Bei Studiengängen mit besonders langen Studienzeiten könnten Eltern der Gedanke kommen, das Kind könne oder müsse sich schon vor Ende des Studiums selbst unterhalten. Schließlich hat das Kind bei den entsprechenden Studiengängen Jura, Lehramt oder Medizin beste Chancen, im späteren Beruf so viel Geld zu verdienen, dass es eventuelle Verbindlichkeiten leicht zurückzahlen kann. Doch wie sieht die Realität aus?
Welches sind die Studiengänge mit den längsten Regelstudienzeiten?
An deutschen Ausbildungsstätten sieht das wie folgt aus.
Medizin
Die Regelstudienzeit in Medizin beträgt zwölf Semester. Die meisten Studenten schließen ihr Medizinstudium in 12 Semestern und drei Monaten ab, da die Prüfungszeiten hier noch jeweils hinzugerechnet werden müssen.
Jura
Im Jurastudium beträgt die Regelstudienzeit acht Semester. Ist im Regelfall noch ein Prüfungssemester hinzuzurechnen. Jurastudenten brauchen im Schnitt aber 11,3 Semester, bis sie das Studium mit dem ersten Staatsexamen abschließen. Studenten haben mit vielerlei bürokratischen Hürden zu kämpfen. Das Staatsexamen kann nur zweimal im Jahr absolviert werden. Die Korrektur der Prüfungsaufgaben dauert mindestens drei bis sechs Monate. Erst wenn die Ergebnisse bekannt sind, kann die mündliche Prüfung ins Auge gefasst werden. Auch hier sind ca. drei Monate zu veranschlagen. Problematisch ist, dass immer nur ein Schritt nach dem anderen in Angriff genommen werden kann und der Student so gut wie keine Möglichkeit hat, den Ablauf zeitlich oder organisatorisch irgendwie zu beeinflussen. Nach dem ersten Staatsexamen wird der junge Jurist als Referendar in den Staatsdienst übernommen. Das Referendariat dauert nochmals ca. drei Jahre und schließt mit dem zweiten Staatsexamen ab.
Lehramt
Das Lehramtsstudium gliedert sich in eine erste Phase an der Uni und die praktische Ausbildung. Die Länge hängt von der gewählten Schulform ab. Das Lehramtsstudium ist an vielen Universitäten auf Bachelor/ Master umgestellt worden, so dass der erste Teil ca. zehn Semester dauert. Die Dauer des Referendariats ist in den Bundesländern unterschiedlich.
GUT ZU WISSEN
Pilotenausbildung kürzer, aber teurer
Absolviert ein Abiturient eine Ausbildung zum Piloten, dauert diese nicht so lange wie die vorgehend beschriebenen Studiengänge, sie ist jedoch im Vergleich dazu sehr kostenintensiv (in der Regel zwischen 60.000 bis 100.000 €). Die Ausbildung zum Piloten dauert in der Regel mindestens zwei Jahre. Wer bei der Lufthansa zum Piloten ausgebildet wird, bekommt die Kosten für die Ausbildung zunächst vorgestreckt. Wird die Ausbildung abgeschlossen, muss der Pilot die Kosten ratenweise von seinem Gehalt zurückzahlen. Zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten bietet beispielsweise Lufthansa ihren Flugschülern auch ein Darlehen an. Bei kleineren privaten Airlines ist es durchaus weitgehend üblich, dass Flugschüler für die Ausbildung selbst aufkommen müssen. Insoweit dürfte ein Flugschüler auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen bleiben.
Welche Rolle spielt BAföG?
Studenten sind verpflichtet, BAföG zu beantragen. Die Beantragung von BAföG ist, sofern der Antrag nicht von vornherein aussichtslos ist, zumutbar (OLG Hamm FamRZ 2014, 565). Daran ändert auch nichts, dass das Darlehen zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen gewährt wird. Das Kind kann nicht argumentieren, es möchte sich nicht bereits in Zeiten seiner Ausbildung verschulden und deshalb kein BAföG beantragen und lieber die Eltern auf Unterhalt in Anspruch nehmen. Unterlässt es das Kind bewusst, BAföG zu beantragen, obwohl ein Antrag Aussichten auf Erfolg hätte, muss es sich in Höhe der BAföG-Leistungen ein theoretisch mögliches (fiktives) Einkommen anrechnen lassen. Dieser theoretisch erzielbare BAföG-Betrag zählt als Einkommen und reduziert den Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern.
Erhält der Student BAföG, werden die Leistungen auf den Unterhalt angerechnet. Erhält der Student den BAföG-Höchstsatz, brauchen Elternteile im Regelfall keinen Unterhalt mehr zu zahlen. Das Problem besteht aber darin, dass BAföG nur für die Dauer der Regelstudienzeit gezahlt wird. Entscheidend ist dabei die Zahl der Fachsemester. Wird die Regelstudienzeit überschritten, entfällt im Regelfall der Anspruch auf BAföG.
Eine BAföG-Förderung über die Regelstudienzeit hinaus wird nur in Ausnahmefällen bewilligt, beispielsweise bei Schwangerschaft, Kinderbetreuung oder Behinderung. Dazu muss der Student ausdrücklich ein Antrag auf Verlängerung der Forderung stellen und dafür nachvollziehbare Gründe darlegen.
Wird kein BAföG mehr gezahlt, lebt die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auf. Schließlich sind die Eltern verpflichtet, dem Kind eine angemessene Ausbildung zu finanzieren. Die Unterhaltspflicht war für die Dauer der BAföG-Förderung lediglich ausgesetzt und besteht fort, bis der Student das Studium abschließt. Die Unterhaltspflicht entfällt auch nicht allein deshalb, weil der Student im Einzelfall längere Zeit benötigt, um über die Regelstudienzeit hinaus sein Studium zu absolvieren.
Wann verdienen Medizin-, Jura- und Lehramtsstudenten das erste Geld?
Medizinstudenten müssen nach der theoretischen Ausbildung ein praktisches Jahr in einer Klinik absolvieren. Dafür wird im Regelfall eine Aufwandsentschädigung bezahlt. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung besteht nicht. Die Entschädigung zählt als Einkommen und ist auf den Unterhaltsbedarf des jungen Mediziners anzurechnen. Laut Hartmannbund bemessen von den 768 Lehrkrankenhäusern in Deutschland nur 26 Häuser die Aufwandsentschädigung am aktuellen BAföG-Höchstsatz. 147 Lehrkrankenhäuser zahlen gar keine Aufwandsentschädigung und 61 Kliniken richten sich nach abweichenden BAföG-Höchstsätzen.
Jura- und Lehramtsreferendare werden für die Dauer des Referendariats verbeamtet. Sie sind Beamte auf Widerruf. Im Referendariat werden Vergütungen gezahlt, die sich aus dem Anwärtergrundbetrag und einer Reihe von Zulagen zusammensetzen. Die Vergütungen sind jedenfalls so hoch, dass sie den Unterhaltsbedarf des Referendars abdecken und die Eltern von der Unterhaltspflicht entlassen.
Piloten müssen ihre Ausbildung selbst bezahlen. Teils gewähren die Fluggesellschaften auch Darlehen, über die der Flugschüler seine Lebenshaltungskosten bezahlen kann. Damit geht oft die Verpflichtung einher, nach Abschluss der Ausbildung ein Beschäftigungsverhältnis mit dieser Fluggesellschaft einzugehen und über das spätere Gehalt das Darlehen zurückzuzahlen.
Wie sollten Eltern Ihre Unterhaltspflicht bewerten?
Zahlen die Eltern dem Kind während der Ausbildung Unterhalt, fehlt das Geld oft an anderer Stelle.
Dennoch: Allein der Hinweis eines Elternteils, ihre Kinder mit entsprechender Studienrichtung hätten die Regelstudienzeit überschritten, oder der Vorhalt, dass die Aufnahme eines Kredits für einen künftigen Beamten doch ein Klacks wäre, sollte noch kein Argument sein, die eventuell bislang geleisteten Unterhaltszahlungen einzustellen. Kinder sind wie alle Menschen keine Roboter, die sich auf Erfolg programmieren lassen. Es gelten für sie die gleichen Regeln wie für Studierende anderer Fachrichtungen auch.
Nicht zuletzt liegt es im Interesse der Eltern, dass das Kind seine Ausbildung erfolgreich abschließt. Eine gute Ausbildung ist Grundlage, später gutes Geld zu verdienen. Ist das Kind im Beruf nicht zuletzt aufgrund seiner Ausbildung erfolgreich, dürfen Eltern stolz sein und sollten sich in der Person des Kindes selbst repräsentiert sehen.
Dabei sollte vielleicht auch die umgekehrte Unterhaltspflicht eine Rolle spielen. Auch Kinder sind gegenüber ihren Eltern unterhaltspflichtig, wenn diese beispielsweise im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit auf die finanzielle Unterstützung ihres Kindes angewiesen sind. Hat das Kind dann eine gute Ausbildung erhalten und verdient so viel Geld, dass es einen unterhaltsbedürftigen oder pflegebedürftigen Elternteil unterhalten kann, zahlt sich der Ausbildungsunterhalt als gute Investition möglicherweise wieder aus.
Alles in allem
Eltern dürfen Unterhaltsleistungen nicht als Einbahnstraße verstehen. Unterhalt, soweit er denn gezahlt wird, ist immer eine gute Investition in die Zukunft des Kindes. Ermöglichen Eltern ihrem Kind eine gute Berufs- und Lebensperspektive, profitieren sie in der einen oder anderen Form selbst.