Geht es ums Geld, wird gern gefeilscht. Gerade, wenn die Zahlung von Unterhalt zur Debatte steht, will der Unterhaltsempfänger möglichst viel davon haben, während der Unterhaltszahler möglichst wenig zahlen möchte. Dass sich Unterhalt ab einem bestimmten Punkt verhandeln ließe bzw. etwas anderes als ein Kuhhandel überhaupt nicht möglich sei, ist ein viel zitiertes Narrativ aus Internetforen. Was ist dran an diesen Angst machenden Geschichten, die insbesondere mit der Volljährigkeit des Empfängers beginnen? Lassen sich bestehende Gesetze einfach so außer Kraft setzen?
Alles beginnt mit einer Forderung
Allem Unterhalt wohnt ein Anspruch inne... Dazu sind die gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen, unter denen Kindes, Trennungs- oder Ehegattenunterhalt gezahlt wird. Steht dem Grunde nach fest, dass der Unterhaltsanspruch besteht, ist im nächsten Schritt die Höhe des zu zahlenden Unterhalts zu bestimmen. Umgekehrt muss derjenige, der eine Unterhaltsforderung ablehnt, begründen, warum abgelehnt wird. Die Begründung der Forderung oder deren Ablehnung hat mithin auch Auswirkungen auf die Höhe des zu zahlenden Unterhalts.
Kann ich über den Kindesunterhalt verhandeln?
Es ist nicht so, dass die sogenannte Düsseldorfer Tabelle den Kindesunterhalt abschließend bestimmt. Die Tabelle ist lediglich eine Orientierungshilfe. Die dort genannten Beträge hängen davon ab, wie das unterhaltsrelevante bereinigte Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils bestimmt wird. Über dessen Bestimmung lässt sich oft trefflich streiten. Dabei sind mithin eine Reihe von Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, über deren Anerkennung oft unterschiedliche Ansichten bestehen. Insoweit lässt sich durchaus behaupten, dass man über die Anerkennung einer Verbindlichkeit verhandeln und das Ergebnis bestimmt, wie hoch der zu zahlende Unterhalt ausfällt.
Steht der zu zahlende Unterhalt jedoch fest, ist das Ergebnis nicht verhandelbar. Das Kind hat den gesetzlich begründeten Anspruch, dass der ermittelte Unterhaltsbetrag unverändert bezahlt wird. Insbesondere verbietet das Gesetz, dass auf künftig entstehende Unterhaltsansprüche verzichtet wird (§ 1614 BGB).
Ist der Kindesunterhalt verhandelbar, wenn das Kind volljährig wird?
Vollendet das Kind das 18. Lebensjahr und wird volljährig, hat es immer noch Anspruch auf Kindesunterhalt, sofern es eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert. Die Eltern sind gesetzlich verpflichtet, dem Kind eine Ausbildung zu ermöglichen und haben dem Kind Ausbildungsunterhalt zu zahlen.
Auch dieser Unterhaltsanspruch ist, wenn er nach Maßgabe des bereinigten Nettoeinkommens der Elternteile und Düsseldorfer Tabelle beziffert wurde, nicht verhandelbar. Insbesondere bestimmt die Düsseldorfer Tabelle, dass ein auswärts lebendes studierendes Kind Anspruch auf 930 € Unterhalt hat. Eigenes Einkommen wie BAföG oder Kindergeld werden allerdings in voller Höhe angerechnet.
Ein Ansatz für Verhandlungen könnte allenfalls darin bestehen, dass ein Elternteil nicht in der Lage ist, einen eventuell bestehenden Anspruch des Kindes vollständig zu bedienen. Wird das Kind volljährig, sind nämlich beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Die Unterhaltspflicht bestimmt sich anteilig nach den Einkommensverhältnissen des jeweiligen Elternteils. Kann ein Elternteil seinen Anteil nicht leisten, könnte sich das Kind veranlasst sehen, mit dem anderen leistungsfähigen Elternteil einen höheren Barunterhalt zu verhandeln. Erklärt sich dieser Elternteil dazu bereit, ist die Erklärung freiwilliger Natur und beinhaltet keine Anerkennung irgendwelcher Rechtspflichten.
EXPERTENTIPP
Düsseldorfer Tabelle ist mehr als eine Empfehlung
Das häufig zu hörende Argument, die Düsseldorfer Tabelle sei doch lediglich eine Orientierungshilfe, ist ein Irrtum. Zwar dient die Tabelle tatsächlich der Orientierung, wird aber in der gerichtlichen Praxis weitgehend als allgemeinverbindlich betrachtet. Der Kindesunterhalt wird nach Maßgabe der gleichfalls in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Anmerkungen sowie den dazu ergangenen Leitlinien der Oberlandesgerichte bemessen. Die Gerichte bestimmen den Kindesunterhalt so gut wie immer nach der Düsseldorfer Tabelle, auch wenn im Einzelfall Abweichungen möglich bleiben.
Ist auch Trennungs- oder Ehegattenunterhalt Verhandlungssache?
Geht es um die Bemessung von Trennungs- oder nachehelichem Ehegattenunterhalt gibt es keine der Düsseldorfer Tabelle vergleichbare Orientierungshilfe. Die Höhe des Unterhalts hängt von den ehelichen Lebensverhältnissen und dem Lebensbedarf des unterhaltsbedürftigen Partners sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Partners ab.
Auch wenn das maßgebliche unterhaltsrelevante Einkommen beider Partner feststeht, wird in der gerichtlichen Praxis regelmäßig über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts verhandelt. Verhandlungen gebieten sich auch insoweit, als eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht unbedingt die beste Empfehlung ist. Oft stehen beide Partner als Verlierer da.
Eine viel bessere Empfehlung besteht darin, dass sich die Partner außergerichtlich in einer Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung über die Höhe des Unterhalts verständigen. Insoweit sollte es ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft darstellen, eine kostenträchtige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden und letztlich im Interesse beider Partner eine zügige Regelung herbeizuführen, wie viel Liquidität beiden Partnern zum Leben übrigbleibt.
Welche Konsequenzen hat die Aussage "Dann geh ich halt nicht mehr arbeiten“?
Unterhalt zahlen ist für den einen eine Freude, für den anderen eine Belastung, deretwegen ihm (scheinbar) andere Genüsse des Lebens nicht mehr offenstehen. Dann kommt schnell der Trotz zum Vorschein, dass der Unterhaltspflichtige vorgibt, nicht mehr arbeiten zu wollen und kein Geld mehr für den Unterhalt zu verdienen. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass kein Unterhalt fällig wird, wenn kein Einkommen vorhanden ist.
Die Rechtsprechung hat diese Thematik aufgegriffen. Stichwort hierbei ist das „fiktive Einkommen“, also ein Einkommen, das der Unterhaltspflichtige theoretisch erzielen könnte, wenn er gewillt und fähig wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und Geld zu verdienen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Unterhaltspflichtige sich ein theoretisch erzielbares, sprich fiktives Einkommen anrechnen lassen muss, wenn er/sie aus selbst verschuldeten Gründen nicht arbeitet, obwohl er/sie in zumutbarer Art und Weise arbeiten könnte.
Praxisbeispiel
So nicht!
Der Vater eines minderjährigen Kindes hielt sich für nicht leistungsfähig, da er von Leistungen das Jobcenter lebte und aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen keinen Job finden könne. Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 27.6.2019, 10 UF 139/17) stellte klar, dass er sich nicht darauf berufen könne, nicht leistungsfähig zu sein. Bemühe er sich nicht ausreichend und nachweisbar um Arbeit, sei ihm ein fiktives Einkommen anzurechnen. Der Mann müsse sich so behandeln lassen, als hätte er eine nach seinen Fähigkeiten gut bezahlte Stelle angenommen.
Alles in allem – im Zweifel erst berechnen, dann verhandeln
Besteht Anspruch auf Kindesunterhalt, sollte der Unterhalt im Hinblick auf die elterliche Verantwortung gezahlt werden. Dabei kann es sich als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft erweisen, sich im Verhandlungsweg über den Unterhalt zu verständigen. Dies gilt insbesondere, wenn dadurch eine streitige und eventuell vor Gericht geführte Auseinandersetzung vermieden wird. Sie benötigen jedoch eine Grundlage, auf der Sie verhandeln können, ohne von der Gegenseite und/oder kostenlosen Internetrechnern hinters Licht geführt zu werden. In unserem Onlineformular zur Beantragung einer Unterhaltsberechnung können Sie in Punkt 3 „Anlass der Unterhaltsberechnung“ übrigens einfach „Aus Interesse…“ auswählen. Die Berechnung kostet dann trotzdem noch Geld, aber Sie weisen damit darauf hin, dass Sie sich nicht zwingend auf den Klageweg begeben möchten.
Nichtsdestominder wünschen wir Ihnen zunächst nur das Beste und freuen uns gleichzeitig, von Ihnen zu hören oder lesen!