Bei Trennung und Scheidung hat der bedürftige Ehepartner für den Zeitraum der Trennung Anspruch auf Trennungsunterhalt und nach der Scheidung Anspruch auf Ehegattenunterhalt. Im Regelfall kann der Unterhaltsberechtigte höchstens die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens beanspruchen. Dann ist die Höchst- bzw. Sättigungsgrenze erreicht. Erzielt der unterhaltspflichtige Ehegatte ein besonders hohes Einkommen, ist davon auszugehen, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung diente. Will der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch an dem über die Sättigungsgrenze hinausgehenden Einkommen teilhaben, muss der Trennungs- oder Ehegattenunterhalt meist konkret ermittelt werden.
Was bedeutet Sättigungsgrenze?
Im Regelfall wird die Höhe des Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz bemessen. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann danach höchstens die Hälfte des Einkommens verlangen, das unterhaltsrechtlich zur Verfügung steht (Quote). Wird der Unterhalt nach dieser Quote berechnet, ist zu vermuten, dass das gesamte Einkommen im Wesentlichen für den Lebensunterhalt verwendet wurde.
Die Berechnung des Unterhalts nach dieser hälftigen Quote erscheint daher nur so lange gerechtfertigt, wie die erzielten Einkünfte sich im unteren oder mittleren Einkommensbereich bewegen. Bei sehr hohem Einkommen ist davon auszugehen, dass Teile des Einkommens der Vermögensbildung dienten. Dann erscheint die Vermutung nicht mehr gerechtfertigt, dass das gesamte Einkommen des Ehepaares während der Ehe für den Lebensunterhalt verwendet worden ist. Wann diese Sättigungsgrenze erreicht ist, ab der der Unterhalt im Wege der konkreten Bedarfsbestimmung zu berechnen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.
Unterhalt nach konkretem Bedarf
Der Unterhaltsberechtigte kann den Unterhalt zunächst auch bei sehr hohem Einkommen nach der Quotenmethode berechnen. Dazu muss er bzw.sie aber konkret darlegen und beweisen, dass das gesamte Einkommen für den Lebensbedarf der Familie verwendet wurde. Will der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltsbedarf nach der Quote beziffern, müsste er oder sie die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darlegen und im Fall des Bestreitens in vollem Umfang beweisen (BGH FamRZ 2018, 260).
Dieser Nachweis dürfte im Einzelfall schwierig werden, da bei sehr hohem Einkommen Teile des Einkommens meist auch der Vermögensbildung oder anderen Zwecken dienten. Dann kann der Unterhaltsberechtigte stattdessen auch seinen konkreten Bedarf geltend machen. Dies empfiehlt sich dann, wenn der Unterhaltsberechtigte darauf abstellt, dass zumindest Teile des hohen Einkommens nicht der Vermögensbildung, sondern auch der Lebenshaltung dienten.
Wie hoch ist die Sättigungsgrenze?
Es gibt keine feste Sättigungsgrenze. Um Rechtssicherheit zu gewähren, stellt die Rechtsprechung auf einen gewissen Rahmen ab. Der Bundesgerichtshof hat daher vorgegeben, dass zur praktikablen Bewältigung von Unterhaltsansprüchen es nicht zu beanstanden ist, wenn die Familiengerichte die Grenze beim Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle setzen. In der Einkommensgruppe 15 der Düsseldorfer Tabelle beträgt der höchste Betrag des Nettoeinkommens 9.701 - 11.200 EUR (Stand 1.1.2023). Wenn man davon das Doppelte annimmt, wäre die Sättigungsgrenze bei 22.000 € erreicht.
GUT ZU WISSEN
Die Sättigungsgrenze hat sich verdoppelt
Die ursprüngliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezog sich noch auf die Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2022. Dort gab es nur zehn Einkommensgruppen. Die höchste Einkommensstufe betrug 5.500 €. Das Doppelte davon ergab eine Sättigungsgrenze von 11.000 €. Ob diese Beurteilung auch im Hinblick darauf noch Bestand haben wird, dass die Sättigungsgrenze nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2023, bei nunmehr rechnerisch 22.000 € liegt, könnte zweifelhaft erscheinen und einer erneuten gerichtlichen Überprüfung bedürfen.
Wie können Ehegatten am hohen Einkommen teilhaben?
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die Quotenberechnung bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen ausgeschlossen (BGH FamRZ 2010, 1637). Nach neuer Rechtsprechung kann der Ehegatte den Unterhalt aber auch dann nach der Quote berechnen, wenn die Sättigungsgrenze überschritten wurde. Dann muss er oder sie aber konkret darlegen und beweisen, dass auch Teile des über der Sättigungsgrenze liegenden Einkommens für den Lebensbedarf verwendet wurden (BGH FamRZ 2018, 260).
GUT ZU WISSEN
Berechnungsweise gilt nur für Trennungs- und nachehelichen Unterhalt
Diese Berechnungsweise gilt für den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt. Sie gilt aber nicht für den Unterhaltsbedarf eines nicht ehelichen Partners, der aus Anlass der Geburt des Kindes Betreuungsunterhalt verlangt (§ 1615l BGB). Grund ist, dass sich dessen Bedarf nach der Lebensstellung vor der Geburt des Kindes und nicht nach einer Quote bemisst. Insoweit ist eine konkrete Bedarfsberechnung bei Unterhaltsansprüchen aus Anlass der Geburt nicht möglich.
Wie erfolgt die Bedarfsermittlung?
Will der unterhaltsberechtigte Ehegatte am besonders hohen Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehepartners teilhaben, muss er oder sie den Bedarf konkret darlegen und beweisen. Dann ist jeder Bedarfsposten einzeln aufzuschlüsseln und konkret festzustellen. Darauf kann ausnahmsweise verzichtet werden, wenn über mehrere Jahre Unterhalt in einer bestimmten Höhe gezahlt und akzeptiert wurde (OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1900).
Ansatzpunkt ist der von den Ehepartnern tatsächlich gepflegte Lebensstil. Dieser Lebensstil ist objektiv zu beurteilen. Es ist auf den Betrag abzustellen, den die Ehepartner für eine anerkennungswürdige Lebensführung sinnvoll ausgegeben haben (BGH FamRZ 1983, 151). Insoweit können nicht allein die subjektiven Erwartungen des Unterhaltsberechtigten der Maßstab sein. Waren die ehelichen Lebensverhältnisse von einem ausschweifenden Luxus geprägt, hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch weiterhin Anspruch darauf im Luxus zu leben, bspw. in besonders teuren Geschäften einzukaufen oder sich im Urlaub in besonders luxuriösen Hotels einzumieten.
Allerdings ist der Unterhalt nicht dazu gedacht, jeglichen Luxus zu ermöglichen. Eine Grenze wird sich dort finden, wo eine sinnvolle Ausgabe von Geld nicht mehr nachzuvollziehen und ein verschwenderisches Gehabe festzustellen ist. Eine Sättigungsgrenze derart, dass ab einem bestimmten Einkommen der Lebensbedarf in jedem Fall gedeckt ist, scheidet von vornherein aus. Das OLG Koblenz hat jedenfalls einen Anspruch auf ein eigenes Jagdschloss (FamRZ 1985, 480) oder die dauerhafte Anmietung eines Motorboots (OLG Köln FamRZ 1992, 322) nicht mehr als angemessen betrachtet.
Als Bedarfsposten kommen in Betracht:
- Wohnbedarf für eine dem Standard der früheren Ehewohnung angemessen große Wohnung (BGH FamRZ 2021, 1965)
- Zeitungen, Bücher
- Fernsehen, Rundfunk
- Versicherungen
- Kfz-Kosten
- Allgemeine Lebenshaltung
- Vorsorgeaufwendungen
- Kulturelle Bedürfnisse (Theater, Oper, Kino, Museum)
- Sport, Freizeitgestaltung
- Friseur, Kosmetik, Fußpflege
- Zugehdame
- Kleidung
- Urlaub
- Haltungskosten für ein Reitpferd
- Aufwendungen wegen gesellschaftlicher Verpflichtungen.
Wer muss was beweisen?
Aus Sicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten
Will der Unterhaltsberechtigte besonderen Bedarf geltend machen, muss er jeden einzelnen Posten seines Bedarfs konkret darlegen und beweisen. Dazu reicht es meist, exemplarisch zu schildern, in welchen Lebensbereichen welche Kosten anfallen. Die Darstellung muss aber so genau sein, dass eine Schätzung ermöglicht wird (OLG Koblenz FamRZ 2018, 913).
Aus Sicht des unterhaltspflichtigen Ehegatten
Dem Unterhaltsberechtigten soll nicht ermöglicht werden, von den Unterhaltsbeträgen selbst Vermögen zu bilden. Auch bei wohlhabenden Verhältnissen gehören der Aufwand für eine Haushaltshilfe oder einen Gärtner nicht zum elementaren Lebensbedarf, so dass die Notwendigkeit solcher Aufwendungen substantiiert darzulegen ist. Es ist Aufgabe des unterhaltspflichtigen Ehegatten vorzutragen, dass bestimmte Bedarfsposten durch den Elementarunterhalt abgedeckt sind und der Unterhaltsberechtigte aus den verlangten Unterhaltszahlungen tatsächlich Vermögen bildet.
Auskunftspflicht über die Einkommensverhältnisse
Um den Unterhalt zu bemessen, ist der unterhaltspflichtige Ehegatte verpflichtet, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Trägt er vor, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“, ist er dem Ehepartner trotzdem zur Auskunft verpflichtet. Grund ist, dass der Auskunftsanspruch auch dazu dient, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte ein Bild über die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Partners machen und das Prozess- und Verfahrensrisiko besser einschätzen kann.
Ein solcher Auskunftsanspruch besteht ausnahmsweise nicht, wenn die begehrte Auskunft die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (BGH FamRZ 2018, 260).
Alles in allem
Die Unterhaltsberechnung bei hohem Einkommen ist für beide Ehegatten eine Herausforderung. So wie einerseits feststeht, dass sich ein luxuriöser Lebensstil während des Zusammenlebens der Eheleute auch nach der Trennung und Scheidung fortsetzen sollte, ist festzustellen, dass der Unterhalt nicht dazu bestimmt ist, dem berechtigten Ehegatten jeglichen Luxus zu ermöglichen. Sind Sie so oder so betroffen, sollten Sie sich frühzeitig unterhaltsrechtlich informieren und möglichst beraten lassen. Mit der anfänglichen Argumentation stellen Sie bereits die Weichen, nach denen sich Ihre Unterhaltspflicht oder Ihr Unterhaltsanspruch beurteilen. Von vornherein überzogene Erwartungen oder unangemessen abwehrende Argumente bergen immer das Risiko, Irrwege und Sackgassen zu beschreiten, aus denen Sie sich nur mit „Verlust“ zurückziehen können.