Um die Höhe des Unterhalts zu ermitteln, muss man die unterhaltsrelevanten Einkommenssituationen beider Elternteile bzw. Ehepartner kennen. Arbeitet einer von ihnen im Handwerk oder Dienstleistungsgewerbe, zählen auch Trinkgelder zum Einkommen. Das Problem dabei ist, wie Trinkgelder der Höhe nach erfasst werden können. Erfahren Sie hier, wie zunächst der Arbeitgeber selbst dies tut, welche Unterschiede es bei der Schätzung von Trinkgeldern bei Taxifahrenden und Friseuren gibt, und welchen Raum sie letztlich bei der Berechnung der Unterhaltshöhe einnehmen.
Zählt Trinkgeld als unterhaltsrelevantes Einkommen?
Unterhaltsansprüche bemessen sich danach, inwieweit der Unterhaltspflichtige leistungsfähig und der Unterhaltsberechtigte bedürftig ist. Dazu sind alle Einkünfte heranzuziehen, unabhängig davon, welcher Art diese sind und aus welchem Anlass sie gezahlt werden. Die Einnahmen müssen dauerhaft zur Verfügung stehen, was bei Trinkgeldern als fester Bestandteil der Vergütung vielfach der Fall ist.
So sind Trinkgelder nach ständiger unterhaltsrechtlicher Rechtsprechung als sonstige Einnahmen ungekürzt zum Einkommen hinzuzurechnen. Auch in den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte, die zur Interpretation der Düsseldorfer Tabelle beitragen, sind Trinkgelder, sofern sie berufstypisch gewährt werden, als sonstige unterhaltsrechtlich relevante Einnahmen benannt (vgl. Unterhaltsrechtliche Leitlinien OLG Düsseldorf Nr. 1.8.).
Kann das Trinkgeld für die Unterhaltsberechnung geschätzt werden?
Die Höhe gewährter Trinkgelder dürfte im Regelfall in der Praxis schwierig zu ermitteln sein. Für eine Schätzung müssen konkrete Anknüpfungspunkte feststehen. Bestenfalls ist die Höhe der gezahlten Trinkgelder unstreitig und wird vom Unterhaltspflichtigen akzeptiert.
Ist die Höhe der Trinkgelder streitig oder nicht feststellbar, sind Sie als Unterhaltsberechtigter verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige Trinkgelder vereinnahmt. Besteht im Hinblick auf Grund und Höhe keine einheitliche Trinkgeldpraxis in dem jeweiligen Beruf, den der Unterhaltspflichtige ausübt, reicht es nicht aus, wenn Sie lediglich monatlich Trinkgelder in einer bestimmten Höhe vortragen. Angaben ins Blaue hinein, nur weil Sie vermuten, dass Trinkgelder gewährt werden, sind keine Grundlage für einen ausreichenden Sachvortrag. Die Rechtsprechung hat im Einzelfall eine Reihe von Entscheidungen getroffen.
- So bestehe auch in Friseursalons keine einheitliche Trinkgeldpraxis, so dass Sie für eine Schätzung konkrete Tatsachen vortragen und beweisen müssen (OLG Hamm, FamRZ 2014, 1468).
- Bei Taxifahrern hingegen kann das Trinkgeld ohne weitere Angaben auf 100 € im Monat geschätzt werden (BGH FamRZ 2011, 1041).
- Auch im Gaststättengewerbe kann bei einer vollschichtigen Tätigkeit ohne nähere Angaben von Trinkgeldern in Höhe von monatlich 100 € ausgegangen werden (Kammergericht Berlin, FamRZ 2011, 1798).
Unterscheidung von Voll- und Teilzeitkräften
Bei der Prüfung ist natürlich zu berücksichtigen, ob der Unterhaltspflichtige die Tätigkeit vollschichtig oder in Teilzeit ausübt. Es ist zu berücksichtigen, ob der Kontakt zu dem Empfänger der Leistung ununterbrochen besteht (z.B. Bedienung im Restaurant) oder ob der Unterhaltsberechtigte auch noch andere Tätigkeiten übernehmen muss, bei denen er nicht so häufig in Kontakt mit dem Empfänger der Leistung kommt und somit auch entsprechend weniger Trinkgelder vereinnahmt.
Teilung von Trinkgeldern unter allen Kollegen
Werden die von Kunden gewährten Trinkgelder in eine Kaffeekasse eingeworfen, die sich die Angestellten abends teilen, muss berücksichtigt werden, in welcher Form der einzelne Mitarbeiter beteiligt wird.
Sachverständige dienen bei Trinkgeldschätzung nicht als Bekräftigung
Das Angebot, ein Sachverständigengutachten zur Höhe der Trinkgelder zu beauftragen, dürfte kein geeignetes Beweismittel darstellen, zumal ein Sachverständigengutachten teuer ist und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht im Verhältnis zum Ertrag steht (OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1479).
Steuerpflichtigkeit von Trinkgeldern ist unterhaltsrechtlich relevant
Soweit Trinkgelder unterhaltsrechtlich eine Rolle spielen, ist zu berücksichtigen, ob diese steuerfrei gewährt werden oder eventuell steuerpflichtig sind.
Steuerfreie Trinkgelder
Trinkgelder, die an Arbeitnehmer gezahlt werden, sind steuerfrei. Sie sind freiwillige Geldgeschenke der Kunden und bringen die Anerkennung und den Dank des Kunden für die geleisteten Dienste zum Ausdruck. Der Mitarbeiter hat keinen vertraglichen Anspruch auf ein solches Trinkgeld. Voraussetzung ist somit, dass das Trinkgeld anlässlich der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zusätzlich zu dessen normalem Gehalt freiwillig gewährt wird, ohne dass dafür ein Rechtsanspruch besteht (§ 3 Nr. 51 Einkommensteuergesetz).
Steuerpflichtige Trinkgelder
Trinkgelder oder Prämien hingegen, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern überreicht, betrachtet das Finanzamt als freiwillige Sonderzahlung und zählt diese zum steuerpflichtigen Einkommen. Auch die Jetons, die Gäste in der Spielbank in den sogenannten Tronc werfen, gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn der Mitarbeiter.
Ist der Unterhaltspflichtige unternehmerisch tätig, und erhält von seinen Kunden Trinkgelder, zählen diese zu den Betriebseinnahmen, die auch Umsatzsteuer enthalten. Demgemäß muss die Umsatzsteuer abgezogen und an das Finanzamt abgeführt werden. Darüber hinaus sind Trinkgelder zu den Betriebseinnahmen zu rechnen und bei der Einkommensteuer zu erfassen.
Welche Bedeutung haben Trinkgelder, wenn Verfahrenskostenhilfe beantragt wird?
Beantragt ein Beteiligter im Unterhaltsrechtsstreit staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH), ist der Streit über die Höhe des Trinkgeldes nicht im Prüfungsverfahren zur Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auszutragen. Vielmehr ist der oder die Beziehende des Trinkgeldes zu vernehmen und dessen Höhe notfalls zu schätzen (OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 1479).
Bei der Prüfung im VKH-Verfahren kommt es nur darauf an, ob der vorgetragene Anspruch oder die Verteidigung gegen den Anspruch hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Es kommt noch nicht darauf an, ob der Anspruch oder die Verteidigung im Ergebnis begründet ist.
Wie werden Trinkgelder in der Praxis beim Arbeitgeber erfasst?
Um Trinkgelder unterhaltsrechtlich zu erfassen, kann es hilfreich sein zu wissen, wie Trinkgelder in der Praxis beim Arbeitgeber erfasst werden. Wird Trinkgeld gewährt, kann der Betrag in einer maschinell erstellten und registrierten Rechnung (Kassenbon oder Rechnung) im oder auf dem Beleg quittiert und das gezahlte Trinkgeld gesondert ausgewiesen werden. In der Praxis wird dies eher selten praktiziert und das zusätzlich gewährte Trinkgeld nicht ausgewiesen. Grund hierfür ist, dass der Kunde nach der Rechnung verlangt und erst dann entscheidet, ob und in welcher Höhe er Trinkgeld gewährt.
Der Arbeitnehmer scheut sich vielfach, den Erhalt des Trinkgeldes zu quittieren, da er/sie die steuerliche Handhabung nicht unbedingt kennt und glaubt, den Erhalt in der Einkommensteuererklärung angeben zu müssen. Meist ist nicht bewusst, dass auch das quittierte Trinkgeld steuerfrei bleibt. Zur Not kann der Unternehmer auch einen Eigenbeleg in die Buchhaltung aufnehmen.
Werden die gezahlten Trinkgelder also nicht vom Arbeitgeber buchhalterisch erfasst, sind Sie als Unterhaltsberechtigter darauf angewiesen, die vermutlich vereinnahmten Trinkgelder des Unterhaltspflichtigen in letzter Konsequenz glaubhaft und nachvollziehbar zu schätzen.
Alles in allem
Trinkgelder sind Einkommen. In der Praxis besteht das Problem, nachzuweisen, dass Trinkgelder bezogen werden und in welcher Höhe. Sind Sie unterhaltsberechtigt, sind Sie auf konkrete Anhaltspunkte angewiesen und nicht auf bloße Vermutungen. Sind Sie unterhaltsverpflichtet, müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen aufgrund Ihrer berufstypischen Tätigkeit unterstellt wird, dass Ihnen Trinkgelder gewährt werden. Um hier die richtige Richtung zu finden, sollten Sie sich jeweils unterhaltsrechtlich beraten lassen. Vermeiden Sie das Risiko, gerade im Hinblick auf die (leider) meist relativ geringe Höhe von Trinkgeldern einen Streit vom Zaun zu brechen, der sich im Ergebnis nicht lohnt.