Für die Vergangenheit gibt es im Regelfall keinen Unterhalt
Ist Ihr Anspruch auf Unterhalt der Sache nach begründet, können Sie trotzdem keinen Unterhalt für Zeiträume verlangt, die in der Vergangenheit liegen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Sie den Unterhaltspflichtigen richtig in Verzug gesetzt haben (§ 1613 BGB). Allein an dieser Voraussetzung scheitern viele Unterhaltsansprüche.
Der oder die Unterhaltspflichtige soll sich nämlich darauf einstellen können, dass die Unterhaltspflicht nicht nur der Sache nach begründet ist, sondern dass er bzw. sie die Unterhaltszahlungen tatsächlich auch leisten muss. Der Unterhaltspflichtige soll vor einer stark belastenden Inanspruchnahme für möglicherweise lange zurückliegende Zeiträume bewahrt werden, mit deren kontinuierlichem Anwachsen er nicht zu rechnen brauchte.
Wurde der Unterhaltspflichtige formal richtig in Verzug gesetzt, ist klar, dass der Unterhalt auch noch rückwirkend für die Vergangenheit gezahlt werden muss. Solange der Unterhaltspflichtige mangels Inverzugsetzung nicht damit rechnen muss, Unterhaltszahlungen leisten zu müssen, braucht er seine wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht danach auszurichten. Ab dem Zeitpunkt der Inverzugsetzung kann und muss er eventuell Rücklagen bilden.
Rückwirkend Unterhalt für Kind und (Ex-)Partner
Das Gesetz erlaubt ausnahmsweise in Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige richtig in Verzug gesetzt wurde, dass auch für die Vergangenheit und damit rückwirkend Unterhalt zu leisten ist. Die dafür maßgebliche Vorschrift des § 1613 BGB betrifft den Kindesunterhalt. Im Hinblick auf den Trennungs- und Ehegattenunterhalt verweist die Vorschrift des § 1585b BGB auf § 1613 BGB, mit der Konsequenz, dass der getrenntlebende oder geschiedene Ehepartner mit der Inverzugsetzung des unterhaltspflichtigen Partners gleichermaßen Unterhalt für die Vergangenheit einfordern kann.
Wann gibt es rückwirkend Unterhalt für die Vergangenheit?
Nach Maßgabe der §§ 1613, 1585b BGB kann der Unterhaltsberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen für die Vergangenheit Unterhalt fordern. Es bestehen folgende Optionen:
Option 1: Inverzugsetzung durch Auskunft verlangen
Der Unterhaltsberechtigte fordert den Unterhaltspflichtigen auf, Unterhalt zu zahlen und zur Berechnung der Höhe des Unterhalts Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Dabei ist deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die Auskunft benötigt wird, um den Unterhaltsanspruch zu beziffern. Das Auskunftsverlangen muss sich auf denselben Anspruch beziehen, der später gefordert wird (z.B. Kindesunterhalt).
Wichtig ist, dass die Aufforderung dem Unterhaltspflichtigen zugehen muss. Dafür ist der Unterhaltsberechtigte beweispflichtig. Es empfiehlt sich die Auskunftsaufforderung auf jeden Fall schriftlich zu formulieren, gegen Quittung zu übergeben oder noch besser einen Anwalt bzw. eine Anwältin zu beauftragen, der den Unterhaltsanspruch im Namen des Unterhaltsberechtigten geltend macht.
Geht es um Kindesunterhalt, genügt es nicht, wenn das minderjährige Kind Auskunft verlangt oder den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Zahlung auffordert. Das minderjährige Kind wird durch den betreuenden Elternteil als seinem gesetzlichen Vertreter vertreten. Der betreuende Elternteil muss also im Namen des Kindes tätig werden. Das volljährige Kind muss selbst mahnen. Rückwirkender Unterhalt kann ab dem Zeitpunkt des Monats verlangt werden, zu dem der Unterhaltspflichtige zur Auskunft aufgefordert wurde.
Auskunft über Einkommen vom anderen Elternteil einfordern
Sie fordern den Vater Ihres Kindes am 3. April auf, zum Zwecke der Unterhaltszahlung für das Kind Auskunft zu erteilen, was er verdient. Der Vater erteilt die Auskünfte aber erst im Oktober. Rückwirkender Unterhalt kann also ab dem Zeitpunkt des Auskunftsverlangens rückwirkend ab dem 3. April verlangt werden.
Option 2: Inverzugsetzung durch Mahnung
Die Inverzugsetzung ist außerdem möglich, indem Sie den Unterhaltspflichtigen mahnen. Mahnen bedeutet, dass Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Geldbetrag fordern und zur Zahlung eine Frist setzen. Es kommt nicht darauf an, ob Sie den Unterhaltsbedarf korrekt berechnen. Sie sollten jedoch keine Angaben ins Blaue hinein machen und Ihre Forderung einigermaßen realistisch einschätzen.
Zu viel Unterhalt gefordert?
Sie fordern den Vater Ihres Kindes am 3. April auf, Ihrem gemeinsamen, drei Jahre alten Sohn nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle bis 30. April Kindesunterhalt zu zahlen. Sie unterstellen ein Nettoeinkommen des Vaters von 2.101 - 2.500 EUR (Einkommensstufe 2 Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2024). Stellt sich heraus, dass der Vater nur 1.900 EUR verdient und nach der Düsseldorfer Tabelle weniger Unterhalt zahlen muss, ist rückwirkender Unterhalt in der geringeren Höhe fällig.
Wie kann ich rückwirkend Unterhaltszahlungen sichern?
Mit einer Mahnung setzen Sie den Unterhaltspflichtigen in Verzug und sichern Ihre Unterhaltszahlungen.
Option 3: Inverzugsetzung durch Unterhaltsvereinbarung
Treffen Sie mit dem Unterhaltspflichtigen eine Unterhaltsvereinbarung und vereinbaren, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Unterhaltsbetrag zu zahlen ist, bedarf es keiner Mahnung. In dem Versprechen eines bestimmten Unterhaltsbetrages liegt eine Selbstmahnung (OLG Zweibrücken FamRZ 1987, 1301). Sie brauchen dann nicht mehr ausdrücklich zu mahnen. Ihr Unterhaltsanspruch besteht ab dem Zeitpunkt, an dem nach der Unterhaltsvereinbarung Unterhalt hätte gezahlt werden sollen.Wird der Unterhalt nicht bezahlt, bleibt in letzter Konsequenz nur, den Unterhalt gerichtlich geltend zu machen.
Kein Verzicht auf Kindesunterhalt für die Zukunft
Sie können als betreuender und damit gesetzlicher Vertreter Ihres Kindes nicht auf Unterhaltsansprüche des Kindes verzichten, die in der Zukunft liegen (§ 1614 BGB). Eine diesbezügliche Vereinbarung wäre rechtlich unwirksam und nichtig.
Treffen Sie eine Unterhaltsvereinbarung für den Ehegattenunterhalt nach der Scheidung, bedarf die Vereinbarung, die vor der Rechtskraft Ihrer Scheidung getroffen wird, der notariellen Beurkundung (§ 1585c BGB). Ihre Scheidung ist rechtskräftig, wenn der Scheidungsbeschluss des Familiengerichts nicht mehr angefochten werden kann. Vereinbarungen nach der rechtskräftigen Scheidung sind formfrei möglich und brauchen nicht notariell beurkundet zu werden. Es empfiehlt sich jedoch mindestens eine schriftliche Vereinbarung.
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Option 4: Inverzugsetzung durch Unterhaltsklage
Der Unterhaltspflichtige wird auch dadurch in Verzug gesetzt, dass Sie den Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend machen und Klage einreichen. Dann steht Ihnen rückwirkender Unterhalt ab dem Zeitpunkt zu, an dem die Klage dem Unterhaltspflichtigen durch das Familiengericht förmlich zugestellt wird (gelber Briefumschlag). Dann besteht der Unterhaltsanspruch ab dem ersten Tag des Monats der Zustellung der Klage.
Hat sich der Unterhaltspflichtige mit Absicht seiner Zahlungspflicht entzogen?
Geht es um Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, kann rückwirkender Unterhalt für mehr als ein Jahr vor der Zustellung der Unterhaltsklage (Rechtshängigkeit) nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der unterhaltspflichtige Ex-Partner sich der Leistung absichtlich entzogen hat (§ 1585b Abs. III BGB). Dafür sind Sie als Unterhaltsberechtigter beweispflichtig.
Was bedeutet, der Unterhaltsanspruch sei verwirkt?
Werden einzelne, in der Vergangenheit fällig gewordene Unterhaltsansprüche über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht, kann der Unterhaltspflichtige den Einwand der Verwirkung erheben (BGH, FamRZ 2007, 453). Verwirkung bedeutet, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund des Zeitverlaufs nicht mehr damit rechnen musste, dass Unterhaltsansprüche geltend gemacht wurden, obwohl er eigentlich zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre.
Gerade bei Unterhaltsansprüchen spricht das Zeitmoment dafür, dass relativ schnell Verwirkung eintreten kann. Die Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung des Unterhalts nahelegen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch dann schon erfüllt sein kann, sobald die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die ein Jahr oder länger zurückliegen (BGH, FamRZ 2007, 453). Für den Trennungs- und Ehegattenunterhalt ist dieser Zeitraum ausdrücklich gesetzlich bestimmt (§ 1585b Abs. III BGB).
Rückwirkender Unterhalt bei Sonderbedarf
Das Gesetz beschreibt weitere Ausnahmen, in denen rückwirkend Unterhalt gefordert werden kann. So kann nach § 1613 Abs.II BGB für die Vergangenheit Unterhalt verlangt werden:
- Wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf). Nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch jedoch nur noch geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Anspruch gerichtlich eingeklagt wird.
- Für den Zeitraum, in dem der Unterhaltsberechtigte aus rechtlichen Gründen oder aus tatsächlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war und die Gründe seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen sind. Diese Vorschrift erfasst vor allem die Fälle, in denen die unterhaltsrechtliche Wirkung der Vaterschaft auch für den Zeitraum geltend gemacht werden sollen, zu dem die Vaterschaft noch nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt war sowie die Fälle, bei denen der Unterhaltspflichtige sich an einem unbekannten Ort im Ausland aufgehalten hat.
Unterhalt nur teilweise oder später zahlen
Konnte der Unterhaltsberechtigte aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Unterhalt nicht geltend machen, kann der Unterhaltspflichtige zur Vermeidung wirtschaftlicher Schwierigkeiten (unbillige Härte) verlangen, dass die dann fälligen Unterhaltszahlungen nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten sind (§ 1613 Abs. III BGB).
Wie sind Unterhaltsansprüche zu verzinsen?
Unterhaltsrückstände sind während des Verzugs des Unterhaltspflichtigen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank regelmäßig neu festgesetzt. Er kann positiv, aber auch negativ sein.
Zinsen berechnen für Forderung von 1.000 EUR
Der Basiszinssatz beträgt 2022 = minus 0,88 %. Daraus ergibt sich ein Verzugszins von 5% minus 0,88% = ###ERG1###%. Eine Forderung von 1.000 EUR wäre also für den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024 mit ###erg2### EUR zu verzinsen.