Als Zeuge im Unterhaltsprozess

Mann Frau Vor Gerichtsgebaeude iurFRIEND® AG

Montag, 05.04.2021 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

In einem Unterhaltsprozess geht es um die Frage, ob eine Person (Unterhaltsgläubiger) Anspruch auf Unterhalt hat und umgekehrt: ob diejenige Person, die Unterhalt zahlen soll (Unterhaltsschuldner) berechtigt ist, den Unterhaltsanspruch zu verweigern.

Wie in jedem gerichtlichen Verfahren muss derjenige, der etwas behauptet, dafür auch Beweise erbringen. Wichtigste Beweismittel im Unterhaltsprozess sind meist Urkunden und Schriftstücke. Als Beweismittel kommt aber auch die Aussage von Zeugen in Betracht. Die Aussage eines Zeugen im Unterhaltsprozess kann jedoch aufgrund der familiären Verbindungen problematisch sein. Oft geht es um die Frage, ob und inwieweit ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht und in welchen Fällen trotzdem eine Zeugnispflicht begründet ist.

Wann haben Angehörige ein Zeugnisverweigerungsrecht?

Geht es um unterhaltsrechtliche Fragen, können nahe Angehörige dazu beitragen, den Sachverhalt aufzuklären. Um Angehörige jedoch keinem Loyalitätskonflikt auszusetzen, gesteht das Gesetz nahen Angehörigen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. So dürfen

  • Verlobte,
  • der Ehepartner einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht und
  • diejenigen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt (Kinder, Eltern)
  • oder verschwägert sind,

die Aussage in einem Prozess aus persönlichen Gründen verweigern (§ 383 ZPO). Dabei geht es darum, die Auskunftsperson vor einem möglichen Gewissenskonflikt zwischen der Wahrheitspflicht und dem vielfach vorhandenen Bestreben zur Begünstigung des nahestehenden Beteiligten zu bewahren. Wird ein naher Angehöriger in einem Unterhaltsprozess als Zeuge benannt, wird er vom Gericht geladen und muss im mündlichen Verhandlungstermin persönlich erscheinen.

 

Darüber hinaus besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen, wenn der Zeuge mit seiner Aussage sich selbst wirtschaftlich schädigen würde (§ 384 ZPO). Beruft sich der Zeuge dann auf ein aus persönlichen oder sachlichen Gründen bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht, muss das Gericht prüfen, ob das Zeugnisverweigerungsrecht zu Recht besteht oder nicht.

Können auch Kinder Zeugen sein?

Kinder können Zeugen sein, wenn von ihnen eine verständliche Aussage zu erwarten ist. Eine feste Altersgrenze besteht nicht. In einem Unterhaltsprozess dürfte die Aussage von Kindern eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dies hängt damit zusammen, dass es meist um vermögensrechtliche Fragen geht, zu den Kindern wenig beitragen können. Zum anderen ist damit immer die Schwierigkeit verbunden, dass Sie das Kind möglicherweise einem besonderen Loyalitätskonflikt aussetzen und die Aussage eines minderjährigen Kindes nicht unbedingt sicher vorherzusagen ist.

Wann besteht trotz Zeugnisverweigerungsrecht eine Zeugnispflicht?

Das Zeugnisverweigerungsrecht ist gesetzlich eingeschränkt. So besteht ausnahmsweise eine Zeugnispflicht, wenn es um Tatsachen geht, die „durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten“ betreffen (§ 385 Abs. I S. 3 ZPO). Dabei geht es um Tatsachen, die ihre Grundlage in den Familienverhältnissen der Parteien haben. Insbesondere geht es dabei um steuerrechtliche und sozialrechtliche Sachverhalte. Aber auch Unterhaltsansprüche zählen zu den familiär bedingten Vermögensangelegenheiten (OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 617).

Beispiele

  • Sie werden auf Ehegattenunterhalt verklagt. Ihr Ex-Ehepartner behauptet, er bzw. sei wirtschaftlich bedürftig und verfüge über kein eigenes Einkommen. Aus sicherer Quelle wissen Sie jedoch, dass der Ehepartner arbeitet. Sie benennen Ihr im Haushalt des Ex-Partners lebendes Kind als Zeugen. Zwar hätte Ihr Kind als naher Angehöriger ein Zeugnisverweigerungsrecht. Da es aber um eine in den Familienverhältnissen bedingte vermögensrechtliche Auseinandersetzung geht (Unterhaltsprozess), könnten Sie Ihr Kind durchaus als Zeugen benennen. Es müsste dann vor Gericht aussagen. Ob Sie Ihrem Kind diese Aussage wirklich zumuten wollen, bleibt Ihre Entscheidung.
  • Ähnlich wäre die Situation, wenn Sie den Unterhaltsanspruch Ihres Ex-Partners mit der Begründung ablehnen, er bzw. sie lebe in einer verfestigten eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Ist dies nachweislich der Fall, besteht die Möglichkeit, den Unterhaltsanspruch vollständig auszuschließen, in der Höhe herabzusetzen oder zeitlich zu befristen (§ 1579 BGB).
  • Sie könnten dann das im Haushalt des Ex-Partners lebende Kind als Zeugen benennen. Hat sich Ihr Ex-Partner mit dem neuen Lebensgefährten verlobt, käme auch der Verlobte als Zeuge in Betracht, ohne dass sich der Verlobte auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnte. Ob ein solcher Zeugenbeweis im Ergebnis wirklich Klarheit bringt, steht auf einem anderen Blatt. Als Zeuge käme auch jede andere Person in Betracht (z.B. Nachbar), die eine Aussage darüber treffen kann, ob eine derartige verfestigte Lebensgemeinschaft tatsächlich besteht.
  • Sie stellen fest, dass das während Ihrer Ehe geborene Kind nicht Ihr leibliches Kind ist. Sie verklagen den vermeintlichen biologischen Vater auf Schadensersatz und verlangen den Unterhalt erstattet, den Sie bislang als rechtlicher Vater für das Kind bezahlt haben. Als Zeugin dafür, dass der biologische Vater tatsächlich der biologische Vater ist, benennen Sie Ihre Frau. Auch wenn Ihre Frau aus persönlichen Gründen die Aussage verweigern könnte, dürfte sie dennoch ausnahmsweise zur Aussage verpflichtet sein, da es sich um eine vermögensrechtliche Aussage handelt.
  • In einem Unterhaltsprozess werden Sie auf Ehegattenunterhalt in Anspruch genommen. Sie haben erfahren, dass Ihr Ex-Partner einer Fachkraft der Erziehungsberatungsstelle anvertraut habe, er bzw. sie gehe einer Arbeit nach, um den Unterhalt für sich und das gemeinsame Kind aufzubessern. Als Zeugin für Ihre Behauptung benennen Sie die Fachkraft der Erziehungsberatungsstelle.
  • Die Zeugin verweigert jedoch im Unterhaltsprozess die Aussage und beruft sich auf die Vorschrift des § 383 Abs. I Nr. 6 ZPO. Danach sind Personen, denen kraft ihres Amtes Tatsachen anvertraut sind, auf die sich die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Nach § 203 Abs. I Nr. 5 StGB machen sich staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen strafbar, wenn sie ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes und ihnen anvertrautes Geheimnis offenbaren. Um sich nicht strafbar zu machen, können sich daher alle in Erziehungsberatungsstellen tätigen Fachkräfte auch im familienrechtlichen Verfahren auf ein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen (OLG Hamm, FamRZ 1992, 201).
  • Ein Elternpaar streitet sich darüber, wem das Kindergeld für das volljährige, im Studium befindliche Kind zusteht. Im Regelfall steht das Kindergeld demjenigen Elternteil zu, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält. Die Mutter behauptete jedenfalls, nach wie vor Anspruch auf das Kindergeld zu haben, da das Kind angeblich bei ihr wohne. Der Vater behauptete, das Kind habe in der Wohnung kein eigenes Bett mehr und lebe in einer eigenen Wohnung. Da das Kind bei keinem seiner Elternteile wohne, stehe das Kindergeld demjenigen Elternteil zu, der den höheren Unterhalt zahlt, in diesem Fall also dem Vater.
  • Der Vater benannte im Unterhaltsprozess den Sohn als Zeugen. Der Sohn wollte sich nicht in den Streit der Eltern hineinziehen lassen. Er berief sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 5.3.2020, Az. III R 59/18) verpflichtete den Sohn zur Aussage. Auch in finanzgerichtlichen Verfahren seien Kinder verpflichtet, bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Der Sohn müsse vor Gericht also aussagen, ob er nach wie vor im Haushalt der Mutter lebe oder nicht.
  • Das Jobcenter verweigerte einem Langzeitarbeitslosen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er sei nicht hilfebedürftig, da er mit seiner Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und deren Einkommen seinen Bedarf decke. Der Arbeitslose klagte seinen Anspruch ein und benannte die Mutter als Zeugin. Die Mutter berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als nahe Angehörige. Das Recht wurde ihr jedoch verweigert, da es um familiäre Vermögensangelegenheiten gehe und die Frage zu klären sei, über welches Einkommen die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfügen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2014, Az. 19 AS 1906/14B).

Alles in allem

In jedem Verfahren vor Gericht geht es um die Frage, wer was beweisen muss. Oft ist es eine Frage der richtigen Strategie, wie Sie Ihre Behauptung vortragen, wann Sie eine Behauptung vortragen und mit welchen Beweismitteln Sie versuchen, Ihre Behauptung zu beweisen. Besprechen Sie also mit Ihrem Rechtsanwalt oder Ihrer Rechtsanwältin, wie Sie Ansprüche im Unterhaltsprozess vortragen und wie Sie sich umgekehrt gegen Forderungen zur Wehr setzen.

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