Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem unterhaltsrelevanten, sogenannten bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Bereinigung heißt, dass man bestimmte Ausgaben von seinem Brutto abziehen darf, bevor der Unterhalt ausgerechnet wird. Leistet jemand Prämien für eine Lebensversicherung (Kapital und Risiko), stellt sich die Frage, inwieweit diese abzugsfähig sind. Möchten Sie sofort oder nach dem Lesen dieses Artikels eine Unterhaltsberechnung beantragen bei uns, finden Sie hier das Formular dafür!
Widerstreit der Interessen bei Lebensversicherungsbeiträgen in der Unterhaltsberechnung
Engagiert sich der Unterhaltspflichtige für die private Altersvorsorge und leistet beispielsweise Prämien für eine Lebensversicherung, wird er/sie daran interessiert sein, die Prämien bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens einkommensmindernd zu berücksichtigen. Umgekehrt wird der Unterhaltsberechtigte argumentieren, dass die Altersvorsorge dem privaten Interesse dient und der Unterhalt stets vorrangig zu bezahlen sei. Die Rechtsprechung sah sich herausgefordert, die Interessen abzuwägen und klarzustellen, wer wann Recht hat.
Im Hinblick auf die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung ist jedenfalls anerkannt, dass neben der primären Altersvorsorge (z.B. Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung) auch Leistungen für eine private Altersvorsorge erbracht werden müssen, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Deshalb kann der Unterhaltspflichtige entsprechende Aufwendungen dem Grundsatz nach einkommensmindernd geltend machen.
GUT ZU WISSEN
Unterhaltsberechtigter profitiert durch die Police indirekt
Dies kann auch insoweit gerechtfertigt und für den Unterhaltsberechtigten für den Fall vorteilhaft sein, wenn der Unterhaltspflichtige verstirbt. In diesem Fall haftet der Erbe, soweit er zugleich in der Versicherungspolice als bezugsberechtigte Person benannt ist, für fällige und eventuell rückständige Unterhaltsansprüche, die dann über die Auszahlung der Lebensversicherungsprämie bedient werden können.
4 % des Gesamtbruttos bzw. 19% des Bruttogewinns können anerkannt werden
Im Hinblick auf den Höchstförderungssatz bei der Riester-Rente hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass bei Arbeitnehmern Aufwendungen für eine zusätzliche private Altersvorsorge bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres anerkannt werden können (BGH, FamRZ 2005, 1822). Über die Grenze von 4 % hinausgehende Aufwendungen für eine private Altersvorsorge können neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden.
Ist der Unterhaltspflichtige selbstständig tätig, sind die Versicherungsprämien in der Höhe berücksichtigungsfähig, wie bei einem abhängig Beschäftigten, der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leistet. Bei einem angenommenen Beitragssatz von 19 % kann der Selbstständige 19 % seines Bruttogewinns zuzüglich 4 % als zusätzliche Altersvorsorge einkommensmindernd geltend machen.
Prämien müssen tatsächlich geleistet werden
Voraussetzung ist, dass die Prämien tatsächlich geleistet werden. Ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht (BGH FamRZ 2007, 193).
Nicht erforderlich ist, dass die Beiträge zur Altersversorgung monatlich geleistet werden. Auch Einmalzahlungen, die der Altersvorsorge dienen, kommen in Betracht. Dann wird die Einmalzahlung auf ein Jahr anteilig monatlich umzurechnen sein.
In der Wahl der zusätzlichen Altersvorsorge ist der Unterhaltspflichtige grundsätzlich frei. Er kann die Prämien für eine Rentenversicherung oder eine Lebensversicherung, auch in Form einer Direktversicherung, leisten oder Tilgungsleistungen für ein selbstgenutztes oder vermietetes Wohneigentum erbringen.
Kapitallebensversicherung beim Kindesunterhalt
Soweit der Unterhaltspflichtige bis zu 4 % seiner Versicherungsprämien als zusätzliche Altersvorsorge einkommensmindernd geltend machen kann, gelten zumindest beim Kindesunterhalt weitere Einschränkungen. Zahlt der Unterhaltspflichtige für seine zusätzliche Altersvorsorge Prämien für eine Lebensversicherung auf Kapital- oder Rentenbasis, dürfen die Prämien als Verbindlichkeit bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens zwar berücksichtigt werden, allerdings nur, soweit der Mindestunterhalt für das minderjährige Kind aufgebracht werden kann. Der Mindestunterhalt ergibt sich aus der untersten Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle.
Mindestunterhalt muss zunächst aufgebracht werden
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass es wesentliche Aufgabe eines barunterhaltspflichtigen Elternteils sei, das Existenzminimum eines minderjährigen Kindes zu gewährleisten. Ist dies nicht möglich, könne eine zusätzliche Altersversorgung eines gegenüber einem minderjährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils nicht anerkannt werden. Die Interessen des Kindes seien gewichtiger einzustufen als diejenigen des unterhaltspflichtigen Elternteils. Die gesteigerte Erwerbspflicht des Elternteils beruht auf der besonderen Verantwortung der Eltern für den angemessenen Unterhalt ihrer Kinder und beinhaltet auch den Verzicht, der ihnen im Ausgabenbereich zuzumuten ist. Insoweit sei es dem Unterhaltspflichtigen verwehrt, sein monatliches Einkommen um die Versicherungsprämien herabzusetzen (BGH, Urteil vom 30.1.2013, Az. XII ZR 158/10).
Außerdem sei es dem Unterhaltspflichtigen im Regelfall möglich, die kapitalbildende Lebensversicherung eine Zeit lang ruhend zu stellen und die Zahlung der Prämien zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen.
Ausnahme Mindesteigenbetrag
Eine Ausnahme besteht wiederum, wenn der Unterhaltspflichtige den Mindesteigenbeitrag für eine nach § 82 Einkommensteuergesetz geförderte Altersvorsorge (z.B. Riester-Rente) leistet. Dann ist der Beitrag auch bei geringem Einkommen als notwendig anzuerkennen, soweit der Vertrag nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert ist (Altersvorsorgevertrag).
Nach Erreichen der Altersgrenze keine Anerkennung mehr
Erreicht der Unterhaltspflichtige die gesetzliche Altersgrenze, sind Aufwendungen für eine private Altersvorsorge grundsätzlich nicht mehr abzugsfähig. Denn mit Eintritt in das Rentenalter ist regelmäßig der Lebensabschnitt erreicht, für den mit Rücksicht auf die sinkenden Einkünfte Vorsorge getroffen worden ist (BGH, FamRZ 2010,1535). Tritt ein Unterhaltspflichtige jedoch vorzeitig in den Ruhestand, bleibt es ihm weiterhin gestattet, bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze seine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen (BGH FamRZ 2010, 1535). Seine Aufwendungen für die private Altersvorsorge sind dann weiterhin abzugsfähig, wenn auch nur bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze.
EXPERTENTIPP
Bezugsberechtigung prüfen
Die Trennung bzw. Scheidung sollte Anlass sein, die Bezugsberechtigung in der Lebensversicherungspolice zu prüfen. Ist dort der Ehepartner als bezugsberechtigte Person eingetragen, dürfte sich das Interesse, dem Ehepartner im Fall des eigenen Ablebens die Versicherungssumme zukommen zu lassen, ändern. Sie sollten die Bezugsberechtigung prüfen und gegebenenfalls eine andere bezugsberechtigte Person benennen. Um im Zweifel die Abzugsfähigkeit besser zu begründen, könnte sich empfehlen, das unterhaltsberechtigte Kind als bezugsberechtigte Person zu bestimmen.
Risikolebensversicherung beim Kindesunterhalt
Unterhält der unterhaltspflichtige Elternteil eine Risikolebensversicherung, sind die Prämien bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens abzugsfähig. Die Berücksichtigung sei gerechtfertigt, da der Abschluss und der Fortbestand einer Risikolebensversicherung die Unterhaltsansprüche eines Kindes für den Fall absichert, dass der Unterhaltsverpflichtete verstirbt (OLG München, Beschluss v. 14.1.02, 26 UF 1456/01). Inwieweit die Abzugsfähigkeit auch dann begründet ist, wenn der Unterhaltspflichtige den Mindestunterhalt für das Kind nicht zahlen kann, wurde nicht entschieden.
Praxisbeispiel
Beiträge zur Altersvorsorge im Ausland
Leistet der Unterhaltspflichtige Beiträge in ein ausländisches Rentensystem, kommt es darauf an, ob die Beitragszahlungen mit dem Zweck einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge in Deutschland vergleichbar sind. Beispiel: Das Rentensystem in der Schweiz besteht aus drei Säulen. Die erste und zweite Säule entsprechen der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Die dritte Säule hat die zusätzliche private Altersvorsorge im Blick. Beiträge, die über die möglichen Zahlungen in die erste und zweite Säule hinausgehen, sollen nicht berücksichtigungsfähig sein, auch wenn damit die dritte Säule bedient wird (OLG Koblenz, FamRZ 2021, 1473).
Alles in allem
Altersvorsorge hat einen hohen Stellenwert. Soweit der Prämienaufwand mit Unterhaltsansprüchen konkurriert, ist in der Abwägung festzustellen, welches Interesse Vorrang hat. Unabhängig davon, ob Sie unterhaltspflichtig oder unterhaltsberechtigt sind: Im Einzelfall ist stets zu prüfen, inwieweit der Altersvorsorgeaufwand beim bereinigten Nettoeinkommen zu berücksichtigen ist. Wir verschaffen Unterhaltsberechtigten wie auch –pflichtigen Klarheit in dieser Frage – möchten Sie den Unterhalt also berechnen lassen, finden Sie hier ein großes FAQ dazu. Wir freuen uns auf Ihren Antrag, der noch ohne verbindliche Kosten ist. Sie zahlen erst bei einer schriftlichen Auftragserteilung an die Kooperationskanzlei*.