ausschluss in einem Prozessvergleich nicht vorhanden, ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine spätere Abänderungsklage möglich ist und der Unterhaltstitel geändert werden kann. Das gilt ebenfalls, wenn bestimmte Klauseln zur Abänderung des Vergleichs vorhanden sind, dieser aber wegen eines darin nicht aufgeführten Grundes geändert werden soll.
Ist in einem Ehevertrag eine lebenslange Unterhaltszahlung vereinbart und hat sich die Rechtslage anschließend geändert, weil der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur Unterhaltsbefristung eingeführt hat, kann sich der Unterhaltspflichtige deswegen auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen.
Wurde dagegen in einem Scheidungsfolgenvergleich festgelegt, dass Ehegattenunterhalt unbefristet zu zahlen ist und auf das Recht zur Abänderungsklage ausdrücklich verzichtet wird, ist eine spätere Berufung auf eine Änderung der Rechtsprechung nicht möglich.
Grundsätzlich ist auch keine Unterhaltsabänderungsklage bei einer notariellen Unterhaltsvereinbarung möglich, wenn ausdrücklich auf deren Änderung verzichtet wird, was auch bei geänderten Lebensverhältnissen „egal aus welchem Rechtsgrund“ gelten soll. Eine Ausnahme besteht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann, wenn ansonsten die wirtschaftliche Existenz des Unterhaltspflichtigen gefährdet wäre. An eine solche Ausnahme sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.
Unterhaltsvereinbarung mit gestörter Geschäftsgrundlage
Ist eine Unterhaltsabänderungsklage mangels festgelegten Ausschlusses möglich, sind die Geschäftsgrundlage und deren Störung zu ermitteln. Entscheidend dabei ist letztlich, dass die Unterhaltsvereinbarung so nicht zustande gekommen wäre, wenn die jetzigen Bemessungsgrundlagen und Umstände für den Unterhalt seinerzeit vorgelegen hätten. Sind also die Parteien in der Unterhaltsvereinbarung etwa von einem bestimmten, dort genannten Einkommen des Pflichtigen ausgegangen, was aufgrund seiner inzwischen eingetretenen Erwerbsunfähigkeit nicht mehr zu realisieren ist, wäre die damalige Vereinbarung nicht getroffen worden. Daher ist die der Unterhaltsvereinbarung zugrunde liegende Geschäftsgrundlage an die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit Abschluss der Vereinbarung anzupassen und Sie können den Unterhaltstitel ändern lassen.
Keine Geschäftsgrundlage in der Unterhaltsvereinbarung ersichtlich
Möglich ist auch, dass keine Geschäftsgrundlage – also keine Vorstellung über die Bemessungsgrundlagen und Umstände für den Unterhalt – aus der Unterhaltsvereinbarung ersichtlich sind, sondern dort nur der zu zahlende Unterhalt ohne nähere Angaben zu dessen Ermittlung festgelegt wurde (sogenannte pauschale Unterhaltsvergleiche). Da die Geschäftsgrundlage in diesem Fall mangels Kenntnis der Bemessungsgrundlagen und Umstände für den Unterhalt nicht an die neuen Verhältnisse seit Vertragsschluss angepasst werden kann, hat im Rahmen einer Abänderungsklage eine Neuberechnung des Unterhalts zu erfolgen.
Wurde eine Jugendamtsurkunde einvernehmlich von den Parteien (also Unterhaltspflichtiger und der Vertreter des unterhaltsberechtigten Kindes) veranlasst, sind diese an den Inhalt der Urkunde gebunden. Eine Änderung ist – wie bei Unterhaltsvereinbarungen – nur möglich, wenn die Geschäftsgrundlage gestört ist.
Hat dagegen der Unterhaltspflichtige die Jugendamtsurkunde einseitig veranlasst, liegt darin ein Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB, so dass er ebenfalls an die Urkunde gebunden ist und eine Abänderung nur bei einer gestörten Geschäftsgrundlage beantragen kann. Das gilt in diesem Fall aber nicht für den Unterhaltsberechtigten, da er an der Bindungswirkung nicht mitgewirkt hat. Er kann daher ohne weiteres den Unterhaltstitel ändern lassen und einen höheren Unterhalt im Wege der Abänderungsklage verlangen. Der Unterhaltsverpflichtete kann also den Unterhaltstitel nur im Wege einer Abänderungsklage senken, wenn die Voraussetzungen für eine gestörte Geschäftsgrundlage vorliegen. Dagegen kommt es für den Unterhaltsberechtigten, der den Unterhaltstitel ändern lassen möchte, nicht auf eine gestörte Geschäftsgrundlage an.
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Das gilt für eine Abänderungsklage und Rückforderung von zu viel gezahltem Unterhalt
Wenn der Unterhaltspflichtige den Unterhaltstitel ändern lassen möchte und eine Abänderungsklage deswegen anstrebt, bezweckt er nicht nur, weniger Unterhalt zu zahlen, sondern auch, den zu viel bezahlten Unterhalt in der Vergangenheit zurückzuerhalten. Denn solange der Unterhaltstitel noch nicht abgeändert ist, muss der Pflichtige den (seiner Ansicht) nach zu hohen Unterhalt zahlen, weil er sonst Gefahr läuft, dass der Berechtigte aus dem bestehenden Unterhaltstitel vollstreckt.
Möchte der Unterhaltspflichtige den Unterhaltstitel ändern lassen und hat mit der Unterhaltsabänderungsklage Erfolg, muss der Berechtigte den zu viel erhaltenen Unterhalt an den Pflichtigen zurückerstatten, weil er diesen ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Der Berechtigte kann sich aber darauf berufen, dass er den gesamten Unterhalt inzwischen verbraucht hat. Mit diesem Einwand des Berechtigten wäre der Rückerstattungsanspruch des Pflichtigen jedoch ausgeschlossen, wenn der Pflichtige neben der Abänderungsklage nicht zugleich eine Rückforderungsklage wegen des zu viel gezahlten Unterhalts stellt, was aber zusätzlichen Kosten verursacht.
Aus diesem Dilemma hilft dem Unterhaltspflichtigen § 241 FamFG, da nach dieser Vorschrift ein Abänderungsantrag dieselbe Wirkung wie eine zugleich eingereichte Rückforderungsklage hat.
Wird die Unterhaltsabänderungsklage im Eilverfahren im Weg einer einstweiligen Anordnung geltend gemacht, ist § 241 FamFG jedoch nicht anwendbar.