Verbüßt das Kind eine Jugendstrafe, stellt sich die Frage, ob von den Eltern zu erwarten ist, dass sie trotz der Inhaftierung des Kindes weiterhin Kindesunterhalt zahlen müssen. Diese Fragestellung taucht wohl seltener auf als die Frage, ob ein Elternteil in Haft noch Unterhalt zahlen muss. Da es hierzu also, soweit ersichtlich, bislang keine Rechtsprechung gibt, kann sich die Antwort nur aus unterhaltsrechtlichen Grundsätzen ergeben.
Was ist eine Jugendstrafe?
Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren unterliegen dem Jugendstrafrecht. Auch ein Heranwachsender im Alter zwischen 18 und 20 Jahren wird nach dem Jugendstrafrecht verurteilt, wenn er nach seiner Entwicklung nach noch auf dem Stand eines Jugendlichen ist oder es sich um eine typische Jugendverfehlung handelt und die Tat vor dem 21. Geburtstag begangen wurde. Das Jugendstrafrecht gilt nicht nur für einzelne Straftaten, sondern für alle Straftaten, die es nach dem allgemeinen Strafrecht gibt.
Um der Persönlichkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden besser gerecht zu werden, sieht das Jugendstrafrecht ausdrücklich die Jugendstrafe vor. Das Gericht verhängt eine Jugendstrafe,
- wenn in der Person des Jugendlichen zum Zeitpunkt der Tat und zur Zeit der Gerichtsverhandlung entweder „schädliche Neigungen“ festgestellt werden
- oder die Verhängung einer Jugendstrafe wegen der besonderen Schwere der Schuld notwendig ist.
Wird die Jugendstrafe ohne Bewährung verhängt, werden Jugendliche und Heranwachsende in eine spezielle Justizvollzugsanstalt eingewiesen. Im Jugendstrafvollzug spielt der Erziehungsgedanke eine wesentliche Rolle.
GUT ZU WISSEN
Strafrahmen bei Jugendstrafe
Die Jugendstrafe beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 5 Jahre. Bei besonders schweren Taten, die im Erwachsenenstrafrecht mit Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren bedroht sind, beträgt die Jugendstrafe bis zu 10 Jahren. Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist (§ 18 Abs. 2 JGG). Die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts gelten nicht.
Hat das Kind in der Haft Anspruch auf Kindesunterhalt?
Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bemisst sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen und ist als angemessener Unterhalt zu gewähren. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf. Zum Unterhaltsbedarf gehören die zum Leben unentbehrlichen Aufwendungen für
- Wohnen,
- Ernährung,
- Bekleidung,
- Ausbildung,
- Gesundheit
- sowie ein altersgerechtes Taschengeld.
Hierbei sollte man einen Unterschied machen, ob das Kind minderjährig ist oder das 18. Lebensjahr vollendet hat und als Heranwachsender eine Jugendstrafe verbüßt. Ist das Kind minderjährig, hat es dem Grundsatz nach immer Anspruch auf Kindesunterhalt. Vollendet das Kind das 18. Lebensjahr und wird volljährig, ist es dem Grundsatz nach für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich. Anspruch auf Kindesunterhalt besteht dann nur, wenn das Kind im Haushalt eines Elternteils lebt und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befindet. Ein volljähriges Kind, das eine Jugendstrafe verbüßt, wird im Regelfall also allein schon aus diesem Gesichtspunkt heraus kaum einen Anspruch auf Kindesunterhalt geltend machen können.
Ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern kann wieder aufleben, wenn das Kind nach der Entlassung aus der Haft eine Schul- oder Berufsausbildung aufnimmt und insoweit unterhaltsrechtlich bedürftig ist. Insoweit verändert sich der unterhaltsrechtlichen Beurteilung.
Keine wirtschaftliche Bedürftigkeit während Haft
Verbüßt das Kind, sei es minderjährig oder volljährig, eine Jugendstrafe und befindet sich in der Justizhaftanstalt, ist es nicht darauf angewiesen, dass es sich selbst unterhalten muss. Vielmehr steht der Staat in der Verantwortung, für das inhaftierte Kind zu sorgen. Das Kind wird in der Anstalt untergebracht, verpflegt und versorgt. Diese Leistungen decken normalerweise den gesamten Lebensbedarf des inhaftierten Kindes ab.
Praxisbeispiel
Kein Unterhalt während Wehr- und Zivildienst
Hilfreich ist, wenn man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes heranzieht, wenn ein Soldat Wehrdienst leistet und einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern geltend macht (BGH Urteil vom 29.11.1989, Az. IV b ZR 16/89). Hier wurde darauf abgestellt, dass der Staat verpflichtet ist, einen in der Kaserne untergebrachten Soldaten angemessen zu versorgen. Da eine Kaserne aber nicht mehr den Lebensmittelpunkt junger Soldaten darstellt, wie dies in früheren Jahren vielleicht noch der Fall gewesen war und Soldaten nach Dienstschluss regelmäßig die Kaserne zu Freizeitzwecken verlassen, kann sich ein zusätzlicher Unterhaltsbedarf ergeben.
Insoweit könne nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Kasernierung den Unterhaltsbedarf der Soldaten prägt und abdeckt. Die Kasernierung bestimme den Unterhaltsbedarf allenfalls während der Dienststunden, nicht aber außerhalb dieser Dienststunden. Der für den Dienst bezahlte Wehrsold decke nicht unbedingt den Unterhaltsbedarf ab. Insoweit könne im Einzelfall ein besonderer Unterhaltsbedarf bestehen, den der Wehrpflichtige aus seinem Wehrsold nicht befriedigen könne.
Um einen besonderen Unterhaltsbedarf geltend zu machen, müsste der Wehrpflichtige Umstände vortragen, auf denen sein Mehrbedarf beruht:
- Derartiges komme in Betracht, wenn die Eltern den Wehrpflichtigen vor dem Wehrdienst die Eingehung von nicht unbedeutenden, wiederkehrenden Verpflichtungen ermöglicht haben (z.B. Bezug von periodisch erscheinenden Veröffentlichungen, Mitgliedschaften in einem Sportverein, Musikunterricht, u.ä.).
- Wäre eine Beendigung der Verpflichtung nicht möglich, wirtschaftlich unvernünftig oder unzumutbar, müsste der Wehrpflichtige die insoweit anfallenden, erheblichen Kosten weiter tragen.
- Aus diesem Umstand könnte sich dann ein besonderer Unterhaltsbedarf ergeben. Diesen besonderen Unterhaltsbedarf müssten die unterhaltsrechtlichen Elternteile dann abdecken.
Ähnlich hat das Oberlandesgericht Hamburg im Hinblick auf den Zivildienst entschieden (OLG Hamburg FamRZ 1987, 409).
Überträgt man diese Grundsätze auf die Inhaftierung aus Anlass eines Jugendarrestes, sollte davon auszugehen sein, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes in der Haftanstalt abgedeckt ist. Allenfalls dann, wenn das inhaftierte minderjährige Kind einen besonderen Unterhaltsbedarf konkret nachweisen kann, kommt ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern in Betracht. Ist das Kind volljährig und für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich, dürfte auch ein besonderer Unterhaltsbedarf keinen Unterhaltsanspruch gegen die Eltern begründen können.
Ein besonderer Unterhaltsbedarf könnte sich daraus ergeben, dass der Jugendliche eine Wohnung angemietet hat, die er trotz der Inhaftierung nicht aufgeben möchte. Ob sich hieraus ein besonderer Unterhaltsbedarf begründen lässt, sollte davon abhängig sein, ob es dem Jugendlichen zuzumuten ist, die Wohnung zu kündigen, inwieweit er während der Kündigungsfrist noch Miete zahlen muss oder ob es im Hinblick auf seine soziale Integration nach der Haft vielleicht besser wäre, die Wohnung beizubehalten.
Soweit der Jugendliche in der Haft eigenes Geld verdient, vermindert sich insoweit seine Bedürftigkeit und infolgedessen auch sein Anspruch auf einen eventuell bestehenden Unterhaltsanspruch gegen die Eltern.
Anspruch gegen beide Elternteile
Ein eventuell begründeter Unterhaltsanspruch richtet sich gegen beide Elternteile. Soweit das Kind nach der Scheidung der Eltern nicht mehr im Haushalt eines Elternteils lebt und betreut wird, sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Soweit der minderjährige Unterhaltsberechtigte seine Wohnung während der Verbüßung der Jugendstrafe bei einem Elternteil beibehält, begründet allein dieser Umstand noch keinen Anspruch auf Barunterhalt, da der bislang betreuende Elternteil seine Betreuungspflicht noch Genüge tut.
Alles in allem
Verbüßt ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Jugendstrafe und wird dazu in eine Justizvollzugsanstalt eingewiesen, besteht im Regelfall kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern. Mit der Haft wird der Unterhaltsbedarf gewährleistet. Ein Unterhaltsanspruch kommt allenfalls in Betracht, wenn das inhaftierte Kind einen besonderen Unterhaltsbedarf nachweist, der konkret einen Mehrbedarf begründet.