Ob ein Ehevertrag unwirksam ist und Sie trotz eines Unterhaltsverzichts Unterhalt fordern können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Sie können im Hinblick auf Ihre Eheschließung, während Ihrer Ehe oder im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung jederzeit einen Ehevertrag abschließen. Darin regeln Sie alles, was Sie im Hinblick auf Ihre Ehe oder Ihre Trennung und Scheidung für regelungsbedürftig erachten, auch die Frage des Unterhalts. Dies bedeutet aber nicht, dass ein einmal abgeschlossener Ehevertrag in Stein gemeißelt ist.
Gerade, wenn es darum geht, dass Sie in einem Ehevertrag auf Unterhalt verzichtet haben, kann sich ein Ehevertrag als unwirksam erweisen. Haben Sie wegen Ihrer Trennung oder Scheidung nach der gesetzlichen Regelung nämlich Anspruch auf Unterhalt, würde ein Verzicht auf Unterhalt dazu führen, dass Sie mangels eigenen Einkommens und fehlendem Vermögen wahrscheinlich auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Ihre Trennung und Scheidung würde also zu Lasten des Steuerzahlers gehen. Ihr Ehevertrag wäre ein „Vertrag zu Lasten Dritter“, nämlich der Gesellschaft und der Steuerzahler.
Unterhalt für Betreuung der Kinder
Sie haben ehevertraglich auf Unterhalt bei Trennung und Scheidung verzichtet. In der Ehe betreuen Sie den Haushalt und erziehen Ihr Kind. Ihre berufliche Tätigkeit haben Sie wegen Ihrer Eheschließung aufgegeben. Als Sie geschieden werden, betreuen Sie noch immer Ihr inzwischen zweijähriges Kind. Der Unterhaltsverzicht würde dazu führen, dass Sie mit leeren Händen dastehen und finanziell auf die Unterstützung staatlicher Institutionen angewiesen wären. Ihr Ehepartner, der gutes Geld verdient, fühlt sich nicht mehr für Sie und Ihr gemeinsames Kind verantwortlich.
Zum Ratgeber: Unterhalt wegen Kindesbetreuung Können Sie den Unterhaltsverzicht im Ehevertrag anfechten?
Ein Ehevertrag oder eine bestimmte Regelung in einem Ehevertrag kann aus unterschiedlichen Gründen unwirksam sein. Die Unwirksamkeit könnte sich daraus ergeben, dass Sie den Ehevertrag anfechten. Da Eheverträge aber meist auf anwaltlichen Entwürfen beruhen und notariell beurkundet werden, dürfte die Anfechtung den Ausnahmefall darstellen. In Betracht kommt, dass Sie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklären oder weil Sie durch Drohung zum Abschluss veranlasst wurden.
Vom Partner getäuscht oder bedroht worden
Sie haben auf Unterhalt verzichtet, weil Sie der Aussage Ihres Partners oder Ihrer Partnerin vertraut haben, dass auch eine Scheidung nichts an der ehelichen Solidarität ändert und Sie auch im Fall eines Verzichts nach der Scheidung finanziell abgesichert sein werden. Oder Sie wurden durch Drohung zur Heirat und zum Abschluss eines Ehevertrages gezwungen.
Im Ehevertrag benachteiligt
Die Rechtsprechung hat die Problematik benachteiligender Eheverträge aufgegriffen. Vor allem finanzielle Regelungen in Eheverträgen können zur Folge haben, dass sich ein Partner nach der Ehescheidung in einer wirtschaftlich schlechten Lage befindet. Oft lassen sich Partner auf nachteilige Regelungen nur aufgrund ihrer besonderen persönlichen Situation bei Abschluss des Ehevertrages ein. Der privatrechtlichen Gestaltungsfreiheit bei Abschluss von Eheverträgen sind daher Grenzen gesetzt.
Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hielt sogar einen Totalverzicht auf alle Scheidungsfolgen grundsätzlich für wirksam (BGH, FamRZ 1991, 306). Das Bundesverfassungsgericht korrigierte jedoch die bis ins Jahr 2001 geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Danach muss es Aufgabe der Gerichte sein, durch eine Inhaltskontrolle zu verhindern, dass ein Ehepartner einseitig benachteiligt wird:
- Wer nämlich eine vertragliche Vereinbarung trifft, muss sich in einer vergleichbaren und gleichwertigen Verhandlungssituation wie der Partner befinden.
- Die Ehe ist nämlich nur als eine Beziehung gleichberechtigter Partner geschützt.
- Kann sich ein Ehepartner die Scheidung aufgrund der ehevertraglichen Lastenverteilung finanziell „nicht leisten“, wäre er oder sie erheblich benachteiligt (BVerfGE 103, 89).
Der Bundesgerichtshof entwickelte daraufhin in einer Grundsatzentscheidung und zahlreichen Folgeentscheidungen neue Maßstäbe, an denen der Inhalt ehevertraglicher Abreden zu messen ist. Stichworte sind hier die Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle. Dabei spielen Fragen des Unterhalts eine vorrangige Rolle.
Kindesunterhalt ist nicht verzichtbar
Einfach ist die Rechtslage, wenn Sie als gesetzlicher Vertreter Ihres Kindes auf Kindesunterhalt verzichtet hätten. Der Verzicht würde sich zu Lasten Ihres Kindes auswirken. Da Sie nach der ausdrücklichen Regelung im Gesetz auf Kindesunterhalt für die Zukunft nicht verzichten können, dürfte sich in Ihrem Ehevertrag auch kaum eine diesbezügliche Regelung finden.
Verzicht auf Trennungsunterhalt
Über den Trennungsunterhalt können Sie nur Vereinbarungen treffen, wenn es um Unterhaltsansprüche aus der Vergangenheit geht. Auf diese können Sie verzichten. Ein Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Zukunft ist hingegen nicht möglich.
Trotz dieses Verzichtsverbots geht die Rechtsprechung davon aus, dass vertragliche Vereinbarungen den Trennungsunterhalt ausgestalten und konkretisieren können. So kann beispielsweise ein Streit über die Höhe des Unterhalts durch eine Vereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen beigelegt werden. Die Rechtsprechung akzeptiert Kürzungen für die Zukunft, wenn es sich um eine Abweichung von bis zu 20 % gegenüber dem gesetzlich begründeten Anspruch handelt.
Verzicht auf Unterhalt nach der Scheidung
Geht es um Unterhalt nach der Scheidung (Ehegattenunterhalt) können Sie für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen. Vereinbarungen, die Sie vor der Rechtskraft der Scheidung treffen wollen, bedürfen der notariellen Beurkundung. Vereinbarungen nach der Scheidung sind hingegen formfrei möglich.
Sämtliche Vereinbarungen unterliegen einer richterlichen Inhalts- und Ausübungskontrolle. Die Vereinbarung darf nicht zu einer evident einseitigen, unzumutbaren Lastenverteilung führen, so dass der Verlierer bereits bei der Vereinbarung feststeht. Dabei ist auch eine Unterlegenheit des benachteiligten Partners in der Verhandlungssituation zu berücksichtigen. Kann dieser den Vertrag nicht mitbestimmen, sondern wird dieser einseitig diktiert, ist dies im Rahmen der richterlichen Kontrolle besonders zu berücksichtigen.
Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die Frau schwanger ist oder in denen die Eheschließung vom Abschluss eines Ehevertrages abhängig gemacht wird. Ein Unterhaltsverzicht ist vornehmlich dann unwirksam, wenn sich daraus die Sozialhilfebedürftigkeit des Partners ergibt oder diese zumindest absehbar ist.
Notariell beurkundeter Vertrag ist rechtlich bindend
Haben Sie einen Ehevertrag notariell beurkundet, ist der Vertrag rechtlich verbindlich, es sei denn der Vertrag wird durch ein Familiengericht für unwirksam erklärt. Sie können also nicht einseitig nach eigenem Ermessen davon Abstand nehmen. Ebenso wenig können Sie den Partner oder die Partnerin veranlassen, einer abweichenden Regelung zuzustimmen. Ungeachtet dessen können Sie selbstverständlich jederzeit eine abweichende Regelung verhandeln und, sofern Ihr Partner oder Ihre Partnerin zustimmt, notariell beurkunden. Sie ändern damit den ursprünglich bestehenden Ehevertrag im gegenseitigen Einvernehmen ab. Solange dies nicht passiert, verbleibt es bei der ursprünglichen Regelung.
Wann gilt ein Ehevertrag als sittenwidrig?
Auch Ihre Scheidung entbindet den Ehepartner oder die Ehepartnerin nicht von einer auch nach Trennung und Scheidung fortbestehenden ehelichen Verantwortung. Die mit der Eheschließung verbundene Verantwortung füreinander und die dadurch begründete eheliche Solidarität besteht auch nach der Scheidung noch fort.
Um einen Ehevertrag als sittenwidrig zu beurteilen, ist die Vereinbarung anhand einer Stufenfolge zu beurteilen. Entscheidend ist allgemein, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch die vertragliche Vereinbarung nicht beliebig unterlaufen werden darf. Ein Ehevertrag ist allgemein sittenwidrig, wenn er
- zu einer einseitigen Lastenverteilung führt,
- die durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist und
- es dem belasteten Ehepartner bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe nicht zumutbar ist, diese Regelung akzeptieren zu müssen.
Es kommt auf die Gesamtschau an
Sie dürfen eine ehevertragliche Regelung nicht isoliert betrachten. Eine nachteilige Regelung kann durch eine andere vorteilhafte Regelung ausgeglichen werden. Letztlich kommt es auf das Gesamtbild an, was Sie ehevertraglich vereinbart haben. Eheverträge sind dann sittenwidrig, wenn in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Eheleute gerechtfertigt sind.
Vor allem kommt es darauf an, wie Sie Ihre Ehe bisher geführt haben. So sind ehevertragliche Regelungen in einer Alleinverdienerehe anders zu beurteilen, als wenn Sie beide berufstätig sind. In einer Doppelverdienerehe besteht regelmäßig ein sehr weiter Spielraum zur Gestaltung eines Ehevertrages, während bei einer Alleinverdienerehe die Möglichkeiten vertraglicher Gestaltung am geringsten sind. In einer Alleinverdienerehe ist der haushaltsführende Ehepartner besonders schutzwürdig, da er bzw. sie durch die Tätigkeit im häuslichen Bereich zur ehelichen Lebensgemeinschaft beiträgt und dadurch ehebedingte Nachteile in Hinblick auf die eigene wirtschaftliche Position in Kauf nimmt.
Haben Sie in einem Ehevertrag in an sich zulässiger Weise auf Unterhalt nach der Scheidung (Ehegattenunterhalt) verzichtet, stellt die zum Unterhalt getroffene Vereinbarung sich zwar als nachteilig dar, führt isoliert betrachtet aber noch nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages insgesamt.
(Finanzielles) Ungleichgewicht in der Ehe
In einem Fall des Oberlandesgerichts Oldenburg (NJW-RR 2017, 1221) hatte eine Auszubildende ihren deutlich älteren Chef geheiratet. Das Paar erwartete ein gemeinsames Kind. In einem Ehevertrag wurden der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft sowie der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und der nacheheliche Unterhalt für die Frau auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des jüngsten Kindes beschränkt. Das Gericht beurteilte den Ehevertrag im Rahmen einer Inhalts- und Ausübungskontrolle als sittenwidrig und damit unwirksam. Aus der Summe aller Regelungen ergebe sich eine einseitige Benachteiligung der Frau. In dem unausgewogenen Vertragsinhalt spiegele sich eine auf eine ungleiche Verhandlungsposition basierende Dominanz des Ehemanns und damit eine Störung der Vertragsgleichheit wieder, die die verwerfliche Gesinnung des Mannes begründet. Es sei anzunehmen, dass die Frau den Ehevertrag abgeschlossen habe, damit das Kind innerhalb der Ehe geboren werde. Sie sei dem Mann aufgrund des Altersunterschiedes in Lebenserfahrung und aufgrund der unterschiedlichen Bildung unterlegen gewesen. Hinzu käme, dass sie als Auszubildende als Ihrem Arbeitgeber gegenübergestanden habe.
Was kontrolliert das Gericht beim Ehevertrag?
Beanstanden Sie also eine Regelung in Ihrem Ehevertrag, beispielsweise den Unterhaltsverzicht, nimmt das Familiengericht eine Kontrolle vor. Ausgangspunkt ist, dass Sie grundsätzlich Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinn und den Versorgungsausgleich vertraglich regeln können. Allerdings darf der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung durch vertragliche Vereinbarungen nicht unterlaufen werden. Dabei wird auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages abgestellt.
Das Familiengericht wird also im Streitfall Ihren Ehevertrag daraufhin überprüfen, ob sein Inhalt das Ergebnis einer gleichberechtigten Partnerschaft darstellt oder das Ergebnis einer einseitigen Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Dabei werden alle individuellen Verhältnisse überprüft, insbesondere Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie der geplante oder schon verwirklichte Verlauf der Ehe und der von den Ehepartnern mit der Vereinbarung verfolgte Zweck zum Abschluss des Ehevertrages.
Führt die Inhaltskontrolle dazu, dass der Vertrag sittenwidrige Inhalte hat und damit unwirksam ist, ist der gesamte Vertrag unwirksam. Es gelten sodann die allgemeinen gesetzlichen Regelungen.
Außerdem wird das Familiengericht in einem zweiten Schritt eine sogenannte Ausübungskontrolle vornehmen. Hierbei kommt es darauf an, ob die inhaltliche Ausgestaltung des Ehevertrages zum Zeitpunkt Ihrer Trennung eine offensichtlich einseitige Lastenverteilung zwischen den Ehepartnern darstellt.
Die Ausübungskontrolle führt anders als die Inhaltskontrolle nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung insgesamt, sondern zu einer Neugestaltung der Vereinbarung durch das Familiengericht. Dabei werden die Belange beider Ehepartner angemessen berücksichtigt. So kann unter Umständen trotz eines Unterhaltsverzichts bei der Betreuung von Kindern nicht nur während der Betreuungszeit der volle Unterhalt zu leisten sein, sondern wegen beruflicher Nachteile durch die Eheschließung auch ein Aufstockungsunterhalt in Höhe des angemessenen Bedarfs begründet sein.
Podcast
Familienrecht: Ehevertrag abschließen
Welche Rolle spielt eine Unterhaltsabfindung?
Haben Sie im Ehevertrag eine Unterhaltsabfindung vereinbart, erhalten Sie für Ihren Unterhalt einen einmaligen Betrag bezahlt. Damit ist Unterhaltsfrage eigentlich abschließend geregelt. Trotzdem unterliegt auch diese Vereinbarung der gerichtlichen Kontrolle.
Auch die Unterhaltsabfindung muss auf die Interessenlage beider Ehepartner angemessen Rücksicht nehmen. Die Vereinbarung ist immer im Gesamtzusammenhang mit den Rechten und Pflichten zu beurteilen, die sich insgesamt aus dem Ehevertrag ergeben. So kann auch ein hoher Abfindungsbetrag unangemessen sein, wenn Sie dafür anderweitig auf einen vielleicht noch höheren Zugewinnausgleich oder den Versorgungsausgleich verzichten.