Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind unter anderem die durch die Nutzung eines privaten PKWs entstehenden berufsbedingten Fahrtkosten zu berücksichtigen. In der Praxis besteht oft Streit darüber, inwieweit dem Unterhaltspflichtigen stattdessen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet werden kann. Die Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich und wenig übersichtlich. Je nachdem, in welchem Oberlandesgerichtsbezirk der Unterhaltspflichtige wohnt, kommen unterschiedliche Ansätze zur Anwendung.
Was ist das unterhaltsrelevante bereinigte Nettoeinkommen?
Der Unterhaltspflichtige kann nur insoweit Unterhalt zahlen, als ihm das mit seinem Einkommen erzielte Geld effektiv zur Verfügung steht. Daher sind beim Bruttoeinkommen bestimmte abzugsfähige Belastungen zu berücksichtigen. Danach wird das unterhaltsrelevante, um diese Aufwendungen „bereinigte“ Nettoeinkommen errechnet. Zu den abzugsfähigen Belastungen gehören auch die berufsbedingten Aufwendungen, die im Einkommensteuerrecht als Werbungskosten bezeichnet werden.
Inwieweit sind Fahrtkosten zur Arbeit bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen?
Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Es lässt sich keine einheitliche Handhabung feststellen, wie berufsbedingte Aufwendungen unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind.
Im einfachsten Fall setzen Sie als Unterhaltspflichtiger 5 % Ihres Nettoeinkommens für berufsbedingte Aufwendungen an. Darin wären die Fahrtkosten enthalten. Entstehen höhere Fahrtkosten, empfiehlt sich, diese konkret zu beziffern und die Umstände darzulegen, warum Sie auf die private Nutzung Ihres PKWs angewiesen sind und es nicht zuzumuten ist, dass Sie vom Kostenaufwand her günstigere öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen. Um den jeweiligen Ansatz besser einschätzen zu können, ist hilfreich, die vielfältige Rechtsprechung zu kennen. Vielleicht finden Sie in den von der Rechtsprechung entschiedenen Einzelfällen Ihren Fall wieder und können entsprechend argumentieren.
Was sagt die Düsseldorfer Tabelle?
Ein erster Ansatz findet sich in der Düsseldorfer Tabelle. Dort heißt es in Anmerkung 3: „…berufsbedingte Aufwendungen, die sich von privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen. Bei entsprechenden Anhaltspunkten kann eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – mindestens 50 EUR, bei geringfügiger Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 EUR monatlich – geschätzt werden. Bei Geltendmachung die Pauschale übersteigender Aufwendungen sind diese insgesamt nachzuweisen.“
Allgemein ist demnach festzustellen, dass einige Gerichte berufsbedingte Aufwendungen grundsätzlich ohne weitere Ausführungen in Form eines pauschalen Betrages von 5 % des Nettoeinkommens, mindestens 50 € und höchstens 150 € monatlich, berücksichtigen. Für die Pauschale spricht, dass der damit verbundene Nachweis im Einzelfall entfällt und es im Unterhaltsrechtsstreit wesentlich einfacher ist, eine Entscheidung zu rechtfertigen.
Was sagen andere Oberlandesgerichte?
Andere Oberlandesgerichte greifen nur dann auf die 5 %-Pauschale zurück, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen und erkennen mehrheitlich nur einen Höchstbetrag von 150 € an. Es gibt darüber hinaus Oberlandesgerichte, die wiederum darauf abstellen, dass der Unterhaltspflichtige seine berufsbedingten Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit konkret darzulegen habe und lehnen eine pauschale Bezifferung ab.
Was sagt der BGH?
Der Bundesgerichtshof jedenfalls akzeptiert den pauschalen Abzug von berufsbedingten Aufwendungen auch dann, wenn diese nicht konkret dargelegt werden. Eine konkrete Darlegung sei erst dann erforderlich, wenn die Aufwendungen über den pauschalen Ansatz hinausgehen (BGH FamRZ 2006, 110).
Damit ist klar, dass die vielfach vertretene Auffassung, der Unterhaltspflichtige könne grundsätzlich nur die Kosten für die ihm möglichen und zumutbaren Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln als berufsbedingte Aufwendungen geltend machen, nicht zutrifft.
Zugleich hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass dem Unterhaltspflichtigen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel dann zuzumuten ist, wenn die Benutzung eines Pkw für Fahrten zum Arbeitsplatz einen so großen Teil seines Einkommens aufzehrt, dass er deswegen keinen ausreichenden Unterhalt mehr zahlen kann (BGH FamRZ 1989, 483).
Situation bei minderjährigen Kindern und ÖPNV-Fahrten von bis zu 1,5h
Dies gilt insbesondere, wenn der Unterhaltspflichtige Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind schuldet, auch wenn es umständlich ist und der tägliche Zeitaufwand dafür zwischen zwei und drei Stunden liegt (OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 1010). Bei geringeren Entfernungen (Entfernung Wohnort - Arbeitsstätte 8 km) komme auch die Nutzung eines Fahrrades in Betracht (OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1273). Soweit Fahrtkosten erst durch einen Umzug entstehen, können diese im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind unbeachtlich sein (KG Berlin, FamRZ 2014, 949).
Wie war die Situation während der Ehe?
Leben Sie in gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen, kann die Nutzung des privaten Pkw zum Arbeitsplatz zu den die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Umständen gehören. In diesem Fall wären Ihre Fahrtkosten eher zu akzeptieren, als wenn Sie vielleicht schon während der Ehe teils oder überwiegend öffentliche Verkehrsmittel genutzt hätten (BGH FamRZ 1989, 483).
Pendelzeit von mehr als 2h bei Arbeitszeit von 6h unverhältnismäßig
Höhere Fahrtkosten werden oft akzeptiert, wenn öffentliche Verkehrsmittel nur unter übermäßigem Zeiteinsatz zu erreichen sind und ein Ortswechsel nicht zuzumuten ist. Als Anhaltspunkt dafür werden oft die Pendelzeiten für Arbeitslose beigezogen. Danach ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung nicht zuzumuten, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und dem Arbeitsplatz im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden oder Pendelzeiten von mehr als 2 Stunden bei einer Arbeitszeit von 6 Stunden und weniger anzusehen.
Prüfung auf Umzug, Gegenargument Fahrplan
Ist die Entfernung zum Arbeitsplatz besonders weit und entstehen dadurch hohe Fahrtkosten, ist zu prüfen, ob dem Unterhaltspflichtigen ein Wechsel seines Wohnortes oder die Inanspruchnahme einer Fahrgemeinschaft zuzumuten ist (BGH FamRZ 1998, 1501). Diesen Ansatz kann der Unterhaltsschuldner widerlegen, wenn der Arbeitsplatz mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu erreichen ist. Zum Nachweis dient die Vorlage eines Bahn-/Busfahrplans und die Angabe, wann die tägliche Arbeitszeit beginnt und endet (OLG Dresden, FamRZ 2001, 47).
ÖPNV bei Nacht- und Schichtarbeit ggf. unzumutbar
Leistet der Unterhaltspflichtige Nacht-, Feiertags- oder Schichtarbeit, kann die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der mit der Schichtarbeit verbundenen Umstände unzumutbar sein (OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1187).
ÖPNV bei gesundheitlichen Gründen ggf. unzumutbar
Benennt der Unterhaltspflichtige gesundheitliche Gründe, kann die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sein (hier: Amputation beider Oberschenkel, BGH FamRZ 1982, 579).
Höhere Fahrtkosten nach Umzug zu neuer Partnerin anerkannt
In einem Fall des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 10.1.2013, Az. 4 UF 164/12), zog der Ehemann nach der Trennung zu seiner neuen Partnerin. Sein Arbeitsweg verlängerte sich um 40 km auf 80 km. Das OLG erkannte die Fahrtkosten an. Es sei dem Mann nicht vorzuwerfen, dass er umgezogen sei, so dass der erhöhte Kostenaufwand bei der Berechnung des Trennungsunterhalt zu berücksichtigen sei.
Wie hoch ist die Kilometerpauschale beim Unterhalt?
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Kilometerpauschale. Diese wird überwiegend 0,42 € je gefahrenen Kilometer (Fahrtkosten Hin- und Rückfahrt) angesetzt (Stand 1.1.2023).
Zuvor lag der Kilometersatz noch bei 0,30 € pro Kilometer. Aber auch im Hinblick auf die Pauschale von 0,42 € gibt es keine Einheitlichkeit. Teils werden trotzdem noch geringere Kilometerpauschalen angesetzt, teils wird der Ansatz bei großen Entfernungen unterschiedlich gekürzt.
Rechenbeispiel: Fahrtkosten bei Arbeitsweg von 50 Kilometern
Sie fahren 50 km zur Arbeit und 50 km wieder zurück zur Wohnung. Für die ersten 30 km der Hin- und Rückfahrt kommen 0,42 € in Ansatz = 25.20 €. Bei 220 Arbeitstagen sind dies 5.544 €. Ab dem 31. km sind für die Hin- und Rückfahrt 0,28 € anzusetzen = 17,36 € x 220 Arbeitstage = 3.919,20 €. Insgesamt schlagen Ihre Fahrtkosten mit 9.363,20 €/Jahr = 780 €/Monat zu Buche. Von diesen Beträgen ist der Steuervorteil, den Sie durch den Ansatz von Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung erlangen, schätzungsweise in Abzug zu bringen.
Was ist bei Spesen und Fahrtkostenzuschuss des Arbeitgebers?
Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Fahrtkostenzuschüsse oder Spesen oder Reisekosten, gelten diese Beträge als Einkommen und sind beim Unterhalt zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber dem Unterhaltspflichtigen einen Pkw zur Verfügung stellt. Dann ist der darin liegende geldwerte Vorteil zu schätzen und als Einkommen zu berücksichtigen, sofern der Unterhaltspflichtige den Pkw auch privat benutzen darf (OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044). Dies ändert aber nichts daran, dass die dem Arbeitnehmer und Unterhaltspflichtigen entstehenden Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen sind.
Zusammenhang zwischen berufsbedingten Aufwendungen und Werbungskosten?
Entstehen dem Unterhaltspflichtigen Fahrtkosten, gelten diese einkommensteuerlich als Werbungskosten. Sie reduzieren das zu versteuernde Einkommen. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, den Steuervorteil bei den Fahrtkosten in Form eines zu schätzenden Abschlags zu berücksichtigen.
Alles in allem
Sind Sie unterhaltspflichtig und möchten Ihre Fahrtkosten berücksichtigt wissen, kommt es nicht zuletzt darauf an, in welchem Bezirk eines Oberlandesgerichts Sie wohnen. Je nachdem kommen unterschiedliche Ansätze in Betracht. Da Sie die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien „Ihres“ Oberlandesgerichts wahrscheinlich nicht kennen und die Rechtsprechung des OLG nicht einschätzen können, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. Dies gilt umso mehr, als Sie richtig argumentieren müssen, wenn Sie sich nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verweisen lassen möchten.