Was ist das vereinfachte Verfahren beim Kindesunterhalt?
Das „vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger“ hat die Existenzsicherung minderjähriger Kinder im Blickfeld. Es geht darum, den Unterhalt für ein Kind anstelle eines langwierigen mehrstufigen Verfahrens durch ein einfaches und schnelles gerichtliches Verfahren festzusetzen. Das Familiengericht beschließt dann per Beschluss über den Unterhalt für Ihr Kind.
Dieser Beschluss ist vollstreckungsfähig, so dass der betreuende Elternteil den Kindesunterhalt beim unterhaltspflichtigen Elternteil zwangsweise beitreiben kann. Dazu kann notfalls der Gerichtsvollzieher beauftragt werden. Der Gerichtsvollzieher kann in der Wohnung des Elternteils vorstellig werden und Sachwerte pfänden. Genauso gut kann auch auf das Gehalt des Elternteils bei dessen Arbeitgeber zugegriffen werden oder das Girokonto gesperrt werden.
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Unterhalt für Kinder
Was ist der Unterschied zwischen dem vereinfachten Verfahren und dem normalen Verfahren?
Der betreuende Elternteil hat die freie Wahl, ob er den Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren oder in einem normalen Verfahren durch das Familiengericht festsetzen lassen will. Geht er den normalen Klageweg, sind viele Einwendungen des Unterhaltsschuldners möglich. Mit einer Einwendung kann sich der unterhaltspflichtige Elternteil gegen seine Unterhaltspflicht rechtlich verteidigen. Das formale Verfahren nimmt oft erhebliche Zeit in Anspruch.
Beim vereinfachten Verfahren hingegen kann sich der unterhaltspflichtige Elternteil nur eingeschränkt zur Wehr setzen. Wenn er sich zur Wehr setzen will, muss er oder sie innerhalb eines Monats die vom Gesetz eingeräumten Einwendungen vortragen. In der Regel ist das vereinfachte Verfahren also wesentlich schneller und vor allem kostengünstiger.
Anwaltliche Beratung hilfreich
Das vereinfachte Unterhaltsverfahren scheint vorwiegend von den Jugend- und Sozialbehörden im Rahmen der Beistandschaft für ein Kind genutzt zu werden. Das Verfahren ist stark formalisiert. Die Vielzahl der notwendigen Angaben kann abschreckend wirken. Daher sollten Sie sich anwaltlich beraten und begleiten lassen. Das vereinfachte Verfahren ist auf jeden Fall eine sinnvolle Option, schnell und kostengünstig den Unterhalt für Ihr Kind festsetzen zu lassen.
Zum Ratgeber: 7 Tipps, um Unterhaltsanwalt zu finden Was sind die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren beim Kindesunterhalt?
Das vereinfachte Verfahren zur Festsetzung des Kindesunterhalts ist weitgehend strukturiert. Es gilt, amtlich vorgegebene Voraussetzungen zu erfüllen. Das Verfahren ist in §§ 249 ff FamFG geregelt. Wer den Antrag stellt, ist der Antragsteller. Der unterhaltspflichtige Elternteil ist der Antragsgegner.
Die Voraussetzungen im Detail:
- Der Antragsteller fordert Unterhalt für das minderjährige Kind oder Unterhalt für ein volljähriges Kind für die zurückliegende Zeit seiner Minderjährigkeit.
- Der Antragsteller betreut das Kind in seinem Haushalt.
- Es wurde noch vor keinem anderen Familiengericht ein gerichtliches Unterhaltsverfahren eingeleitet. Außerdem darf noch kein anderes Gericht über den Unterhaltsanspruch entschieden haben und es darf noch kein vollstreckbarer sonstiger Unterhaltstitel bestehen (z.B. Jugendamtsurkunde).
Es empfiehlt sich dringend, dem unterhaltspflichtigen Ex-Partner außergerichtlich Gelegenheit einzuräumen, sich freiwillig zur Zahlung von Kindesunterhalt zu verpflichten. Ein Weg besteht darin, die Unterhaltspflicht beim Jugendamt in einer Jugendamtsurkunde anzuerkennen. Auch die Anerkennung in einer notariellen Urkunde kommt in Betracht. Wer sofort klagt, dem werden die Kosten des Verfahrens auferlegt, wenn der Unterhaltspflichtige einwendet, zu dem Verfahren keinen Anlass gegeben zu haben und er sich sofort zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Daher gilt: Der Unterhalt, der für das Kind gefordert wird, darf das 1,2-fache des Mindestunterhalts nicht übersteigen.
Wechselmodell
Betreuen Sie zusammen mit Ihrem Ex-Partner das Kind im paritätischen Wechselmodell, ist das Verfahren zur vereinfachten Unterhaltsfestsetzung unzulässig (OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.8. 2017, Az. 9 WF 160/17). In diesem Fall sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Allerdings muss es sich um ein echtes Wechselmodell handeln, bei dem beide Elternteile das Kind zu etwa gleichen Anteilen betreuen. Der bloße Umgangsaufenthalt bei einem Elternteil genügt dafür nicht.
Zum Ratgeber: Unterhalt im Wechselmodell Kann Kindesunterhalt rückwirkend im vereinfachten Unterhaltsverfahren geltend gemacht werden?
Im vereinfachten Unterhaltsverfahren kann auch Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden. Es gelten allerdings die Voraussetzungen des § 1613 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach muss der Unterhaltsgläubiger den Ex-Partner formal in Verzug gesetzt haben. Das bedeutet, dass er oder sie den Partner nachweislich aufgefordert haben muss, über seine Einkünfte Auskunft zu erteilen oder Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind zu zahlen.
Wo wird der Kindesunterhalt im vereinfachten Unterhaltsverfahren beantragt?
Für das vereinfachte Unterhaltsverfahren ist das Familiengericht zuständig, in dessen Bezirk sich Ihr Kind gewöhnlich aufhält. Das Familiengericht ist eine Unterabteilung des Amtsgerichts. Dort wiederum ist ein Rechtspfleger mit der Angelegenheit betraut.
Dafür gibt es das Formular „Antrag auf Festsetzung von Unterhalt“, das beim Jugendamt oder direkt beim Amtsgericht erhältlich ist. Wer sich anwaltlich beraten und vertreten lässt, kann das Formular auch gemeinsam mit dem Anwalt bzw. der Anwältin ausfüllen und bei Gericht einreichen.
Liegt der Antrag beim Familiengericht vor, setzt das Gericht den unterhaltspflichtigen Elternteil schriftlich in Kenntnis und fordert ihn auf, innerhalb eines Monats eventuelle Einwendungen vorzutragen.
Was muss ich zum Kindesunterhalt wissen?
Beide Elternteile sind dem Kind zum Unterhalt verpflichtet - doch was ist nach der Trennung zu beachten?
Welche Einwendungen kann der unterhaltspflichtige Elternteil vortragen?
Ziel des vereinfachten Unterhaltsverfahrens ist es, schnell und kostengünstig einen vollstreckbaren Unterhaltstitel in die Hände bekommen. Aus diesem Grund kann sich der unterhaltspflichtige Elternteil nur sehr eingeschränkt zur Wehr setzen. Liegt der Antrag bei Gericht vor, übersendet das Gericht dem unterhaltspflichtigen Elternteil eine Ausfertigung und weist darauf hin, welche Einwendungen in Betracht kommen und was der Antragsgegner ansonsten noch zu berücksichtigen hat.
Es kommen mithin folgende Einwendungen in Betracht:
- Er kann vortragen, dass das Kind in seinem Haushalt lebe und deshalb keine Barunterhaltspflicht bestehe. Dieser Einwand kommt auch beim paritätischen Wechselmodell in Betracht.
- Ein Vater kann vortragen, dass er nicht der rechtliche Vater des Kindes sei.
- Der Elternteil kann vortragen, dass bereits ein vollstreckbarer Unterhaltstitel bestehe.
- Er kann beanstanden, dass der Rechtspfleger den Unterhalt falsch berechnet habe. Insoweit kommt in Betracht, dass im Antrag das Alter des Kindes unzutreffend angegeben wurde oder der Elternteil im Hinblick auf sein Einkommen in eine falsche Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle eingestuft wurde.
- Er kann vortragen, dass das Kindergeld nicht oder nicht richtig auf den Unterhalt angerechnet wurde.
- Er kann vortragen, dass das Kind nicht bedürftig sei und über eigenes Vermögen verfüge, so dass Kapitalerträge zur Anrechnung kommen.
- Der häufigste Einwand wird aber darin bestehen, dass der unterhaltspflichtige Elternteil sich aufgrund seiner Einkommensverhältnisse finanziell als nicht leistungsfähig darstellt. Will der Elternteil diesen Einwand geltend machen, muss er weitere Voraussetzungen erfüllen.
Wie kann ein Elternteil seine finanzielle Leistungsunfähigkeit geltend machen?
Das Familiengericht erkennt den Einwand eines Elternteils, den Unterhalt ohne die Gefährdung des eigenen Unterhalts nicht oder nicht in der beantragten Höhe erbringen zu können, nur unter folgenden Voraussetzungen an (§ 252 Abs. II FamFG):
- Der Elternteil muss erklären, ob und inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist. Dann muss er sich zugleich zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichten.
- Er muss Auskunft über seine Einkünfte und seine Vermögenswerte erteilen und Belege über die Einkünfte der letzten 12 Monate vorlegen. Als Belege kommen die Lohn- und Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers sowie der Einkommensteuerbescheid in Betracht. Bezieht der Elternteil öffentliche Leistungen, muss er den Bewilligungsbescheid vorlegen. Bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit sind der letzte Einkommensteuerbescheid sowie die Gewinn- und Verlustrechnung oder eine Einnahmen-Überschussrechnung des letzten Wirtschaftsjahres vorzulegen.
Wie trage ich Einwendungen vor?
Einwendungen sind auf einem Datenblatt für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt vorzutragen. Sofern Sie unterhaltspflichtig sind, empfiehlt sich, dass Sie sich anwaltlich beraten lassen. Im Hinblick darauf, dass nur bestimmte Einwendungen zulässig sind und im Detail vorgetragen werden müssen, riskieren Sie ansonsten, dass Sie trotz Ihrer Einwendungen zu vielleicht nicht berechtigten Unterhaltszahlungen verpflichtet werden. Sofern Sie außergerichtlich anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen möchten, haben Sie Anspruch auf Beratungshilfe. Möchten Sie sich im streitigen Verfahren zur Wehr setzen, können Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. Es spricht angesichts der Komplexität des „vereinfachten“ Verfahrens sogar eine Vermutung dafür, dass Sie ohne anwaltliche Hilfe nicht in der Lage sein werden, Ihre Verfahrensrechte sachgemäß und wirksam wahrzunehmen (OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 1923).
Trägt der unterhaltspflichtige Elternteil nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Antrags seine Einwendungen vor, setzt das Gericht den Unterhalt in der beantragten Höhe fest und lässt später vorgetragene Einwendungen unberücksichtigt. Gleiches gilt, wenn der Elternteil fehlende Belege auf Anforderung des Gerichts nicht nachreicht. Soweit der Elternteil Einwendungen vorträgt, wird die antragstellende Person hierüber informiert und kann dazu Stellung beziehen.
Ist das vereinfachte Verfahren dem normalen Verfahren vorzuziehen?
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. Die Bezeichnung als „vereinfachtes“ Verfahren darf jedenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ansprüche auf Kindesunterhalt ordnungsgemäß begründet werden müssen. Es ist immer möglich, dass sich der unterhaltspflichtige Elternteil gegen seine Unterhaltspflicht verteidigt und das vereinfachte Verfahren trotzdem in ein normales Klageverfahren übergeleitet wird. Insoweit sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, welche Option in Ihrer Situation empfehlenswert ist.