Voraussetzungen für den Aufstockungsunterhalt
Hintergrund für den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist die nacheheliche Solidarität. Genau definieren lässt sich diese allerdings nicht. Generell wirkt die eheliche Solidarität umso länger fort, je länger die Dauer der Ehe war. Je weiter jedoch die Scheidung zurückliegt, desto mehr tritt eine Entflechtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein, mit der Folge, dass auch die geschuldete eheliche Solidarität begrenzt ist. Damit beinhaltet die Dauer der Ehe für sich genommen keine endlose Lebensstandardgarantie.
Für den Anspruch müssen neben einer früher bestehenden ehelichen Gemeinschaft die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Keine Ehe von kurzer Dauer
Zunächst kann der Aufstockungsunterhalt nur dann beansprucht werden, wenn es sich um keine Ehe von kurzer Dauer gehandelt hat, also die Ehe mindestens mehr als zwei Jahre bestanden hat. Hintergrund ist, dass bei Ehen von kurzer Dauer ein Verwirkungsgrund vorliegt und damit grundsätzlich kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht. Denn dieser wird wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 Nr. 1 BGB regelmäßig vom Familiengericht versagt.
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Was tun, wenn das Einkommen nicht ganz reicht?
Kein anderer Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
Weiterhin setzt der Anspruch voraus, dass kein vollständiges Erwerbshindernis beim Anspruchsteller wegen Kinderbetreuung, Alter sowie Krankheit und Gebrechen besteht. Denn in diesem Fall sind die Ansprüche auf Betreuungsunterhalt, Altersunterhalt und Krankheitsunterhalt vorrangig.
Angemessene Erwerbstätigkeit des Anspruchstellers
Der den Anspruch stellende geschiedene Ehepartner muss eine Erwerbstätigkeit ausüben, die angemessen ist. Welche Tätigkeit „angemessen“ ist, hängt von Alter, Ausbildung, möglichen früheren Tätigkeiten sowie Gesundheit und Fähigkeiten des Anspruchstellers ab. Hat etwa eine Akademikerin während der langjährigen Ehe fortlaufend als Floristin gearbeitet, obwohl sie mit ihrer Ausbildung ein höheres Arbeitsentgelt in einem entsprechenden Beruf hätte erzielen können, ist die Tätigkeit als Floristin auch weiterhin angemessen.
Unterschiedlich hohe Einkommen
Aufstockungsunterhalt kann lediglich dann verlangt werden, wenn einer der geschiedenen Eheleute wesentlich mehr verdient als der andere. Das typische Beispiel hierzu ist, dass der anspruchsstellende Ex-Ehepartner während der Ehe nur ein verhältnismäßig geringes Einkommen verdient hat, während der frühere Ehepartner hohe Einkünfte erwirtschaften konnte.
Nach wohl überwiegender Auffassung der Juristen setzt das Begehren nach Aufstockungsunterhalt voraus, dass dieser mehr als 10% des bereinigten Nettoeinkommens des Anspruchstellers beträgt. „Bereinigtes“ Nettoeinkommen heißt, dass vom Einkommen des Anspruchstellers die berufsbedingten Aufwendungen (grundsätzlich 5% vom Nettoeinkommen), die berücksichtigungsfähigen Schulden (wie etwa ehebedingte Verbindlichkeiten) und die sonstigen abzugsfähigen Positionen abzuziehen sind. Hat also der Anspruchsteller beispielsweise ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.000 EUR monatlich, muss er mehr als 100 EUR monatlich von seinem früheren Ehepartner als Aufstockungsunterhalt fordern können. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dessen bereinigtem Nettoeinkommen.
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
Schließlich muss der beanspruchte Ex-Ehepartner leistungsfähig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er selber finanzielle Mittel zur Bestreitung seiner eigenen Existenz benötigt. Hierzu ist ihm als Existenzminimum der sogenannte Eigenbedarf (Selbstbehalt) zu belassen, der gegenüber dem geschiedenen Ehepartnern geleistet werden muss. Der Eigenbedarf ist unantastbar, steht also für Unterhaltszwecke nicht zur Verfügung.
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass für den Aufstockungsunterhalt ebenfalls vom bereinigten Nettoeinkommen des beanspruchten Ex-Ehepartnern auszugehen ist. Sind unterhaltsberechtigte minderjährige oder diesen gleichgestellte privilegierte volljährige Kinder (bis 21 Jahre, im Haushalt eines Elternteils lebend und in der allgemeinen Schulausbildung) vorhanden, ist dies von erheblicher Bedeutung. Denn zur Bereinigung des Nettoeinkommens gehört auch der Abzug des Kindesunterhalts, der gegenüber dem Ehepartnernunterhalt vorrangig ist. Das kann zur Folge haben, dass keine oder nicht ausreichende finanzielle Mittel mehr zur Verfügung stehen.
Aufstockungsunterhalt berechnen
Die Berechnung erfolgt anhand der allgemeinen Grundsätze für den Ehegattenunterhalt, also dem Trennungsunterhalt und dem Nachehelichen Unterhalt. Danach stehen dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehepartnern 3/7 der Differenz aus seinem bereinigten Nettoeinkommen und demjenigen des Unterhaltspflichtigen zu. Dem zur Zahlung verpflichteten Ex-Ehepartnern verbleiben 4/7 dieser Differenz, bestehend aus 3/7 zuzüglich 0,1 Erwerbstätigenbonus (sogenannte Differenzmethode).
Aufstockung nach Scheidung
Die Eheleute F und M sind rechtskräftig geschieden. F übt eine angemessene Erwerbstätigkeit aus, mit der sie ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 1.200 EUR erzielt. Demgegenüber hat M während der Ehe ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 2.600 EUR erwirtschaftet. F fordert von M Aufstockungsunterhalt. Folge: Die Differenz aus beiden Einkommen beträgt 1.400 EUR monatlich (2.600 EUR monatliches bereinigtes Nettoeinkommen M – 1.200 EUR monatliches bereinigtes Nettoeinkommen F). Davon steht F ein Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 3/7 gleich 600 EUR zu. M verbleiben monatlich 4/7 gleich 800 EUR. Der Anspruch setzt voraus, dass dieser mehr als 10% des bereinigten Nettoeinkommens des Anspruchstellers beträgt. Das ist hier der Fall. Denn 10% des monatlichen bereinigten Nettoeinkommens von F sind 120 EUR. F erhält aber 600 EUR, also sogar 50% ihres eigenen Einkommens. Würde M noch zusätzlich Einkünfte aus Vermögen in Höhe von monatlich 1.000 EUR verdienen, stünden F davon nicht 3/7, sondern die Hälfte zu. Denn der Erwerbstätigenbonus gilt nur für Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Dagegen sind Vermögenseinkünfte hälftig zu teilen (sogenannter Halbteilungsgrundsatz). Im süddeutschen Raum müssen Sie auf eine andere Art den Aufstockungsunterhalt berechnen. Insbesondere beträgt der Erwerbstätigenbonus dort 1/10.
Kürzung und / oder Befristung von Aufstockungsunterhalt
Der Aufstockungsunterhalt kann wegen Unbilligkeit herabgesetzt und / oder zeitlich befristet werden. Dabei sind vor allem ehebedingte Nachteile von Bedeutung. Gemeint sind damit die Nachteile, die zumindest teilweise ihre Ursache in der Eheschließung und der Rollenverteilung in der Ehe haben. Hat etwa ein Ehepartner wegen der Ehe zugunsten der Haushaltsführung und Kinderbetreuung seine berufliche Karriere aufgegeben, liegt ein solcher Nachteil vor. Wurde dagegen der Entschluss der Berufsaufgabe weit vor der Ehe gefasst, scheidet ein ehebedingter Nachteil aus. Aufstockungsunterhalt kann dann nur Solidarität für einen kurzen Übergangszeitraum beansprucht werden.
Aber auch wenn ehebedingte Nachteile vorliegen, wird der Aufstockungsunterhalt auf Antrag des Unterhaltspflichtigen vom Familiengericht regelmäßig herabgesetzt und / oder auf eine bestimmte Zeit befristet. Die Herabsetzung erfolgt dabei von demjenigen Unterhalt, der für den in der Ehe gewohnten Lebensstandard anfällt, auf den angemessenen Lebensbedarf bzw. den mindestens zu zahlenden Unterhalt. Dagegen lassen sich zur Dauer der zeitlichen Befristung keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Maßgeblich ist wie so häufig der Einzelfall. So wurde etwa bei einer 17-jährigen Ehedauer eine zeitliche Befristung von vier Jahren für den Aufstockungsunterhalt als rechtens erachtet (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 25.02.2009, Az.: 2 UF 200/08).
Sonderfälle beim Aufstockungsunterhalt
Es sind bestimmte Sonderfälle möglich. Das betrifft zum einen den Fall des fiktiven Einkommens, also wenn der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehepartner etwa mutwillig seine angemessene Erwerbstätigkeit aufgibt. Zum anderen gelten bei teilweisen Erwerbshindernissen des Unterhaltsberechtigten besondere Regeln.
Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt besteht nicht nur, wenn der Unterhaltsberechtigte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, sondern auch wenn er diese ausüben kann (BGH, Urteil vom 18.01.2012, Az.: XII ZR 178/09). Gibt nun der geschiedene Ehepartner seine angemessene Erwerbstätigkeit aus von ihm verschuldeten Gründen absichtlich auf, muss er sich so behandeln lassen, als würde er die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit auch weiterhin erzielen. Folge daraus ist, dass der Unterhaltsberechtigte wegen Verlust des Arbeitsplatzes keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB hat, sondern nur einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, und zwar der Aufstockung seines fiktiv unterstellten Einkommens aus der mutwillig aufgegebenen Erwerbstätigkeit.
Das fiktive Einkommen spielt ohnehin speziell beim Arbeitslosenunterhalt eine große Rolle. Um diesen Unterhalt zu erhalten, muss der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehepartner darlegen und beweisen, dass er trotz intensiver Bemühungen keinen angemessenen Arbeitsplatz finden kann. Gelingt ihm dieser Nachweis, besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenunterhalt. Gelingt ihm dieser Nachweis aber nicht, muss sich der Unterhaltsberechtigte so behandeln lassen, als hätte er eine angemessene Erwerbstätigkeit gefunden. Folge daraus ist, dass er lediglich Aufstockungsunterhalt erhält. Dabei erstreckt sich der Unterhaltsanspruch auf die Aufstockung desjenigen Einkommens, das er bei Erhalt einer angemessenen Erwerbstätigkeit verdienen würde.
Teilweises Erwerbshindernis
Besteht ein vollständiges Erwerbshindernis (etwa Betreuung eines bis zu drei Lebensjahren alten Kindes, Alter, Krankheit oder Gebrechen), scheidet ein Anspruch aus, da die anderen Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt vorrangig sind.
Anders ist es aber, wenn nur ein teilweises Erwerbshindernis besteht. Hier kann zu einem sonstigen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ein zusätzlicher Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht kommen. Das ist etwa der Fall, wenn wegen der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes eine teilweise Erwerbsobliegenheit besteht.