Zahlt ein Elternteil nach der Scheidung für das gemeinsame Kind Kindesunterhalt, steht dadurch für den eigenen Lebensunterhalt weniger Geld zur Verfügung, das ist klar. Manche Unterhaltszahler überlegen nun, ob der das Kind betreuende Partner nun ihnen Unterhalt zahlen muss, damit sie sich über Wasser halten können. Erfahren Sie hier anhand eines praktischen Rechenbeispiels, ob es Fälle von Unterhaltshin- und Herschieben tatsächlich gibt. Informieren Sie sich darüber hinaus in unserem FAQ für die Unterhaltsberechnung auch für weitere Fragen zu Kindes- und Ehegattenunterhalt.
Praxisbeispiel
Kindesunterhalt zahlen, aber Ehegattenunterhalt verlangen bei Einkommen von 2.000 EUR
Stefan hatte ursprünglich, als er mit Katrin verheiratet war, als Angestellter gut verdient, rutschte aber wegen der Insolvenz seines Arbeitgebers in die Arbeitslosigkeit ab. Daher er keinen angemessenen Arbeitsplatz finden kann, jobbt er außerhalb seines erlernten Berufes und erzielt unter Berücksichtigung von Steuern, Sozialversicherungsabgaben und sonstiger Verbindlichkeiten ein unterhaltsrelevantes Einkommen von 2.000 EUR netto im Monat. In der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle zahlt er für das sechs Jahre alte gemeinsame Kind Tom 551 EUR bzw. unter Berücksichtigung des halben Kindergeldes 426 EUR Kindesunterhalt. Stefan verbleiben damit 1574 EUR für den eigenen Lebensbedarf. Die Ex-Frau Katrin ist gleichfalls berufstätig und verdient 4.000 EUR netto im Monat.
Stefan bittet um Prüfung, ob und inwieweit er gegen Katrin einen Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt hat. Er ist der Ansicht, dass er durch die Zahlung von Kindesunterhalt sehr belastet ist und Katrin aufgrund ihres hohen Einkommens durchaus zu seinem eigenen Lebensunterhalt beitragen könnte.
Als Grund gibt er mithin an, dass er aufgrund der in der Ehe bereits begründeten Arbeitslosigkeit jetzt nicht mehr so viel Geld verdient, dass er seinen früheren Lebensstandard aufrechterhalten kann.
Hat barunterhaltspflichtiger Elternteil Anspruch auf Ehegattenunterhalt?
Das Bedürfnis und die Einschätzung von Stephan, seine gut verdienende Ex-Partnerin Katrin möge ihn aufgrund seiner Einkommensverhältnisse unterstützen, begründet für sich betrachtet keinen Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt. Dieser besteht nur unter folgenden Voraussetzungen.
Eigenverantwortung
Nach der Scheidung wird von beiden Ehegatten erwartet, dass sie sich um ihren eigenen Lebensunterhalt bemühen. Unterhalt gibt es nur, wenn die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Dem Grundsatz nach wäre Stefan nach der Scheidung also für den eigenen Lebensbedarf selber verantwortlich. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Stefan aufgrund besonderer Umstände finanziell bedürftig wäre.
Bedürftigkeit
Verlangt Stefan Ehegattenunterhalt, muss er bedürftig sein. Das bedeutet, dass er nicht in der Lage ist, seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Umstand, dass er Kindesunterhalt leistet, ist mithin ein Kriterium dafür, dass er netto weniger Geld zur Verfügung hat, als wenn er keinen Kindesunterhalt leisten müsste. Auch wenn Stefan keinen Kindesunterhalt bezahlen müsste, käme der Anspruch auf Ehegattenunterhalt in Betracht.
Leistungsfähigkeit
Stefans Ex-Frau Katrin muss in der Lage sein, Unterhalt zu zahlen. Das bedeutet, dass sie nach Abzug ihrer eigenen notwendigen Ausgaben noch genügend Einkommen hat, um Ehegattenunterhalt zu leisten.
Ehebedingte Nachteile
Es muss geprüft werden, ob Stefan durch die Ehe Nachteile entstanden sind, die den Unterhaltsanspruch rechtfertigen. Stefan beruft sich darauf, dass er infolge des Verlustes seines ursprünglichen Arbeitsplatzes weniger Geld verdient und Katrin jetzt verpflichtet sei, ihn aufgrund ihrer nachehelichen Solidarität finanziell zu unterstützen. Im Gesetz ist dafür der sogenannte Aufstockungsunterhalt vorgesehen.
GUT ZU WISSEN
Was ist Aufstockungsunterhalt?
Der Aufstockungsunterhalt rechtfertigt sich daraus, dass die Ehepartner in der Ehe einen bestimmten Lebensstandard gemeinsam erwirtschaftet haben. Dieser Lebensstandard soll auch nach der Scheidung möglichst fortbestehen. Ein Anspruch besteht aber nur, wenn die Erwerbseinkünfte des vermeintlich unterhaltsbedürftigen Partners nicht ausreichend sind. Stefan müsste erklären und auch beweisen, dass es ihm nicht möglich oder zumutbar ist, aufgrund eigener Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen.
Wie berechnet sich ein eventueller Anspruch auf Ehegattenunterhalt?
Um den Ehegattenunterhalt zu berechnen, wird sowohl das Einkommen von Katrin als auch das von Stephan einbezogen. Dazu wird die Dauer der Ehe berücksichtigt sowie der Umstand, dass Stefan möglicherweise Anspruch auf Aufstockungsunterhalt hat. Zur genauen Berechnung erhält der bedürftige Ehegatte einen bestimmten Anteil vom Einkommen des anderen als Unterhalt (Halbteilungsgrundsatz).
Daraus würde sich im Beispiel von Stephan und Katrin ungefähr folgende grobe Rechnung ergeben:
Unterhaltsrelevantes Einkommen Partner 1
- Nettoeinkommen Stefan: 2.000 EUR
- abzüglich Kindesunterhalt: 1.574 EUR
- abzüglich 10 % Erwerbstätigenbonus von 157 EUR
- unterhaltsrelevantes Einkommen Stefan = 1417 EUR
Unterhaltsrelevantes Einkommen Partner 2
- Einkommen Katrin 4.000 EUR
- abzüglich 10 % Erwerbstätigenbonus = 400 EUR
- unterhaltsrelevantes Einkommen Katrin = 3.600 EUR
Ehegattenunterhalt bekommen: Trotz, nicht wegen Zahlung von Kindesunterhalt
Folglich ergäbe sich für Stefan folgender Anspruch: 3600 EUR - 1417 EUR = 2183 EUR : 2 = 1091 EUR Ehegattenunterhalt.
Info: Stefan muss sich sein eigenes Einkommen anrechnen lassen. Das sich ergebende gemeinsame Einkommen von 2183 EUR wird geteilt und ergibt den Betrag, den Stefan beanspruchen könnte. Im Ergebnis hätte Stefan 1574 EUR + 1091 EUR = 2665 EUR zur Verfügung. Katrin verblieben 4000 EUR - 1091 EUR = 2.909 EUR zzgl. 426 EUR Kindesunterhalt.
GUT ZU WISSEN
Kindesunterhalt ist kein Einkommen des betreuenden Elternteils
Der Kindesunterhalt ist ein Anspruch des Kindes, den der betreuende Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes im Namen des Kindes geltend macht. Deshalb zählt der Kindesunterhalt, den der betreuende Elternteil für das Kind erhält, grundsätzlich nicht als Einkommen des betreuenden Elternteils. Daher wird er bei der Berechnung des Einkommens des betreuenden Elternteils in der Regel nicht berücksichtigt.
EXPERTENTIPP
Betreuender Elternteil verdient deutlich mehr
Das Einkommen von Katrin bleibt unberücksichtigt, wenn die Höhe des von Stefan zu leistenden Kindesunterhalts für das gemeinsame Kind berechnet wird. Auch wenn Katrin besser verdient als Stefan, ändert dies nichts daran, dass Stefan als Elternteil des Kindes finanziell in der Verantwortung für das Kind steht und genau wie Katrin seinen Beitrag zum Lebensbedarf des Kindes leisten muss. Eine Ausnahme kommt nach der Rechtsprechung allenfalls in Betracht, wenn Katrin etwa das Dreifache dessen verdienen würde, was Stefan verdient.
Alles in allem
Zwischen dem Umstand, dass ein Elternteil Kindesunterhalt leistet und dem eventuellen Anspruch auf Ehegattenunterhalt durch den betreuenden Elternteil und Ex-Partner bestehen indirekte Zusammenhänge. Die Unterhaltspflicht für das Kind als solche ist jedoch kein Kriterium für den Anspruch auf Ehegattenunterhalt. Der Anspruch auf Ehegattenunterhalt würde auch bestehen, wenn Stefan keinen Kindesunterhalt zahlen müsste. Das Beispiel zeigt augenscheinlich, dass Sie sich bei der rechtssicheren Berechnung mehrerer Unterhaltsarten Hilfe holen sollten – hier geht es bei uns direkt zum Formular genau dafür. Denn alles andere wäre ein Stochern im Nebel.