Wohnt der Elternteil im eigenen Haus und hat das Haus über einen Immobilienkredit finanziert, ist zu klären, ob der Immobilienkredit das Einkommen und damit den Kindesunterhalt reduziert. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können sowohl die Zins- als auch die Tilgungsleistungen abgezogen werden, allerdings nur in Höhe des Wohnvorteils. Dass jemand die Tilgung komplett stoppen muss, kommt kaum vor. Wie sich all dies bei Ihnen oder Ihrem Ex-Partner konkret auswirkt, erfahren Sie gerne über unsere Online-Unterhaltsberechnung – hier geht’s zum Formular!
Sind Immobilienkredite beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen?
Kindesunterhalt bemisst sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Die Höhe hängt vom unterhaltsrelevanten, sogenannten bereinigten Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes ab.
Um das bereinigte Nettoeinkommen festzustellen, sind neben Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Altersvorsorgeaufwendungen auch bestimmte Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Dadurch reduziert sich das Bruttoeinkommen auf das unterhaltsrelevante Nettoeinkommen. Das Bruttoeinkommen wird sozusagen „bereinigt“.
Zu den berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gehören auch Immobilienkredite, mit denen der unterhaltspflichtige Elternteil ein Eigenheim oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung finanziert hat. Auch Immobilienkredite reduzieren das unterhaltsrelevante bereinigte Nettoeinkommen.
Unter welchen Voraussetzungen sind Immobilienkredite abzugsfähig?
In seiner früheren Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof lediglich zugelassen, dass die Zinsen berücksichtigt werden. Grund war, dass die Zinsen notwendigerweise anfallen, damit der Elternteil im eigenen Haus wohnen kann. Würde er nämlich nicht im Haus wohnen, müsste er Miete bezahlen. Da die Mietzahlungen auf jeden Fall unterhaltsrechtlich als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen wären, müssen auch die Zinsleistungen für den Kredit zur Eigenheimfinanzierung Berücksichtigung finden.
Nach dieser früheren Rechtsprechung wurden die Tilgungsleistungen an die Bank jedoch außer Acht gelassen. Es wurde argumentiert, dass die Tilgungsleistungen der Vermögensbildung dienen und es nicht angehen könne, dass der Elternteil zu Lasten des Kindes Vermögen bildet. Der Kindesunterhalt sei insoweit vorrangig.
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung aber weiterentwickelt und erlaubt es jetzt, dass der Elternteil bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen für die Finanzierung der Wohnimmobilie in Abzug bringen darf (BGH, Beschluss vom 9.3.2022, Az. XII ZB 233/21).
Danach sind die Tilgungsleistungen anzurechnen, allerdings nur bis zu der Grenze, an der der sogenannte Wohnvorteil aufgebraucht ist. Ohne die Zins- und Tilgungsleistungen hätte der Elternteil nämlich keinen Wohnvorteil und müsste Miete bezahlen. Die Miete wäre auf jeden Fall als Verbindlichkeit zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich noch die Frage, was der Wohnvorteil ist und in welchem Zusammenhang der Wohnvorteil zu den Zins- und Tilgungsleistungen steht.
Wenn (Teil der) Miete relevant ist, ist es auch (Teil des) Immokredits
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Dadurch, dass der unterhaltspflichtige Elternteil im eigenen Haus wohnt und die Miete für eine Mietwohnung spart, hat er einen Wohnvorteil. Dieser Wohnvorteil gilt als geldwerter Vorteil und erhöht das unterhaltsrelevante Einkommen. Das Einkommen wird fiktiv um einen Betrag erhöht, den der Elternteil für das mietfreie Wohnen im eigenen Haus erspart. Genau aus diesem Grund darf der Elternteil die Zins- und Tilgungsleistungen für den Immobilienkredit in Abzug bringen. Der Abzug ist aber in der Höhe beschränkt. Die Zins- und Tilgungsleistungen sind nur bis zur Höhe des Wohnvorteils in Abzug zu bringen. Liegen die Zins- und Tilgungsleistungen über dem Wohnvorteil, bleibt der überschießende Teil unberücksichtigt.
Um den Wohnvorteil zu bemessen, ist zu klären, wie die Höhe dieses Gebrauchsvorteils im Einzelfall berechnet wird. Wohnt der Elternteil selbst in der Wohnung, ist der Vorteil zu ermitteln, der ihm persönlich durch die Nutzung des Wohneigentums entsteht. Die Feststellung wirft in der Praxis oft Probleme auf, weil anhand der individuellen Verhältnisse die ersparte Miete festzustellen ist. Überwiegend wird darauf abgestellt, was der Elternteil bei einer Fremdvermietung an Miete erzielen könnte (BGH FamRZ 2021, 186). Um diese festzustellen, wird im Regelfall auf die ortsübliche Miete zurückzugreifen sei.
Praxisbeispiel
Praxisbeispiel: Haus mit ortsüblicher Miete von 700 €
Herr Müller wohnt nach der Trennung von Frau Müller im eigenen Haus. Das Haus misst 100 m² Wohnfläche und ist in einem guten baulichen Zustand. Würde Herr Müller ein ähnliches Haus anmieten, müsste er dafür eine ortsübliche Miete von ca. 700 € zahlen. Dies ist sein Wohnvorteil. Er muss sich 700 € als zusätzliches Einkommen anrechnen lassen. Beträgt der Kapitaldienst 780 € monatlich, kann Herr Müller sein Einkommen um 700 € Zins- und Tilgungsleistungen reduzieren.
Was ist, wenn durch den Kreditabzug der Mindestunterhalt gefährdet wird?
Wird der Immobilienkredit beim Einkommen berücksichtigt, kann es sein, dass der unterhaltspflichtige Elternteil nicht mehr den Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes bezahlen kann. In diesem Fall gibt es eine weitere Einschränkung. Denn: Gegenüber einem minderjährigen Kind steht der Elternteil in einer gesteigerten Unterhaltspflicht. Dies hat zur Konsequenz, dass der Elternteil alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes einsetzen muss.
Kann der Elternteil nicht mehr den Mindestunterhalt zahlen, ist er ausnahmsweise verpflichtet, eine realistische und zumutbare Tilgungsstreckung vorzunehmen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine sehr hohe Tilgungsrate vereinbart ist oder die Immobilie fast vollständig abbezahlt wurde. Dann muss der Elternteil in Absprache mit der Bank versuchen, die Tilgung zu strecken, um den Mindestunterhalt zu gewährleisten. Eine vollständige Aussetzung der Tilgung wird dem Elternteil aber nicht zugemutet.
Neue Kreditaufnahme für Haus trotz Unterhaltspflicht für ein Kind?
Eine gleichermaßen zu beurteilende Situation ergibt sich, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nach der Trennung oder Scheidung vom Partner ein Haus kauft und zur Finanzierung des Kaufpreises einen Kredit aufnimmt. Ist der Elternteil gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig, muss er auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes die gebotene Rücksicht nehmen und den Kauf oder den Bau eines Eigenheims zumindest insoweit zurückstellen, als er nicht in der Lage wäre, den Mindestunterhalt zu zahlen (BGH FamRZ 1982, 158).
Kann es sein, dass Unterhalt und sonstige Forderungen gleichwertig sind?
In der Diskussion ist immer wieder zu hören, dass gemäß § 1603 Abs. I BGB nur derjenige unterhaltspflichtig ist, der „unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen“ imstande ist, Kindesunterhalt zu zahlen. Daraus wird die vermeintliche Konsequenz gezogen, dass Unterhalt keinen Vorrang vor den Forderungen anderer Gläubiger genießt und deshalb Kreditverpflichtungen bei der Bestimmung des unterhaltsrelevanten Einkommens uneingeschränkt Berücksichtigung finden müssen. Diese Diskussion sollte sich mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.3.2022 erledigt haben. Der Mindestunterhalt für das Kind hat jedenfalls Vorrang. Erst danach sind sonstige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.
Alles in allem
Ein unterhaltspflichtiger Elternteil kann nur leisten, wozu er/sie finanziell in der Lage ist. Wohnt der Elternteil im eigenen Haus, ist es konsequent, den Wohnvorteil zu berücksichtigen und die dafür notwendigerweise anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen als Verbindlichkeiten anzuerkennen. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung diese Einschätzung bestätigt, indem er einerseits auf die Gewährleistung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder abstellt und andererseits den unterhaltspflichtigen Elternteil nicht über Gebühr belastet. Haben Sie noch Fragen hierzu, wenden Sie sich gern an unseren InfoPoint, der Ihnen tagsüber unter der kostenfreien Nummer 0800 34 86 72 3 gerne weiterhilft!