Wohnvorteil für Wohnhaus oder Eigentumswohnung
Ausgangspunkt ist, dass die Ehepartner in einer in ihrem Eigentum stehenden Immobilie (Wohnhaus, Eigentumswohnung) wohnen und sich trennen. Meist zieht ein Partner aus der bislang gemeinsam genutzten Ehewohnung aus. Der verbleibende Ehepartner nutzt die Wohnung dann alleine und profitiert oft davon, dass er selbst keine Miete zahlt. Verlangt nun der unterhaltsberechtigte Ehepartner Unterhalt oder wird der unterhaltspflichtige Ehepartner auf Unterhalt in Anspruch genommen, bemisst sich die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehepartners oder die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehepartners nicht nur nach ihren Erwerbseinkünften.
Vielmehr sind auch sonstige wirtschaftliche Nutzungen einzubeziehen, die die jeweilige Partei aus ihrem Vermögen zieht. Dazu gehören auch die Gebrauchsvorteile einer im Eigentum stehenden Immobilie. Bewohnt die Partei die Immobilie selbst, braucht sie keine Miete für eine Mietwohnung zu bezahlen und hat durch ein solchermaßen mietfreies Wohnen einen Wohnvorteil. Der andere Partner, der aus der Wohnung ausgezogen ist, hat diesen Wohnvorteil gerade nicht, soweit er darauf angewiesen ist, sich eine Mietwohnung zu nehmen.
Video
Wer bleibt in der Ehewohnung?
Der Wohnvorteil ist ein fiktives Einkommen
Wohnt eine Partei mietfrei in der eigenen Wohnung, wird der dadurch entstehende Wohnvorteil als fiktives Einkommen behandelt (BGH FamRZ 1988, 87). „Fiktiv“ bedeutet, dass dem Ehepartner ein Einkommen angerechnet wird, das er erzielen könnte, wenn er die Wohnung vermieten würde. Dieser Mietwert wird gedanklich als zusätzliches Einkommen erfasst. Der Wohnvorteil zählt unabhängig davon, ob ein Ehepartner alleiniger Eigentümer der Immobilie oder nur Miteigentümer ist.
Wohnvorteil von 500 EUR
Frau Fröhlich bezieht als Sekretärin monatlich 1000 EUR netto. Sie wohnt nach dem Auszug ihres Ehepartners allein in der Wohnung. Der Wohnwert der Wohnung beträgt 500 EUR und wird ihrem Nettoeinkommen hinzugerechnet. Damit verfügt Frau Fröhlich über ein Nettoeinkommen von 1500 EUR. Dieses Nettoeinkommen ist maßgebend, wenn sie von ihrem Ehepartner Ehegattenunterhalt verlangt. Der Wohnvorteil reduziert insoweit ihre Unterhaltsbedürftigkeit. Gleiches gilt, wenn der Ehepartner in der eigenen Wohnung wohnt. Dann wird der sich daraus ergebende Wohnvorteil seinem Nettoeinkommen hinzugerechnet und erhöht damit seine Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Unterhalt.
Wohnvorteil zählt indirekt auch beim Kindesunterhalt
Geht es um Kindesunterhalt, spielt der Wohnvorteil nur indirekt eine Rolle. Grund ist, dass die Unterhaltsbeträge der Düsseldorfer Tabelle bereits berücksichtigen, dass Kinder keine Miete zu zahlen brauchen und im Haushalt des betreuenden Elternteils leben. Allerdings soll dieser Umstand den Wohnvorteil erhöhen. Da im Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle ein Anteil von 20 % für Wohnkosten enthalten ist, fallen keine Wohnkosten an, wenn die Kinder im Haushalt des betreuenden Elternteils leben. Wenn dann keine Wohnkosten anfallen, erhöht dieser Umstand den Wohnvorteil für den in der Wohnung wohnenden betreuenden Elternteil (so OLG München, Urteil v. 23.10.1997, 12 UF 1218/97). Beträgt der objektive Mietwert der Immobilie dann 500 EUR, wäre er um 20 % auf 600 EUR zu erhöhen. Der dadurch bedingte Wohnvorteil sei bereits im Trennungsjahr zu berücksichtigen.
Wohnvorteil bei eheähnlicher Gemeinschaft
Der Unterhalt fordernde Ehepartner muss sich mietfreies Wohnen in der Wohnung des neuen Lebensgefährten als Wohnvorteil dann als fiktives Einkommen anrechnen lassen, wenn er mit dem neuen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt und mit ihm einen gemeinsamen Haushalt führt (BGH FamRZ 1995, 343).
Wie wird der Wohnvorteil bemessen?
Die Höhe des Wohnwerts bemisst sich danach, ob die Ehepartner noch in der Zeit der Trennung leben oder bereits geschieden sind. Ausgangspunkt ist, dass sich ein Ehepartner die ersparte Miete als fiktives Einkommen anrechnen lassen muss. Es geht also darum, die ersparte Miete zu beziffern.
Wohnvorteil in der Trennungszeit
Ansatzpunkt ist die objektive Miete, also die Miete, die der die Immobilie bewohnende Ehepartner bekommen könnte, wenn er die Immobilie vermieten würde. Für die Zeit der Trennung wird es aber für gerechtfertigt gehalten, die objektiv erzielbare Miete herabzusetzen. Grund ist, dass der in der Immobilie verbleibende Ehepartner meist mehr Wohnfläche zur Verfügung hat, als er eigentlich für sich benötigt. Würde er nämlich von vornherein allein leben, hätte er eine Wohnung mit geringerer Wohnfläche angemietet und bräuchte dafür nur eine entsprechend geringere Miete zu zahlen. Solange die Ehepartner noch nicht geschieden sind, ist ein Ehepartner auch nicht verpflichtet, aus der bislang gemeinsam genutzten Ehewohnung auszuziehen. In diesem Fall braucht sich der Ehepartner also als fiktives Einkommen nur den Betrag als Wohnvorteil anrechnen zu lassen, den er für eine eigene Wohnung ausgeben würde.
Wohnvorteil reduzieren (Nebenkosten, Zinsen)
Der Mietwert des Familienwohnhauses der Eheleute Fröhlich beträgt 1500 EUR. Würde Frau Fröhlich alleine wohnen, würde sie allenfalls eine Wohnung mit 700 EUR anmieten. Deshalb sind ihr als Wohnvorteil auch nur 700 EUR anzurechnen. Haben die Ehepartner die Immobilie finanziert und zahlt der verbleibende Ehepartner Kreditraten, kann er die Kreditraten in voller Höhe für Zins und Tilgung abziehen, selbst wenn sich dadurch ein negativer Wohnvorteil ergibt (BGH FamRZ 2007, 880). Bei einer Eigentumswohnung sind die verbrauchsunabhängigen Kosten (Verwaltergebühr, Sonderumlage), nicht aber die verbrauchsabhängigen Kosten abzuziehen.
Zum Ratgeber: Vorrang von Unterhalt oder Schulden? Wohnvorteil nach der Scheidung
Nach der Scheidung wird der Wohnvorteil so hoch angesetzt, wie es der objektiven Miete entspricht. Der Wohnvorteil entspricht also der Miete, die der Ehepartner für die Immobilie erzielen könnte, wenn er die Immobilie nicht selbst bewohnen, sondern vermieten würde. Ab dem Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags kann er aber nur noch die Zinsen abziehen, nicht aber den Tilgungsanteil, da dieser seiner Vermögensbildung dient (BGH FamRZ 2007, 880). Allenfalls dann, wenn die Immobilie als Altersvorsorge betrachtet wird, dürfen die Tilgungsraten bis zu 4 % des Bruttoeinkommens berücksichtigt werden.
Wohnvorteil beim anstehenden Verkauf der Immobilie
Leben die Ehepartner in Scheidung, muss die bislang gemeinsam genutzte Immobilie oft verkauft werden. Bewohnt der unterhaltspflichtige Ehepartner die eigene Immobilie und möchte diese verkaufen, soll nicht der objektive Mietwert, sondern nur ein geringerer Wohnwert anzusetzen sein. Wäre der Ehepartner in diesem Fall gezwungen, das Haus zu vermieten, nur um Mieteinnahmen in Höhe der objektiven Miete zu erzielen, würde ein Verkauf erheblich erschwert. Einfamilienhäuser werden regelmäßig zur Eigennutzung erworben. Ist ein solches Haus vermietet, müsste ein Erwerber damit rechnen, dass der verbleibende Mieter den Auszug verweigert und verzögert. Insoweit erscheint eine Vermietung als nicht zumutbar, so dass der objektive Mietwert nicht zur Anrechnung kommen kann (BGH Beschluss v. 19.3.2014, XII ZB 367/12).