Unterhalt aus Überstunden leisten?

Wann dieses Extra-Geld zum relevanten Einkommen zählt

Frau Gibt Mann Sparschwein iurFRIEND® AG

Sonntag, 21.07.2024 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Sind Sie unterhaltsberechtigt, werden Sie sagen, Überstunden gehören zum unterhaltspflichtigen Einkommen. Sind Sie unterhaltspflichtig, werden Sie wegen Ihres dafür erforderlichen Engagements nicht noch „bestraft“ werden wollen. Wie beides miteinander in Einklang gebracht wird, was es bedeutet, dass Überstunden berufstypisch sein müssen, und welche Fragen sich die meisten Leser zur Unterhaltsberechnung stellen, erfahren Sie hier!

Gelten Überstunden als Einkommen?

Im Grundsatz müssen Überstundenvergütungen in voller Höhe dem unterhaltspflichtigen Einkommen zugerechnet werden. Insoweit erhöhen Überstunden das unterhaltsrelevante Einkommen und damit die Höhe des Unterhalts. Dies gilt sowohl beim Kindesunterhalt als auch beim Ehegattenunterhalt.

 

Davon gibt es allerdings auch Ausnahmen und eine Vielfalt von gerichtlichen Entscheidungen.

EXPERTENTIPP

Überstunden im Hinblick auf Unterhaltsverhandlungen

Fordern Sie Unterhalt, werden Sie daran interessiert sein, dass die Überstunden des Unterhaltspflichtigen als Einkommen berücksichtigt werden. Allerdings dürfen Sie dabei nicht übersehen, dass der Unterhaltspflichtige die Überstunden nur ableistet, soweit er/sie sich dazu motiviert fühlt. Muss er/sie einen Teil davon als Unterhalt abführen, riskieren Sie, dass die Motivation leidet und der Unterhaltspflichtige letzten Endes keine Überstunden mehr leistet. Damit könnte das Risiko verbunden sein, dass das dann noch verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine Grenze erreicht, die den Unterhalt insgesamt in Frage stellt. Ihr Interesse sollte also darin bestehen, dass der Unterhaltspflichtige motiviert bleibt und in der Lage ist, den zu vereinbarenden Unterhalt regelmäßig und dauerhaft zu leisten. Sollten Sie aus Rachegelüsten oder Enttäuschung über die gescheiterte Ehe darauf drängen, dass jeder verdiente Euro des Unterhaltspflichtigen beim Unterhalt Berücksichtigung findet, riskieren Sie, dass Ihre Unterhaltsverhandlungen ins Leere laufen.

Überstunden müssen berufstypisch sein

Das Gehalt, das aus Überstunden resultiert, wird dem unterhaltsrelevanten Einkommen nur insoweit zugerechnet, als die Überstunden berufstypisch sind und entweder 

  • in geringem Umfang anfallen 
  • oder zumindest das im Arbeitsbereich des Unterhaltspflichtigen übliche Maß nicht übersteigen (BGH FamRZ 1983, 886). 

Übersteigen die Überstunden das berufstypische Maß, sind diese wie Einkünfte aus unzumutbarer (überobligatorischer) Tätigkeit zu bewerten. Dann wäre es nicht mehr fair, wenn der Unterhaltsberechtigte davon profitiert, dass der Unterhaltspflichtige Überstunden leistet und den anderen an seinem zusätzlichen Einkommen beteiligen muss. 

 

Wann Überstunden als berufstypisch anzusehen sind, wird anhand des Berufsbildes bestimmt. Aber auch die Gehaltsabrechnungen können aufschlussreich sein: Werden über mehrere Monate Überstunden vergütet, gelten Überstunden in diesem Beruf auch üblich. 

Beispiele

  • Das OLG Hamm (FamRZ 2000, 605) hat beispielsweise Überstunden bis zu 25 % der normalen Arbeitszeit als berufstypisch bewertet und damit dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzugerechnet. 
  • Nach einer Entscheidung des BGH (FamRZ 1980, 984) gelten monatlich 7 Überstunden als normal. 
  • Erzielt ein Assistenzarzt durch Bereitschaftsdienste mit 50 - 88 Monatsstunden ein zusätzliches Einkommen, ist dies voll bei der Unterhaltshöhe zu berücksichtigen (OLG Hamburg FamRZ 1986, 1212).
  • Laut AG Dieburg (FamRZ 1998, 1587) soll die absolute Höchstgrenze für die wöchentliche Arbeitszeit 60 Stunden betragen.
  • Laut OLG Frankfurt (FamRZ 2011, 1957) sollen Einkünfte aus Überstunden durch Wahrnehmung von Bereitschaftsdiensten zu 3/4 beim unterhaltsrelevanten Einkommen berücksichtigt werden.

Werden wirklich alle Überstunden hinzugerechnet, oder nur ein Teil?

Überstunden, die über das berufstypische Maß hinausgeht, braucht sich der Unterhaltspflichtige aber nicht in voller Höhe als Einkommen beim Unterhalt zu rechnen zu lassen. Wie genau gerechnet werden soll, hat die Rechtsprechung bislang nicht entschieden. Überwiegend wird ein berufstypischer Überstundenanteil geschätzt

 

Fallen Überstunden in unterschiedlicher Anzahl und Höhe an, wird oft der Mittelwert errechnet. Erreichen die monatlichen Vergütungen diesen Mittelwert nicht, ist das volle monatliche Einkommen anzurechnen. Übersteigt die Anzahl der Überstunden hingegen den Mittelwert, sind die hierfür gezahlten Vergütungen nicht bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen. 

 

Reichen jedoch die Einkünfte eines voll erwerbstätigen Unterhaltsschuldners nicht zur Deckung des Mindestbedarfs einer unterhaltsberechtigten Person aus, kann dieser verpflichtet sein, Überstunden zu leisten oder mit einer Nebentätigkeit zusätzliches Geld zu verdienen (OLG Hamburg, FamRZ 1990, 785).

Wann zählen die Überstunden nicht zum relevanten Einkommen?

Ist ein berufliches Engagement nicht mehr berufstypisch, kann es eine unzumutbare überobligatorische Tätigkeit darstellen. Arbeitet der Unterhaltspflichtige also mehr, obwohl er hierzu eigentlich nicht verpflichtet wäre, erzielt er Einkünfte aus einer unzumutbaren überobligatorischen Tätigkeit. Ein typisches Merkmal dabei ist, dass der Unterhaltspflichtige berechtigt ist, seine unzumutbare Tätigkeit jederzeit zu beenden. 

  • So ist ein zusätzliches Einkommen nicht überobligatorisch, wenn der Unterhaltspflichtige auf seinen Jahresurlaub verzichtet.
  • Bei leitenden Angestellten oder beruflich herausgehobenen Position ist eine Arbeitsbelastung von mehr als 60 Wochenstunden berufstypisch und damit nicht obligatorisch. Daraus erzielte Einkünfte sind dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzuzurechnen (OLG Brandenburg, NZFam 2016, 983). 
  • Unzumutbar sind jedoch Einkünfte, die ein Arbeitnehmer bezieht, nachdem er das Rentenalter erreicht hat  (OLG Düsseldorf FamRZ 2007,1817).

Ansonsten ist nach der teils widersprüchlichen und neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon auszugehen, dass auch unzumutbare Einkünfte dem Grundsatz nach beim Unterhalt angerechnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wie Einkünfte eheprägend waren, also bereits während der Ehe erzielt wurden (BGH FamRZ 2003, 848).

Wie werden Sonn- und Feiertagszuschläge berücksichtigt?

Sonn- und Feiertagszuschläge werden in voller Höhe als Einkommen beim Unterhalt berücksichtigt, soweit sie berufstypisch sind und entweder in geringem Umfang anfallen oder zumindest das im Beruf des Unterhaltspflichtigen übliche Maß nicht übersteigen. 

Inwieweit sind Schichtzulagen unterhaltsrelevantes Einkommen?

Schichtzulagen werden genau wie Sonn- und Feiertagszuschläge beim Einkommen angerechnet (BGH FamRZ 2013, 935). Dabei werden die damit meist einhergehenden besonderen Belastungen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt. So hat das OLG München (NJW 1982, 835) Schichtzuschläge nur zu 2/3 dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzugerechnet, während 1/3 der Zuschläge die besonderen Belastungen des Unterhaltspflichtigen berücksichtigen sollte. 

 

Ansonsten kann eine Schichtarbeit, die bereits während der Ehe üblich war, auch zumutbar sein, mit der Konsequenz, dass die Schichtzulage beim Unterhalt voll zu berücksichtigen ist (OLG München, FamRZ 1998, 623). Gibt der Unterhaltspflichtige den Schichtdienst, den er bereits während der Ehe regelmäßig ausübte, ohne Vorliegen nachvollziehbarer Gründe auf, können die Schichtzulagen fiktiv dem Einkommen hinzugerechnet werden. Sie werden dann so berücksichtigt, als würde der Unterhaltspflichtige weiterhin Schichtarbeit leisten (OLG Köln, FamRZ 2006, 1761).

Gelten Überstunden mit dem Gehalt als abgegolten?

Überstunden sind Fluch und Segen zugleich. 

  • Fluch insoweit, als Arbeitnehmer über Gebühr arbeiten müssen, 
  • Segen insoweit, als damit ein zusätzliches Gehalt verbunden ist. 

Im Arbeitsvertrag kann jedenfalls nicht pauschal vereinbart werden, dass mit dem Grundgehalt auch eine unbegrenzte Anzahl von Überstunden abgegolten ist. Eine solche pauschale Regelung ist unwirksam. 

 

Jeder Arbeitnehmer muss anhand seines Arbeitsvertrages von vornherein erkennen können, wie viel Arbeitszeit er als Gegenleistung für die vereinbarte Vergütung leisten muss. Wer eine deutlich herausgehobene Vergütung erhält, hat regelmäßig keinen Anspruch, dass Überstunden bezahlt werden. Maßstab ist jeweils die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Liegt das Gehalt über der Grenze, gilt ein angemessenes Maß von Überstunden in der Regel als abgegolten. Gleiches gilt, wenn Mitarbeiter „Dienste höherer Art“ erbringen, also Tätigkeiten, die von keinem Tarifvertrag erfasst sind.

 

Überstunden werden meist dann bezahlt, wenn Mitarbeiter weniger verdienen oder deren Tätigkeit von einem Tarifvertrag erfasst wird. Im Arbeitsvertrag muss dazu im Voraus festgelegt werden, wie viel Überstunden mit der Grundvergütung abgegolten sind. Vielfach werden Überstunden auch durch Freizeit ausgeglichen und werden nicht extra vergütet. Wichtig ist dabei, dass 

  • Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet worden sind, 
  • zur Erledigung der dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeit notwendig waren oder 
  • vom Arbeitgeber nachträglich gebilligt oder geduldet wurden. 

Kann der Arbeitnehmer die erforderlichen Nachweise nicht erbringen, geht er möglicherweise leer aus.

Alles in allem

Was „Recht“ bedeutet, ist nicht immer einfach zu bestimmen. Vielfach gibt es Grundsätze, zu denen wieder Ausnahmen anerkannt werden. Auch bei der Überstundenvergütung ist dies so. Dem Grundsatz nach werden Überstunden als Einkommen angerechnet, es sei denn, der Unterhaltspflichtige leistet unzumutbare überobligatorische Tätigkeiten. Möchten Sie Klarheit, beantragen Sie gerne noch heute hier online Ihre Online-Unterhaltsberechnung – mit Absenden des Formulars gehen Sie noch keine Verpflichtung ein. Wir melden uns bei Ihnen mit einem Kostenvorschlag. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!