Das Recht auf Umgang soll nicht nur dem Elternteil zugute kommen, der das Kind sonst ja nicht im Alltag sieht, sondern auch und zuvorderst – dem Kind selbst. Wird das Kind aber hauptsächlich während des Aufenthalts darum gebeten, die Stiefgeschwister in der neuen Familie des Elternteils zu babysitten, dürfen einige ernsthafte Fragen gestellt werden. Wenn dazu noch versucht wird, durch ein Entgelt für den/die minderjährige/n Babysitter/in dessen oder deren Kindesunterhalt zu kürzen, sollten Sie handeln.
Welchen Zweck hat der Umgang?
Zweck des Umgangsrechts ist es, die Beziehung des Kindes zu dem nicht betreuenden Elternteil nach der Trennung der Eltern aufrechtzuerhalten oder auch aufzubauen. Es gilt, einer Entfremdung von Kind und Elternteil entgegenzuwirken. Dem Kind sollen beide Elternteile als Bindungspartner erhalten bleiben. Insoweit hat das Umgangsrecht Verfassungsrang (BVerG, FamRZ 1993, 662).
Für beide Elternteile gilt die „Wohlverhaltensklausel“ des § 1684 Abs. II BGB, die die Eltern wechselseitig zu loyalem Verhalten verpflichtet, wobei das Verhalten nicht nur gegenüber dem anderen Elternteil gilt, sondern auch die Person des Kindes einbezieht. Ein weiterer Ansatzpunkt findet sich in § 1697a BGB. Muss ein Familiengericht über Fragen des Umgangs entscheiden, hat es immer das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt seiner Entscheidung zu stellen. Alles, was dem Kind guttut, ist zu befürworten, alles was dem Kind schadet, ist zu unterlassen.
Gehört Babysitten der Stiefgeschwister dazu?
Verbringt das Kind in Ausübung des Umgangsrechts Zeit bei dem nicht betreuenden Elternteil, ist es idealerweise in die Familie des neu verheirateten Elternteils eingebunden. Es sollte nach Möglichkeit Teil der Familie sein und sich auch als Teil dieser Familie fühlen dürfen. Insoweit beinhaltet das Umgangsrecht nicht nur das Recht auf Umgang mit dem Elternteil, sondern auch die Pflicht, sich am Leben des Elternteils angemessen zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, zur Gestaltung des familiären Alltags beizutragen. Dabei sollte klar sein, dass dem Kind nur Aufgaben übertragen werden können, die es altersbedingt verantworten kann.
Ist das Kind im Notfall fähig, zu handeln?
Ob Babysitten danach rechtens ist oder nicht, sollte danach beurteilt werden, ob das Kind aufgrund seiner persönlichen Entwicklung in der Lage ist, ein kleines Kind zu beaufsichtigen. Ein bestimmtes Alter gibt es dafür nicht. Pauschal wird sich sagen lassen, dass ein Kind aufgrund seiner altersbedingten Entwicklung in der Lage sein muss, in jedweder Situation, die sich in Abwesenheit der Eltern einstellen könnte, eine angemessene Entscheidung zu treffen.
Einem achtjährigen Kind wird es nicht zuzumuten sein und auch nicht in verantwortungsvoller Weise erwartet werden dürfen, dass es ein vielleicht dreijähriges Kind beaufsichtigt, während die Eltern abwesend sind. Ein Kind sollte zumindest so alt sein, dass es in der Lage ist, aktiv zu handeln, wenn es darauf ankommt, in einer bestimmten Situation die Gegebenheiten zu beurteilen und in der Konsequenz eine Entscheidung zu treffen.
Praxisbeispiel
Achtjähriger soll Dreijährigen hüten
Ein achtjähriges Kind soll in der Familie des Elternteils ein dreijähriges Kind beaufsichtigen. Die Eltern haben sich für drei Stunden zum Ausgang (statt Umgang) verabschiedet. Als das dreijährige Kind ein Plastikteil verschluckt, bekommt es Atemprobleme. Das achtjährige Kind steht vor der Herausforderung, eine Entscheidung zu treffen. Die Eltern kann es wahrscheinlich nicht erreichen, den Notruf kann es nur betätigen, wenn es zuvor von den Eltern instruiert wurde und im Hinblick auf die Dringlichkeit der Situation überhaupt mental in der Lage ist, den Notruf zu wählen und die Situation zu schildern. Es wäre von dem Elternteil insoweit verantwortungslos, das achtjährige Kind mit einer Aufgabe zu betrauen, mit der manch Erwachsener möglicherweise überfordert ist.
Verantwortung bedeutet Aufsichtspflicht
Eltern geben sich in einem solchen Fall gerne der Einschätzung hin, es werde schon nichts passieren und das Kind werde als Babysitter im Fall des Falles richtig handeln. Sie sollten sich bewusst sein, dass diese Einschätzung eine über die Maßen optimistische Haltung darstellt. Tritt tatsächlich der Ernstfall ein, müssten Sie sich vorwerfen lassen, Ihre Aufsichtspflicht verletzt zu haben, mit der Konsequenz, dass möglicherweise Ihre Erziehungsfähigkeit infrage gestellt werden könnte.
Dieses Risiko betrifft nicht nur den umgangsberechtigten Elternteil, sondern auch den neuen Ehepartner, der für das eigene Kind gleichermaßen Verantwortung trägt. Der Umstand, dass der umgangsberechtigte Elternteil die Verantwortung für das Kleinkind im Bewusstsein des Umgangsrechts trifft, ändert nichts daran, sich aus der Verantwortung für das gemeinsame Kind herauszuhalten.
Ist das Kleinkind babysittengeeignet? Was ist mit derer zwei?
Ein weiterer Aspekt ist, ob das zu beaufsichtigende Kleinkind überhaupt geeignet ist, von einem anderen Kind beaufsichtigt zu werden. Ist das Kind akut erkrankt, bedarf es wahrscheinlich der ständigen Beaufsichtigung eines Erwachsenen. Möglicherweise muss dem Kind regelmäßig Medizin verabreicht, ihm die Windel gewechselt oder es muss zu bestimmten Zeiten gefüttert werden.
Selbst wenn es sich um gesunde Kinder handelt, die für sich genommen alleine durchaus „sittable“ sind – und Sie merken schon, es geht jetzt um die Mehrzahl – könnte ein Heranwachsender mit derer zwei schnell überlastet sein. Denn selbst ein Erwachsener hat nur zwei Arme und kann sich an nur 1 Ort aufhalten, wenn beide Kinder Hilfe brauchen.
Wann wird ein Kind mit Babysitten ausgenutzt?
Ist das Kind aufgrund seiner Altersentwicklung in der Lage, ein anderes Kind zu beaufsichtigen, spricht nichts dagegen, ihm diese Verantwortung kurzweilig zu übertragen. Dabei sollte klar sein, dass das Umgangsrecht nicht dazu benutzt werden darf, das Kind als Arbeitskraft zu betrachten und es für Arbeiten einzusetzen, die eigentlich den Eltern obliegen oder einem für die Aufgabe fähigen Babysitter übertragen werden sollten. Ob das Kind dafür eine Entlohnung erhält oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Ein Taschengeld kann nicht ausgleichen, was dem Kind altersbedingt an Fähigkeiten fehlt.
Praxisbeispiel
Urlaub auf Kosten des Kindes
Die Eltern planen einen Wochenendurlaub. Das 14 Jahre alte Kind aus der ersten Ehe des einen Elternteils soll das fünfjährige Kind, das gemeinsam mit den Eltern in dessen Haushalt lebt, für die Dauer der Abwesenheit der Eltern beaufsichtigen. In diesem Fall wird das Umgangsrecht konterkariert. Da der Elternteil nicht anwesend ist, nutzt das Umgangsrecht dem Kind nichts. Hinzu kommt, dass die Eltern ihren Urlaubsaufenthalt auf Kosten dieses Kindes organisieren und das Kind und das Umgangsrecht dazu benutzen und letztlich missbrauchen, ihre Freizeit auf Kosten des Kindes zu gestalten.
Praxisbeispiel
„Endlich mal“ Freizeit und Kino
Das Umgangsrecht ist durch die leiblichen Eltern von Freitag 14:00 Uhr bis Samstag 14:00 Uhr vereinbart. Der Elternteil, der das Umgangsrecht mit dem Kind aus erster Ehe wahrnimmt, nutzt die Situation aus, indem er den Freitagabend regelmäßig mit dem neuen Ehepartner im Kino, im Theater, im Restaurant verbringt. In diesem Fall erscheint es offensichtlich, dass das Freizeitverhalten der Eltern auf die umgangsbedingte Anwesenheit des Kindes abgestellt ist und das Kind dazu benutzt und letztlich missbraucht wird, Freizeit außer Haus zu verbringen.
Sollte / darf das Kind für Babysitten bezahlt werden?
Hütet ein Kind ein anderes, handelt es eigentlich in familiärer Verpflichtung und damit ehrenamtlich. Dennoch spricht nichts dagegen, dem Kind ein angemessenes Taschengeld zu gewähren und anzuerkennen, dass es sich engagiert, die eigene Zeit dafür zur Verfügung stellt und letztlich auch Verantwortung trägt. Insoweit sollte es im pflichtgemäßen Ermessen des Elternteils liegen, das Kind zu entlohnen.
GUT ZU WISSEN
Entgelt ist kein Einkommen
Wird dem Babysitter eine Vergütung gezahlt, handelt es sich nicht um Einkommen, das auf den Kindesunterhalt anzurechnen wäre. Übernimmt das Kind auf Anweisung oder Bitten des Elternteils die Betreuung, wird es tätig, obwohl es dazu nicht verpflichtet wäre. Babysitten ist insoweit eine Art überobligatorische Tätigkeit, die unterhaltsrechtlich im Regelfall keine Rolle spielt.
Alles in allem
Es ist praktisch und gut, wenn ein Kind bei der Wahrnehmung seines Umgangsrechts in die Familie des umgangsberechtigten Elternteils eingebunden wird und Verantwortung übernimmt. Diese Verantwortung darf aber nicht so weit gehen, das Kind vor Aufgaben zu stellen, gegen die selbst ungeübte Erwachsene nicht ankämen. Schon gar nicht ist eine Verrechnung des Taschengeldes für die Kinderbetreuung mit dem Kindesunterhalt denkbar. Sollten Sie sich als betreuender Elternteil dagegen zur Wehr setzen wollen, helfen wir Ihnen gern auf Grundlage einer professionellen Unterhaltsberechnung. Die wichtigsten Fragen dazu finden Sie hier.