Kann KI eine Unterhaltsberechnung vornehmen?

Donnerstag, 31.08.2023 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Künstliche Intelligenz kann vieles und wird sicherlich in Zukunft noch viel mehr können. Ob sie aber eine Unterhaltsberechnung vornehmen kann, die im Zweifel vor Gericht so standhaft ist wie die eines Anwalts, erscheint zweifelhaft. Einfach mal das Einkommen und vermeintliche Ausgaben benennen und auf ein zuverlässiges Ergebnis hoffen, klappt nicht. Gerade bei der Unterhaltsberechnung kommt die künstliche Intelligenz schnell an ihre Grenzen. Wir erläutern, warum dies so ist und wohl auch erstmal so bleiben wird. Dabei geht es nicht darum, Künstliche Intelligenz schlecht zu reden. Vielmehr geht es darum, aufzuklären, wie die Kompetenzzuteilung von Mensch zu Maschine aktuell aussieht.

Was kann Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz weiß vieles. Sie weiß aber nur das, was man ihr an Trainingsdaten zur Verfügung (ge)stellt (hat). Dieses Wissen sind vor allem Fakten. Die Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Fakten kann die Künstliche Intelligenz aber im Regelfall nicht recherchieren. Dafür braucht es nach wie vor den menschlichen Verstand. Hinzu kommt, dass die recherchierten Fakten oft nicht aktuell sind.

Praxisbeispiel

Düsseldorfer Tabelle ist von 2021

Fragen Sie die künstliche Intelligenz, wie viel Unterhalt Sie für ein siebenjähriges Kind zahlen müssen, wenn Sie netto 2900 € verdienen, berechnet die künstliche Intelligenz den Kindesunterhalt nach dem Stand der Düsseldorfer Tabelle von 2021. Die aktuelle Tabelle beinhaltet aber die Zahlen vom 1.1.2023. Sie erhalten also ein Ergebnis, das auf veralteten Fakten beruht. Genauso wird es sein, wenn es aktuelle Rechtsprechung zu einer unterhaltsrechtlichen Angelegenheit gibt. Vielfach ist diese Rechtsprechung im Internet nicht veröffentlicht, sondern findet sich nur in familienrechtlichen Fachzeitschriften, die wiederum nur Juristen zugänglich sind.

Kann Künstliche Intelligenz Zusammenhänge erkennen?

Die Künstliche Intelligenz tut sich mindestens schwer, die Zusammenhänge zwischen Fakten zu erkennen. Die Unterhaltsberechnung zielt darauf ab, das unterhaltsrelevante, sogenannte bereinigte Nettoeinkommen der unterhaltspflichtigen Person zu ermitteln. Geben Sie Ihr Bruttoeinkommen ein, benennen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, berufsbedingte Aufwendungen und ehebedingte Verbindlichkeiten, werden Sie schnell feststellen, dass Sie das System überfordern.

Praxisbeispiel

Was genau soll „ehebedingt“ sein?

Das System weiß zwar, dass ehebedingte Verbindlichkeiten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind. Der Begriff „ehebedingt“ ist in der Rechtsprechung anhand vieler Einzelfälle einigermaßen definiert, kann aber nicht pauschal auf alle möglichen Verbindlichkeiten, die in der Ehe begründet wurden, übertragen werden. Hierzu kommt es auf die Gegebenheiten in der Ehe an, insbesondere darauf, aus welchen Motiven und mit welchen Zielen eine Verbindlichkeit durch einen Ehegatten oder durch beide Ehegatten begründet wurden.

Ergebnisse sind nur so gut wie die Daten, die Sie eingeben

Wie Sie in den Wald hineinrufen, schallt es auch zurück. Genauso ist es auch mit der künstlichen Intelligenz. Das Ergebnis, das Sie von der künstlichen Intelligenz bei der Unterhaltsberechnung erwarten dürfen, ist nur so gut wie die Daten, die Sie in das System eingeben. Geben Sie fehlerhafte oder unvollständige Daten ein, erhalten Sie zwangsläufig ein falsches Ergebnis. Gleiches gilt, wenn Sie Verbindlichkeiten geltend machen, die unterhaltsrechtlich nicht relevant sind oder unterhaltsrechtliche Verbindlichkeiten außen vorlassen oder als Laie gar nicht als solche erkennen. Dieses Risiko vermeiden Sie, wenn Sie im Gespräch mit einem Rechtsanwalt alle Fakten erörtern, die für eine zuverlässige Unterhaltsberechnung von Bedeutung sind oder sein können.

Künstliche Intelligenz übernimmt keine Verantwortung

Die Antworten, die Sie von der künstlichen Intelligenz auf eine Frage erhalten, sind vielfach durchaus informativ. Geht es aber um Zusammenhänge und die Einschätzung von Gegebenheiten, übernimmt die Künstliche Intelligenz keine Verantwortung.

 

Zwangsläufig werden Sie darauf hingewiesen, dass es sich empfiehlt, solche Fragen mit einem Fachanwalt für Familienrecht zu klären. Die Künstliche Intelligenz zeichnet sich also von jeglicher Verantwortung frei. Was aber wollen Sie mit einem Ergebnis anfangen, von dem Sie nicht einschätzen können, ob es Ihre Rechtsposition wirklich widerspiegelt? Das Ergebnis taugt vielleicht für eine erste Orientierung, mehr aber auch nicht.

 

Genau darin liegt der Unterschied zu einer professionellen Unterhaltsberechnung. Bei einer solchen ist es Ihre Aufgabe, alle Fakten mitzuteilen, aus denen ein mit der Unterhaltsberechnung beauftragter Rechtsanwalt den maßgeblichen Unterhalt ermitteln kann. Es ist Aufgabe und Verantwortung des Anwalts, die Zusammenhänge zu erkennen und die Fakten so zu verwerten, dass sie bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden oder mangels Relevanz außen vor bleiben. Mit der Unterhaltsberechnung übernimmt der Anwalt auch die Verantwortung dafür, dass der Unterhaltsberechnung auf der Grundlage Ihrer Angaben korrekt ist.

Gegenseite würde Unterhaltsberechnung durch KI sofort angreifen

Sollte die Gegenpartei die Unterhaltsberechnung bestreiten, ist es weiter Aufgabe Ihres Anwalts, die Einwendungen entweder zurückzuweisen oder berechtigte Einwendungen in die Unterhaltsberechnung einfließen zu lassen. Die Künstliche Intelligenz ist hierbei keine Hilfe. In unterhaltsrechtlichen Angelegenheiten ist damit zu rechnen, dass die Gegenpartei auf ihr genehme Rechtsprechung verweist. Dann ist es Aufgabe Ihres Anwalts, diese Rechtsprechung zu prüfen und gegebenenfalls dagegen zu argumentieren.

 

Kommt es dann letztlich tatsächlich darauf an, die Unterhaltsrechtsfrage gerichtlich zu klären, sind Sie ohnehin auf anwaltliche Hilfe angewiesen. Bei den Familiengerichten besteht Anwaltszwang. Die Künstliche Intelligenz kann also Ihren Anwalt nicht ersetzen. Sie können bei Gericht schlecht damit argumentieren, dass Künstliche Intelligenz der Ansicht sei, Ihre Unterhaltsforderung sei begründet oder Sie seien im Recht, wenn Sie eine Unterhaltsforderung zurückweisen. Künstliche Intelligenz ist kein Ersatz für Rechtsprechung und anwaltliche Vertretung.

Alles in allem

Fordern Sie Unterhalt oder müssen Sie Unterhalt zahlen, brauchen Sie eine zuverlässige Grundlage, um Ihre Position zu begründen. Wenn Sie über Unterhalt verhandeln, brauchen Sie eine zuverlässige Grundlage. Ist Ihre Prämisse fehlerhaft, werden Ihre Verhandlungen schnell ins Leere laufen, weil die Gegenseite mit hoher Wahrscheinlichkeit auf diese Fehlerhaftigkeit zugreift und für die eigene Position nutzt. Wenn Sie also tatsächlich über Unterhalt reden wollen, brauchen Sie eine zuverlässige Grundlage. Diese Grundlage erhalten Sie nur, wenn Sie die Unterhaltsberechnung professionell durchführen lassen.

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