Nicht jeder Lebensweg eines Kindes verläuft gradlinig. Drei Schritte vorwärts, bedeuten oft auch zwei Schritte zurück. Bricht Ihr Kind eine Ausbildung ab, gibt es keinen Grundsatz, dass Sie allein wegen einer abgebrochenen Ausbildung den Kindesunterhalt verweigern dürfen.
Warum sind Sie überhaupt unterhaltspflichtig?
Als Elternteil sind Sie mit Ihrem Kind in gerader Linie verwandt. Als Blutsverwandter sind Sie Ihrem Kind daher unterhaltspflichtig (§ 1601 BGB). Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. II BGB).
Sie sind also dazu verpflichtet, Ihrem Kind eine angemessene, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechende Berufsausbildung zu finanzieren. Im Idealfall schließt das Kind seine Berufsausbildung so ab, dass es dazu in der Lage ist, in dem Beruf zu arbeiten und eigenes Geld zu verdienen. Verdient das Kind eigenes Geld, entfällt Ihre Unterhaltspflicht.
Praxistipp: Erwarten Sie keine pauschalen und allgemeinverbindlichen Regeln. Bricht Ihr Kind eine Ausbildung ab, kommt es also immer auf den konkreten Fall an: Wieso hat Ihr Kind die Ausbildung abgebrochen? Welches Ziel hat Ihr Kind für sein berufliches Leben?
Welche Pflichten hat Ihr Kind?
Ihre Unterhaltspflicht als Elternteil kann nicht auf ewige Zeiten bestehen. Solange Ihr Kind minderjährig ist und sich selbst nicht unterhalten kann, bleiben Sie jedoch in der Unterhaltspflicht. Auch Jugendliche, die in der Schule oder während der Ausbildung Schwierigkeiten haben, behalten ihren Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern. Ihrem minderjährigen Kind steht das privilegiert volljährige Kind gleich (§ 1603 Abs.II S. 2 BGB). Ein volljähriges, privilegiertes Kind ist es, wenn es sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung befindet und im Haushalt eines Elternteils lebt.
Wird Ihr (nicht privilegiertes) Kind hingegen volljährig und verweigert sich jeglicher Berufsausbildung, entfällt auch Ihre Unterhaltspflicht. Ihr Kind ist dann durch sein eigenes Verschulden in der Lage, dass es sich nicht selber versorgen kann (§ 1611 BGB).
Ist oder wird ein volljährig gewordenes Kind arbeitslos, muss es wie jeder andere Erwachsene auch seinen Lebensunterhalt selber finanzieren. Daher ist das Kind dazu verpflichtet, einen Arbeitsplatz auch in einem nicht erlernten Beruf anzunehmen oder einfachste Tätigkeiten auszuführen, sowie einen Ortswechsel zu akzeptieren. Sollte das Kind auch insoweit keinen Erfolg haben, lebt Ihre Unterhaltspflicht für das Kind wieder auf. Hat Ihr volljähriges Kind Arbeitslosengeld II oder Hartz IV beantragt, muss das Jobcenter bei Ihrer Inanspruchnahme als unterhaltspflichtiger Elternteil nachweisen, dass alles unternommen wurde, um das Kind in ein Arbeitsverhältnis zu bringen.
Als unterhaltspflichtiger Elternteil dürfen Sie daher erwarten, dass das Kind seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufnimmt und in der Absicht, einen Berufsabschluss zu erwerben, durchführt. Sie dürfen auch erwarten, dass Sie regelmäßig über den Ausbildungsstand informiert werden.
Abgebrochene Erstausbildung
Bricht Ihr Kind eine Erstausbildung ab, weil es eine auf der Erstausbildung aufbauende Zweitausbildung anstrebt, bleiben Sie unterhaltspflichtig, soweit die Zweitausbildung in einem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung steht.
Beispiele: Ihr Kind hat eine Banklehre absolviert. Will es sich weiter qualifizieren und studiert BWL, steht das Studium in einem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Banklehre. Ihre Unterhaltspflicht besteht insoweit fort. Diese Zusammenhänge bestehen jedoch nicht, wenn ein Kind beispielsweise Tanz studiert und wegen der damit verbundenen Arbeitslosigkeit ein Zweitstudium der Psychologie beginnt (OLG Hamm, Beschluss vom 27.4.2018, Az. 7 UF 18/18).
Was ist mit Langzeitstudierenden?
Vernachlässigt Ihr Kind das Studium, ohne dass es krank ist oder es sonstige gewichtige Gründe dafür gibt, riskiert es, seinen Anspruch auf Kindesunterhalt zu verlieren. Verzögerungen durch vorübergehende leichtere Schwierigkeiten sind jedoch entschuldbar. Sie müssen Ihrem Kind ab und zu eine Leerlaufphase und einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung seines Studiums oder seiner Ausbildung zugestehen. Im Studium kann zur Orientierung die Regelstudienzeit gelten. Bricht das Kind ein Studium jedoch vollständig ab und lebt nur noch in den Tag hinein, entfällt auch Ihre Unterhaltspflicht.
Wann rechtfertigt eine abgebrochene Ausbildung den Wegfall des Kindesunterhalts?
Eine abgebrochene Ausbildung rechtfertigt es noch nicht, die Unterhaltszahlungen einzustellen. Dabei lassen sich keine pauschalen Regeln aufstellen. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an.
Jedem Kind steht in der Berufsausbildung, sei es eine Ausbildung oder ein Studium, eine Orientierungsphase zu. Da Sie dazu verpflichtet sind, dem Kind eine vollständige Ausbildung zu ermöglichen, bleibt Ihre Unterhaltspflicht bestehen, wenn ein Kind die erste Ausbildungsphase aus guten Gründen abbricht und sich für eine aus Sicht des Kindes meist besser berufliche Qualifikation entscheidet.
Kinder, die noch nicht auf eine eigene berufliche Lebenserfahrung zurückgreifen können, entschließen sich oft mangels Alternative für eine Ausbildung und stellen dann fest, dass sie den Anforderungen in diesem Beruf nicht gerecht werden können. Oder die Berufsausbildung entspricht nicht den Erwartungen, die man mit dem Beruf und der Ausbildung an sich erhofft. In diesen Fällen muss es möglich sein, die Ausbildung abzubrechen und auf der Grundlage besseren Wissens eine neue Ausbildung zu beginnen. Auch diese Phase ist eine Art Lernprozess, den Sie in Ihrer Verantwortung als Elternteil nach Kräften unterstützen sollten. Die Rechtsprechung entscheidet immer im Einzelfall, ob und wann eine abgebrochene Ausbildung den Anspruch auf Kindesunterhalt entfallen lässt.
In einem Fall des OLG Celle (Urteil vom 10.10.2013, Az. 610 F 5057/12) musste ein Vater seiner 24-jährigen Tochter Unterhalt für eine Zweitausbildung zahlen, nachdem die Tochter die Erstausbildung wegen der Geburt eines Kindes und einer sich anschließenden dreijährigen Kindesbetreuung abgebrochen hatte. Wegen der Unterhaltspflicht komme es nicht darauf an, ob ein Kind den Abbruch der Erstausbildung verschuldet habe. Jugendlichen müsse eine gewisse, der Lebenssituation, dem Alter und dem Entwicklungsstand entsprechende Orientierungsphase zugestanden werden. Da Schwangerschaft und Kinderbetreuung kein vorwerfbares Verhalten begründen, bestand die Unterhaltspflicht des Vaters fort.
Als Elternteil tragen Sie kein Arbeitsplatzrisiko
Bricht Ihr volljähriges Kind seine Ausbildung ab und sucht sich keine neue Lehrstelle, verliert es seinen Anspruch auf Kindesunterhalt bei Arbeitslosigkeit. Dabei ist dem Kind eine Übergangszeit von etwa drei bis 12 Monaten zuzugestehen. Bricht das Kind die Ausbildung ab und sucht sich zur Finanzierung seines Lebensunterhalts keine Beschäftigung, steht es dem Arbeitsmarkt trotzdem zur Verfügung. Als Elternteil tragen Sie damit nicht das Arbeitsplatzrisiko (OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.12.2000, Az.: 10 WF 4068/00).
Alles in Allem
Gestatten Sie Ihrem Kind, Erfahrungen zu machen und aus diesen Erfahrungen heraus Entscheidungen zu treffen. Begleiten Sie Ihr Kind, indem Sie es so weit als möglich und zumutbar finanziell unterstützen.