Ab dem Zeitpunkt der Trennung hat der finanziell bedürftige Ehepartner Anspruch auf Trennungsunterhalt. Spätestens nach der Scheidung sind viele Ehepartner darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Insoweit erscheint es nachvollziehbar, wenn ein Ehepartner die Scheidung verzögert und darauf hofft, möglichst lange Trennungsunterhalt beziehen zu können. Für den unterhaltspflichtigen Ex-Partner stellt sich damit die Frage, von welchem Zeitpunkt an nach der Trennung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verlangt werden kann und der Anspruch auf Trennungsunterhalt hinfällig wird.
Wann besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt?
Im Unterhaltsrecht gilt der Grundsatz, dass Unterhalt nur verlangt werden kann, wenn
- der Unterhaltsberechtigte finanziell bedürftig ist und
- damit nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu gewährleisten.
Das Trennungsjahr gilt weithin als Schonfrist, in der vom Grundsatz her Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht. Dieser hat den Zweck, dass einschneidende Veränderungen bei der bisherigen Aufgabenverteilung und der wirtschaftlichen Verantwortung zumindest im Trennungsjahr vermieden werden. Hintergrund ist, dass die Ehepartner möglicherweise wieder zusammenfinden. Dies wird erleichtert, wenn durch die Trennung möglichst wenig verändert wird.
Nach dem Gesetz kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm oder ihr nach den persönlichen Verhältnissen, insbesondere
- wegen einer früheren Erwerbstätigkeit und
- unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und
- nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten
erwartet werden kann. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diesen Grundsatz im Einzelfall zur Anwendung zu bringen.
Muss der Ex-Partner sofort nach der Trennung arbeiten?
Wann der Ex-Partner nach der Trennung wieder arbeiten muss, lässt sich nicht allgemein bestimmen. Die vielfach herrschende Vorstellung, ein Ehepartner brauche im ersten Trennungsjahr nicht zu arbeiten und könne uneingeschränkt Trennungsunterhalt beziehen, ist jedenfalls eine Fehlvorstellung. Verzögert ein Ehepartner vorsätzlich die Scheidung, um möglichst lange Trennungsunterhalt zu beziehen, läuft er oder sie sehr wohl Gefahr, den Anspruch auf Trennungsunterhalt zu verlieren.
Allgemein gilt, dass sich ein nicht erwerbstätiger Ehegatte nach einer gewissen Dauer darauf einstellen muss, dass seine eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr wiederhergestellt wird und er oder sie früher oder später eigenes Geld verdienen muss. Wann die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, hängt von den Lebensumständen und den wirtschaftlichen Verhältnissen sowie der beruflichen Qualifikation des bislang nicht berufstätigen Ehegatten ab.
Ehepartner hatte Haushaltsführung und Kinderbetreuung
Gab es in der Ehe eine klassische Aufgabenverteilung, bei der ein Ehepartner die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernahm, ist eine gewisse Schonfrist zuzubilligen, in der der Ehepartner nicht zu arbeiten braucht und trotzdem Anspruch auf Trennungsunterhalt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Ehepartner ein Kleinkind betreut.
Haushaltsführung (und Kinderbetreuung) wurden geteilt
Gab es diese Aufgabenverteilung nicht, und hatte der wirtschaftlich schwächere Partner bereits während der Ehe zumindest teilweise gearbeitet, trifft ihn/sie auch im ersten Trennungsjahr die Obliegenheit, eigenes Geld zu verdienen.
Dies gilt umso mehr, als der Unterhaltspflichtige nur ein geringes Einkommen und vielleicht hohe Schulden hat. Dann kann von dem Unterhaltsberechtigten bereits vorzeitig eine Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden. Auch wenn im ersten Trennungsjahr regelmäßig keine Erwerbsobliegenheit besteht, kann der Unterhaltsberechtigte verpflichtet sein, sich frühzeitig und rechtzeitig um eine Arbeitsstelle zu bemühen, so dass spätestens nach Ablauf eines Jahres eigenes Geld verdient werden kann.
Je mehr sich die Trennung verfestigt, umso mehr nähern sich die Voraussetzungen, unter denen eine Erwerbspflicht eintritt, immer mehr dem Maßstab an, der auch beim nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung gilt (BGH FamRZ 2008, 963). Im nachehelichen Unterhaltrecht gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Danach sind Ehegatten für den eigenen Lebensunterhalt selbst verantwortlich, es sei denn, ehebedingte Nachteile rechtfertigen den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt. Dieser Grundsatz wirkt sich auch in der Trennungszeit beim Trennungsunterhalt aus.
War die Ehe nur von kurzer Dauer, kann der Ehepartner bereits im ersten Trennungsjahr verpflichtet sein, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Insbesondere bedarf er keines besonderen Schutzes, wenn er oder sie bereits während des ehelichen Zusammenlebens gearbeitet hat und nicht durch eine von den Ehegatten bestimmte Aufgabenteilung an einer Erwerbstätigkeit gehindert war.
Verfügt der unterhaltsberechtigte Ehegatte über keine Ausbildung, kann er verpflichtet sein, sich durch Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen um eine verbesserte Wiedereingliederung ins Arbeitsleben zu bemühen. Unterlässt der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich, sich um einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung bemühen, riskiert er, dass ihm/ihr theoretisch erzielbare (fiktive) Einkünfte angerechnet werden (OLG Hamburg, FamRZ 1991, 1298). Er wird und so behandelt, als er hätte Einkünfte erzielt. Da diese Einkünfte als Einkommen gewertet werden und auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden, bekäme er/sie kein oder weniger Geld.
Praxisbeispiel
Kein Trennungsunterhalt bei Zweitausbildung
Eine Diplombetriebswirtin arbeitete in einer Steuerberatungsfirma, wurde aber nach der Probezeit nicht übernommen. Sie hatte sich nicht arbeitslos gemeldet. Die Haushaltsführung wurde von den Ehegatten gemeinsam wahrgenommen. Nach der Trennung begann sie ein zweites Studium. Der eingeforderte Trennungsunterhalt wurde ihr für die ersten sechs Monate zuerkannt. Für die Zeit danach allerdings wurde der Frau ein fiktives Einkommen angerechnet.
Das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 10.2.2016, Az. 7 WF 120/16) hielt die Bemühungen der Frau um eine Erwerbstätigkeit für nicht ernsthaft und unzureichend. Sie hatte insgesamt drei Bewerbungen und eine Absage vorgelegt. Aufgrund ihrer abgeschlossenen Ausbildung als Betriebswirtin hätte sie spätestens nach sechs Monaten eine Arbeit finden können. Die Zweitausbildung müsse der unterhaltspflichtige Ex-Partner nicht finanzieren. Das insoweit angerechnete fiktive Einkommen in Höhe des zuletzt erzielten Nettoeinkommens in der Steuerberatungsfirma führte dazu, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt auf null gesetzt wurde.
Praxisbeispiel
Kein Trennungsunterhalt bei neuer Lebensgemeinschaft
Hat sich ein Unterhaltsberechtigte im Zeitraum der Trennung endgültig aus der ehelichen Solidargemeinschaft verabschiedet und lebt in einer verfestigten Lebensgemeinschaft, entfällt der Anspruch auf Trennungsunterhalt. Dies zeigte in einem Fall des OLG Oldenburg darin, dass die Unterhaltsberechtigte sich in die Familie des Partners integriert hatte, an den Familienfeiern der Familie teilnahm, der Sohn den neuen Partner mit Papa ansprach und das Paar gemeinsame Urlaube verbrachte.
Nach der Rechtsprechung ist der Trennungsunterhalt ausgeschlossen, wenn die verfestigte Lebensgemeinschaft wenigstens zwei bis drei Jahre angedauert hat. Nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg (Beschluss vom 16.11.2016, Az. 4 F 78/16) sei die Verfestigung aufgrund der Lebenssituation der Unterhaltsberechtigten bereits wesentlich früher eintreten. Vor diesem Hintergrund sei es für den Ehegatten unzumutbar, diese neue Lebenspartnerschaft durch Unterhaltszahlungen an seine Ex-Frau zu finanzieren. Umgekehrt bestehe auch aus der Sicht der Frau kein schützenswertes Vertrauen darauf, sich auf weitere Unterhaltszahlung zu verlassen.
Was tun, wenn Ex-Partner wegen Trennungsunterhalt Scheidung verzögert?
Wird der Trennungsunterhalt bislang auf freiwilliger Basis bezahlt, wäre es eine einfache Strategie, die Zahlungen einfach einzustellen. Ob der Partner den Trennungsunterhalt dann gerichtlich geltend macht, bleibt abzuwarten. Dies gilt umso mehr, als das Scheidungsverfahren in Gang gesetzt ist und sich der eventuelle Anspruch auf Trennungsunterhalt fortlaufend relativiert.
Ist der Anspruch des Ex-Partners auf Trennungsunterhalt rechtsverbindlich festgestellt (tituliert), kann der unterhaltspflichtige Partner bei Gericht beantragen, den Unterhaltsanspruch herabzusetzen oder auszuschließen, wenn die fortdauernde Zahlung im Hinblick auf die oben aufgezeigten Grundsätze nicht mehr gerechtfertigt erscheint (§ 1578b BGB). In Betracht kommt auch, den Unterhaltsanspruch zeitlich einzuschränken.
Letztlich bietet § 1579 BGB Ansatzpunkte, einen bestehenden Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu beschränken, wenn dem unterhaltsberechtigten Ex-Partner eheliche oder persönliche Verfehlungen vorzuwerfen sind.
Letztlich kann der unterhaltsberechtigte Partner die Scheidung nicht wirklich verzögern. Hat der unterhaltspflichtige Partner die Scheidung beantragt und das gerichtliche Verfahren in Gang gesetzt, muss sich auch der unterhaltsberechtigte Partner dem Verfahren stellen. Vorsätzliche Verzögerungstaktiken, bei denen fortlaufend Stellungnahmen eingereicht werden, Fristen fortlaufend verlängert oder mündliche Verhandlungstermine ignoriert werden, lassen sich mit den dafür vorgesehenen zivilprozessualen Maßnahmen verhindern.
Alles in allem
Haben Sie den Eindruck, dass der Partner die Scheidung verzögert und möglichst lange Trennungsunterhalt beziehen möchte, sollten Sie sich informieren und beraten lassen. Mit der richtigen Argumentation lässt sich der Trennungsunterhalt möglicherweise ins rechte Licht rücken.