Wie hoch ist Ihrer beider Bruttoeinkommen?
Um zu beurteilen, ob Sie nach Maßgabe des Unterhaltsrechts bedürftig und Ihr Ex-Ehepartner leistungsfähig ist, müssen Sie Ihre eigenen Einkommensverhältnisse offenlegen und vortragen, welches Einkommen Ihr Ex-Ehepartner erwirtschaftet. Ausgangspunkt ist Ihr jeweiliges Bruttoeinkommen. Nur dann, wenn Ihr Ehepartner mehr verdient als Sie selbst, kommt nachehelicher Unterhalt in Betracht. Ihr Ehepartner muss dann einen Teil seines Einkommens an Sie als Unterhalt zahlen. Wie hoch diese Unterhaltszahlung ausfällt, ist gesetzlich nicht definiert. Die Gerichte gehen in der Regel vom Halbteilungsgrundsatz an und teilen das gemeinsame Einkommen einfach auf.
Ist einer von Ihnen angestellt, zählt Ihr durchschnittliches Bruttoeinkommen der letzten zwölf Monate, bei Selbstständigen der Durchschnitt der letzten drei Jahre. Erfasst werden aber auch:
- Sachleistungen des Arbeitgebers (Firmenwagen, Dienstwagen, verbilligtes Kantinenessen)
- Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld)
- Steuerrückzahlungen vom Finanzamt
- Abfindungen
- Kapitalzinsen
- Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
- Renten
- Arbeitslosengeld
- Wohnwert der eigenen Immobilie
Berücksichtigt wird nur das „prägende“ Einkommen, das also dauerhaft und unter Berücksichtigung normaler Verhältnisse erzielt wird. Freiwillige Leistungen Dritter (etwa der Eltern) bleiben unbeachtlich. Einkünfte aus überobligatorischer Arbeit (z.B. Überstunden, Zweitjob) werden allenfalls zur Hälfte angerechnet. Nachtzuschläge werden in voller Höhe berücksichtigt, wenn sie für die Arbeit typisch sind. Umgekehrt muss sich der unterhaltspflichtige Exgatte ein fiktives Einkommen anrechnen lassen, wenn er beispielsweise einen gut dotierten Job freiwillig aufgibt, um seine Unterhaltspflichten allein aus diesem Grund reduzieren zu können. Bei Verdiensten über der höchsten Einkommensstufe von derzeit 9.701 - 11.200 EUR müssen Sie nachweisen, dass der darüberhinausgehende Betrag auch während Ihrer Ehe für Unterhaltszwecke ausgegeben wurde. Ansonsten bleibt der darüberhinausgehende Betrag für die Unterhaltsberechnung unberücksichtigt (BGH FamRZ 2007, 1532).
Es besteht übrigens auch Auskunftspflicht (§ 1580 BGB). Um Ihren Unterhaltsanspruch nach Maßgabe des Einkommens Ihres Ex-Partners überhaupt berechnen zu können, können Sie Ihren Ex zuvor oder in Verbindung mit Ihrer Unterhaltsklage auf Auskunft verklagen. Er/sie muss Ihnen dann Auskunft über seine/ihre Einkünfte und sein/ihr Vermögen geben. Soweit der Exgatte die Auskunft verweigert oder glaubt, die Auskunftsklage taktisch verzögern zu können, kann das Gericht bei Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern, Versicherungsunternehmen und Finanzämter entsprechende Auskünfte einholen und danach die Unterhaltsberechnung selbst vornehmen (§ 235 FamFG).
Wie wird das bereinigte Nettoeinkommen errechnet?
Das Bruttoeinkommen beider Ehepartner wird um die regelmäßig anfallenden Verpflichtungen reduziert. Daraus ergibt sich das bereinigte Nettoeinkommen. Nur das bereinigte Nettoeinkommen ist maßgebend für die Unterhaltsberechnung. Als Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen:
- Lohnsteuern
- Sozialversicherungsbeiträge
- Fahrtkosten zum Arbeitsplatz
- Berufsbedingte Aufwendungen (pauschal 5 % des Nettoeinkommens, maximal 150 EUR; höhere Aufwendungen nur bei Einzelnachweis)
- Fortbildungskosten
- Angemessene Altersvorsorgeleistungen für die private Altersvorsorge (5 % des Bruttolohns)
- Darlehensverbindlichkeiten, soweit sie den ehelichen Lebensstandard geprägt haben und vom Exgatten übernommen wurden
- Abschreibungen bei Selbstständigen und Freiberuflern
- Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind
Ist Ihr unterhaltspflichtiger Ex-Gatte nicht sozialversicherungspflichtig (z.B. als Selbstständiger oder Freiberufler) darf er einen Anteil von 20 % seines Bruttoeinkommens für seine private Altersversorgung ziehen.
Was sind 3/7 Regelung und Halbteilungsgrundsatz?
Viele Gerichte wanden zur Unterhaltsberechnung bis 2022 die 3/7-Regelung an, teils aber auch den Halbteilungsgrundsatz. Insoweit kommt es darauf an, welche Linie in dem Oberlandesgerichtsbezirk vorgegeben ist, in dem Sie Ihren Unterhaltsprozess führen. Soweit es um die Aufteilung von Einkünften geht, die nicht auf der Erwerbstätigkeit eines Ehepartners beruhen, gilt aber der Halbteilungsgrundsatz. So werden Kapitaleinkünfte oder Mieteinnahmen aufgeteilt.
Nach der 3/7-Regelung muss der besserverdienende Ehepartner 3/7 des Unterschiedsbetrages des gemeinsamen Einkommens an den anderen zahlen. Vorher kann jeder Ehepartner, soweit er berufstätig ist, 0,1 als Erwerbstätigenbonus abziehen. Nach dem Halbteilungsgrundsatz hat der Unterhaltsempfänger dann Anspruch auf 45% der Differenz beider Einkommen.
Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen
Um die eigene Existenz des Unterhaltspflichtigen zu gewährleisten, steht ihm ein Selbstbehalt zu. Dieser beträgt derzeit 1.600 EUR. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner Unterhaltspflichten öffentliche Sozialleistungen in Anspruch nehmen muss.
Beispielrechnung für den Geschiedenenunterhalt
Frau und Herr Fröhlich sind rechtskräftig geschieden.
- Frau Fröhlich verdient 1.500 EUR netto pro Monat.
- Herr Fröhlich verdient 2.500 EUR netto pro Monat.
- Frau und Herr Fröhlich haben jeweils einen monatlichen Wohnvorteil in Höhe von 300 EUR.
- Frau und Herr Fröhlich haben keine Schulden.
- Für die Berechnung wird zunächst das monatlich verfügbare Einkommen berechnet. Dazu werden zunächst 5% für berufsbedingte Aufwendungen abgezogen.
Einkommen Frau Fröhlich mit 5% berufsbedingten Aufwendungen
Einkommen | = | 1.500 EUR |
Faktor | * | 0,95 |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |
Einkommen Herr Fröhlich mit 5% berufsbedingten Aufwendungen
Einkommen | = | 2.500 EUR |
Faktor | * | 0,95 |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |
Nun wird der Wohnvorteil addiert.
Einkommen Frau Fröhlich
Einkommen | = | 1.425 EUR |
Wohnvorteil | + | 300 EUR |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |
Einkommen Herr Fröhlich
Einkommen | = | 2.375 EUR |
Wohnvorteil | + | 300 EUR |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |
Nun wird die Differenz ermittelt:
Differenz
Einkommen Herr Fröhlich | = | 2.375 EUR |
Einkommen Frau Fröhlich | - | 1.725 EUR |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |
Herr Fröhlich muss an Frau Fröhlich 45% der Differenz zahlen.
Höhe nachehelicher Unterhalt
Differenz | = | 950 EUR |
Faktor | * | 0,45 |
Ergebnis | = | ###ERG### EUR |