Grundsatz der Eigenverantwortung
Durch den Grundsatz der Eigenverantwortung obliegt es jedem Ehepartner nach einer Scheidung, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Lediglich dann, wenn ein Ehepartner dazu außerstande ist, sollte er nach den gesetzlich festgelegten Unterhaltstatbeständen zum Ausgleich der ehebedingten Nachteile nachehelichen Unterhalt verlangen können. Aber auch dieser nacheheliche Unterhalt wurde dadurch beschränkt, dass er herabgesetzt und / oder zeitlich begrenzt werden kann.
Damit setzt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt voraus, dass
- entweder einer der sieben Unterhaltstatbestände (besondere Umstände) oder eine Ehe von langer Dauer vorliegt
- und der frühere Ehepartner besser verdient und leistungsfähig ist.
Voraussetzungen für den nachehelichen Unterhalt
Der bei den Unterhaltstatbeständen geforderte Ausgleich der ehebedingten Nachteile beinhaltet, dass diese zumindest teilweise ihre Ursache in der Eheschließung und der Rollenverteilung in der Ehe haben. Hat also etwa ein Ehepartner wegen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung seine Ausbildung abgebrochen, ist dies ein ehebedingter Nachteil. Wurde aber die Ausbildung bereits einige Jahre vor der Ehe abgebrochen und hatte der spätere Ehepartner auch nach längerer Arbeitslosigkeit keine Lust, sich eine andere berufliche Qualifikation anzueignen, stellen sowohl der Abbruch der Ausbildung als auch eine Arbeitslosigkeit nach der Ehe regelmäßig keine ehebedingten Nachteile dar. Nachehelicher Unterhalt kann daher – aus dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität – grundsätzlich nur als Überbrückung für einen kurzen Zeitraum gefordert werden.
Im Einzelnen bestehen folgende Unterhaltstatbestände:
Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes
Übernimmt der geschiedene Ehepartner die Betreuung des gemeinsamen Kindes, hat er gegen den anderen Geschiedenen einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dieser besteht für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes. Bei der Betreuung von mehreren Kindern ist das Alter des jüngsten Kindes maßgeblich. Eine Erwerbstätigkeit muss der Unterhaltsberechtigte also erst wieder aufnehmen, wenn das Kind bzw. das jüngste Kind drei Jahre alt ist.
Die Dauer des Unterhaltsanspruchs kann jedoch vom Familiengericht auf Antrag aus Billigkeitsgründen verlängert werden. Diese Gründe sind vom antragstellenden betreuenden Elternteil darzulegen und unter Beweis zu stellen. Dazu gehören einerseits kindesbezogene Gründe wie etwa fehlende anderweitige und zumutbare Betreuungsmöglichkeiten oder ein erhöhter Betreuungsbedarf. Zum anderen sind elternbezogene Gründe denkbar wie etwa die Betreuung von mehreren Kindern. Diese Erwägungen spielen ebenfalls für die Frage eine Rolle, ob dem betreuenden Elternteil statt einer Vollzeitbeschäftigung nur eine Teilzeitbeschäftigung oder ein Mini-Job zugemutet werden kann.
Kann von einem geschiedenen Ehepartner keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden, hat er Anspruch auf Altersunterhalt. Mangels fester Altersgrenzen ist für die Erwartung einer Erwerbstätigkeit darauf abzustellen, welche Ausbildung der Ehepartner hat, welche früheren Erwerbstätigkeiten ausgeübt und wie lange diese unterbrochen wurden, wie die Aussichten für eine Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt sind sowie wie sich die persönlichen Verhältnisse wie Gesundheitszustand und Ehedauer verhalten.
Zwar ist der geschiedene Ehepartner zu Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung verpflichtet, wenn er in seinem erlernten Beruf keine Arbeit mehr erhält. Ob sich allerdings ab vielleicht 55 Jahren noch eine Arbeitsstelle finden lässt, ist schwierig zu beurteilen. Ab Beginn des Rentenalters ist jedenfalls keine Erwerbstätigkeit mehr zu erwarten.
Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
Auch für den Anspruch auf Krankheitsunterhalt wird vorausgesetzt, dass vom geschiedenen Ehepartner keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden kann. Die Krankheit, das Gebrechen oder die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten müssen aber bereits im Zeitpunkt der Scheidung vorhanden gewesen sein.
Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit
Der Anspruch auf Arbeitslosenunterhalt besteht, bis der geschiedene Ehepartner eine eigene angemessene Erwerbstätigkeit gefunden hat. Die Angemessenheit richtet sich nach Alter, Ausbildung, einer etwaigen früheren Tätigkeit sowie Gesundheitszustand und persönlichen Fähigkeiten des Berechtigten.
Um den Unterhaltsanspruch aufrecht zu erhalten, muss sich der geschiedene Ehepartner aber intensiv um eine Arbeitsstelle bemühen, was ca. 20 bis 30 monatliche Bewerbungen beinhaltet. Dazu gehört auch die Verpflichtung, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, § 1574 Abs. 3 BGB.
Übt der geschiedene Ehepartner zwar eine angemessene Erwerbstätigkeit aus, reichen aber die daraus erzielten Einkünfte nicht für seinen vollen Unterhalt aus, kommt ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht. Der Aufstockungsunterhalt besteht aus der Differenz des selber erzielten Einkommens und dem vollen Unterhalt, also dem während der Ehe vorhandenen Einkommen, § 1578 BGB. Dadurch soll der gewohnte eheliche Lebensstandard gesichert werden.
Erforderlich für den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist, dass dieser mehr als 10% des bereinigten Nettoeinkommens des bedürftigen Ehegatten ausmacht. Bereinigtes Nettoeinkommen bedeutet, dass das Nettoeinkommen um die berufsbedingten Aufwendungen, ehebedingten Schulden und sonstigen abzugsfähigen Positionen zu kürzen (zu „bereinigen“) ist.
Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung
An Ausbildungsunterhalt nach der Ehe ist zu denken, wenn der geschiedene Ehepartner seine Berufsausbildung vor oder während der Ehe abgebrochen oder wegen der Ehe nicht aufgenommen hat. Ausbildungsunterhalt kommt ebenfalls in Betracht, wenn eine Fortbildung oder Umschulung die ehebedingten Nachteile ausgleichen soll.
Um Ausbildungsunterhalt beanspruchen zu können, muss der geschiedene Ehepartner die Bildungsmaßnahme möglichst zügig nach der Scheidung beginnen.
Unterhalt aus Billigkeitsgründen
Ist keiner der sonstigen Tatbestände für einen Anspruch auf Geschiedenenunterhalt gegeben und wäre die Versagung eines Unterhaltsanspruchs grob unbillig, kommt Billigkeitsunterhalt in Betracht. Das ist etwa der Fall, wenn der bedürftige Ehegatte besondere Leistungen oder finanzielle Opfer zugunsten des Ehepartners erbracht hat, also etwa die mehrjährige unentgeltliche Tätigkeit in dessen Unternehmen oder die erhebliche finanzielle Unterstützung bei dessen Unternehmensgründung.
Ehen von langer Dauer, die auch ohne einen Unterhaltstatbestand zu einem Anspruch auf Geschiedenenunterhalt führen können, liegen ab einer Dauer von 15 – 20 Jahren vor.
Wenn mehrere Voraussetzungen vorliegen
Die Unterhaltstatbestände können sich auch aneinanderreihen, etwa Arbeitslosenunterhalt und nachfolgend Altersunterhalt. In solchen Fällen ist aber jeder einzelne Unterhaltstatbestand genau zu prüfen.
Einer der Geschiedenen muss besser verdienen und leistungsfähig sein
Der Geschiedenenunterhalt setzt zunächst voraus, dass einer der geschiedenen Ehepartner besser verdient als der andere. Trifft das zu, werden die Nettoeinkommen beider Ehepartner miteinander verglichen. Der geringer oder gar nicht verdienende Geschiedene kann dann 3/7 aus der Differenz der beiden Einkommen als Geschiedenenunterhalt verlangen. Die anderen 4/7 (bestehend aus 3/7 zuzüglich 0,1 Erwerbstätigenbonus) verbleiben dem Unterhaltsverpflichteten.
Um den nachehelichen Unterhalt zahlen zu können, muss der Verpflichtete leistungsfähig sein. Das bedeutet, er muss unter Berücksichtigung seines eigenen Existenzminimums (sogenannter Eigenbedarf oder Selbstbehalt) in Höhe von 1.600 EUR monatlich sowie etwaigen vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen und diesen gleichgestellten privilegierten volljährigen Kinder (bis 21 Jahre, im Haushalt eines Elternteils lebend und in der allgemeinen Schulausbildung) genug Einkommen haben, um den Geschiedenenunterhalt zahlen zu können.
Im Übrigen darf beim Unterhalt nur das Einkommen zugrundegelegt werden, was tatsächlich zur Verfügung stand und damit die ehelichen Verhältnisse geprägt hat. Wurden Einkommensbestandteile anderweitig verwendet, etwa zur Vermögensbildung, waren sie insoweit nicht prägend.
Was kann ich tun, um den nachehelichen Unterhalt zu sichern?
Fordern Sie den Geschiedenenunterhalt vorher schriftlich ein.
Wann endet der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt?
Es gibt im Unterhaltsrecht keinen Stichtag und keinen exakten Termin für das Ende des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt. Daher lässt sich lediglich allgemein sagen, dass der Anspruch dann endet, wenn die nacheheliche Solidarität wegfällt. Dazu existieren aber zahlreiche Sachverhalte, bei deren Eintritt das Ende des nachehelichen Unterhaltsanspruchs absehbar ist oder dieser endet. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Konstellationen:
- Herabsetzung und / oder zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB durch das Familiengericht, sofern es sich nicht um eine Ehe von langer Dauer handelt. Gerade der Arbeitslosenunterhalt und der Aufstockungsunterhalt werden zeitlich befristet,
- Änderung in den Einkommensverhältnissen, so dass die Unterhaltszahlungen aufgrund einer Abänderungsklage vom Familiengericht neu angepasst werden müssen oder sogar entfallen,
- Wegfall der Voraussetzungen des Unterhaltstatbestandes, etwa beim Betreuungsunterhalt,
- Wiederheirat des Unterhaltsberechtigen, wobei aber der Anspruch auf Betreuungsunterhalt wieder aufleben kann, wenn die neue Ehe geschieden wird und der Unterhaltsberechtigte aus der ersten Ehe ein Kind betreut,
- Vertraglicher Verzicht durch notariellen Ehevertrag oder einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, § 1585c BGB, wobei Unterhaltsansprüche aber nicht zu Lasten der Sozialhilfe ausgeschlossen werden können,
- Kapitalabfindung gegen Verzicht auf den Unterhaltsanspruch, wobei auch hier der Verzicht nicht zu Lasten der Sozialhilfe ausgeschlossen werden darf,
- Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, so dass dieser herabgesetzt, zeitlich begrenzt oder versagt wird, § 1579 BGB, etwa bei einer Ehe von kurzer Dauer (bis zwei Jahre), Straftaten gegen den Unterhaltsverpflichteten oder das Eingehen einer neuen, verfestigten Lebensgemeinschaft oder
- Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch Zeitablauf, also wenn dieser länger als ein Jahr nicht geltend gemacht wird, was auch für einen Anspruch aus einem Unterhaltstitel wie einem Urteil bzw. Beschluss gilt (Oberlandesgericht (OLG Hamm), Beschluss vom 17.03.2014, Az.: 6 UF 196/13).
Was gehört alles zum Geschiedenenunterhalt?
Ist der Unterhaltsverpflichtete ausreichend leistungsfähig, kommen folgende Ansprüche in Betracht, die gesondert geltend zu machen sind:
- Elementarunterhalt,
- Kosten einer Kranken- und Pflegeversicherung, § 1578 Abs. 2 BGB, soweit der geschiedene Ehegatte privat versichert war oder über den anderen Geschiedenen in der Familienversicherung der gesetzlichen Krankenkasse mitversichert war, wobei der Schutz in der Familienversicherung einen Monat nach Rechtskraft der Scheidung wegfällt und der geschiedene Ehegatte sich in der gesetzlichen Krankenkasse innerhalb von drei Monaten freiwillig gegen Beitragspflicht versichern kann,
- die Kosten einer Schul- und Berufsausbildung, Fortbildung oder Umschulung, § 1578 Abs. 2 BGB und
- Altersvorsorgeunterhalt und Kosten einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung, sofern es sich nicht um Ausbildungsunterhalt handelt, 1578 Abs. 3 BGB.
Sicherheitsleistung bei Gefährdung des Unterhaltsanspruchs
Der Unterhaltsverpflichtete hat auf Verlangen des Berechtigten für den Unterhalt Sicherheit zu leisten, sofern der Unterhaltsanspruch gefährdet ist und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt einen Jahresbetrag des Geschiedenenunterhalts, im Einzelfall auch mehr, § 1585a BGB. Sein Verlangen muss der Berechtigte darlegen und beweisen können.