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Freitag, 21.10.2022 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion
Auch wenn Sie für Ihr Kind einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten haben, ist nicht jeder Kindergarten die beste Wahl. Daraus ergibt sich die Frage, ob Sie einen Kindergarten ablehnen dürfen und für diesen Fall Anspruch darauf haben, dass der Ex-Partner Sie trotzdem noch mit Betreuungsunterhalt unterstützen muss. Voraussetzung für Ihre Erwerbsverpflichtung ist, dass das Kind während Ihrer berufsbedingten Abwesenheit angemessen in einem Kindergarten betreut werden kann. Was ist zu beachten?
Kindergartenplatz finden
Mit Vollendung des dritten Lebensjahres hat jedes Kind Anspruch auf einen Kindergartenplatz (§ 24 SGB VIII). Das Recht auf einen Kita-Platz besteht unabhängig von der Beschäftigungssituation und den Einkommensverhältnissen der Eltern. Ihren Rechtsanspruch müssen Sie bei der Gemeinde geltend machen, in der Sie als Einwohner gemeldet sind. Gibt es in Ihrem Wunschkindergarten keinen freien Platz, muss sich das Jugendamt um einen anderen Platz bemühen.
Die Regelungen sind in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. Nicht jede Einrichtung ist verpflichtet, jedes Kind aufzunehmen. Jeder Kindergarten legt seine Aufnahmekriterien nach Absprache mit dem Träger selbst fest. So werden teils alleinerziehende Elternteile bevorzugt, teils wird nach danach gefragt, ob das Kind geimpft ist (z.B. in Walddorf-Einrichtungen) oder bei konfessionellen Kindergärten kommt es auf die Religionszugehörigkeit ankommen.
Da die Plätze im Kindergarten meist mit Schuljahresbeginn vergeben werden, wird nicht strikt auf den dritten Geburtstag abgestellt, sondern auf die Möglichkeit des Kindergartenbesuchs. Insoweit kann es sein, dass Sie auch über das dritte Lebensjahr hinaus zumindest so lange Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben, bis das Kind im Kindergarten untergebracht werden kann.
Müssen Sie jeden Kindergartenplatz akzeptieren?
Um Sie zur Arbeit zu verpflichten und Ihren Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu versagen, ist Voraussetzung, dass eine
tatsächliche,
verlässliche,
zumutbare,
örtlich erreichbare
und zeitlich passende
Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht (BGH FamRZ 2009, 1395). Es muss Ihnen also nach Ihrer Lebenssituation und sonstigen Gegebenheiten zumutbar sein, einen Kindergarten, eine Kindertagesstätte oder einen Kinderhort für die Betreuung Ihres Kindes zu akzeptieren. Entscheidend kommt es auf die konkrete Betreuungssituation vor Ort an. Pauschale Antworten gibt es dafür nicht.
Jedenfalls gibt es keine klaren Regeln, wer die Kosten für die Kita nach der Trennung übernimmt und unter welchen Umständen Sie einen Kita-Platz ablehnen dürfen, ohne dass Sie gleichzeitig Ihren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz und Ihren Anspruch auf die verlängerte Zahlung von Betreuungsunterhalt verlieren. Maßgeblich kommt es auf folgende Kriterien an:
In der Praxis wird auf die zumutbare Entfernung zwischen Wohnort und Kindergarten abgestellt, die höchstens 5 km oder 30 Minuten Fahrzeit betragen sollte.
Die Unterbringung in einem Kindergarten kann unzumutbar sein, wenn bauliche Mängel bestehen und gültige Standards nicht eingehalten werden.
Die Unterbringung kann unzumutbar sein, wenn unangemessen viele Kinder in einer Gruppe sind und kein ausreichendes Betreuungspersonal vorhanden ist oder die Qualifizierung der Betreuer offensichtlich ungenügend erscheint.
Ist Ihre Arbeitszeit so gestaltet, dass Sie keine zumutbare Möglichkeit haben, das Kind zu den Öffnungszeiten des Kindergartens dort abzugeben oder abzuholen, können Sie den Kindergarten ablehnen. Im Idealfall können Sie auf das Modellprogramm Kita-Plus zurückgreifen, bei dem Berufstätige angesprochen werden, deren Arbeitszeit außerhalb der üblichen Öffnungszeiten liegen.
Möchten Sie den Kindergarten ablehnen, müssen Sie Ihre Ablehnung plausibel und sachlich begründen. Sie können also nicht argumentieren, dass der Kindergarten keine ausreichenden Spielgeräte vorhält, das Essen nicht schmeckt oder die Wände nicht farbig genug gestrichen sind.
Wegen Kindergarten umziehen? - Fallbeispiele
Die Rechtsprechung entscheidet im Einzelfall. Aus der Vielzahl der gerichtlichen Entscheidungen lassen sich interessante und teils wegweisende Aspekte entnehmen.
Als betreuender Elternteil sind Sie nicht ohne Weiteres verpflichtet, eine Vollzeittätigkeit anzunehmen. Insoweit ist Ihnen möglicherweise nur eine Tätigkeit in einem Minijob oder in Teilzeit zuzumuten, wenn es Ihnen unter Einbeziehung Ihrer Arbeitszeit und Ihres Arbeitsweges sowie der Öffnungszeiten des Kindergartens nicht zuzumuten ist, in Vollzeit zu arbeiten (BGH FamRZ 2009, 770). Sie dürfen nämlich nicht durch Kinderbetreuung, Haushaltstätigkeit und Beruf mehrfach in unzumutbarer Weise belastet werden (BGH FamRZ 2008, 1739).
Auch ist Ihnen ein gewisser Spielraum für Arztbesuche, Behördengänge, Einkäufe und Hausarbeit zu belassen, so dass trotz Ganztagsbetreuung nur eine Teilzeittätigkeit zuzumuten ist (OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 772).
Findet sich in einer anderen, nur schwierig erreichbaren Gemeinde ein Kindergartenplatz, ist ein Umzug nur im Ausnahmefall zuzumuten. Gibt es aber in geringer Entfernung günstigere Arbeits- und Betreuungsmöglichkeiten gegeben sind, die Sie zumutbarer Art und Weise erreichen können, müssten Sie einen Umzug in Betracht ziehen (OLG Oldenburg FamRZ 2012, 556). Insoweit kann eine Rolle spielen, inwieweit Sie mobil sind, ein eigenes Auto besitzen oder auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind.
Kommen Angehörige für die Betreuung in Betracht, ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Meist kommen nur direkte Angehörige der eigenen Familie in Frage, deren Unterstützung nur zumutbar ist, wenn deren Lebensverhältnisse auf die Betreuung eines Kindes abgestellt werden können.
Waren Sie bereits während Ihrer Ehe berufstätig, kommt eine Einschränkung Ihrer Berufstätigkeit in Betracht, wenn sich keine Betreuungsalternative findet. Grund ist, dass Sie nicht mehr wie in Ihrer Ehe auf die Mitbetreuung durch den anderen Elternteil zurückgreifen können. Umgekehrt kann eine tatsächliche und zumutbare Entlastung durch den anderen Elternteil aber zu berücksichtigen sein (BGH FamRZ 2010, 1883). Soweit der geschiedene Elternteil seit längerer Zeit keinen Umgang mit dem Kind hatte, dürfte eine Betreuung durch diesen Elternteil wiederum keine zweckmäßige Alternative darstellen (OLG Celle FamRZ 2009, 975).
Bietet der bislang lediglich umgangsberechtige Elternteil an, das Kind zu betreuen, kommt es auf die Umstände im Einzelfall an, insbesondere auf die Erziehungseignung und die Betreuungsmöglichkeiten (OLG Hamm FamRZ 2014, 1468).
Ein sogenanntes Betreuungshopping, bei dem das Kind von Betreuungsperson zu Betreuungsperson weitergereicht wird, ist dem Kind regelmäßig nicht zuzumuten (Kammergericht Berlin FamRZ 2008, 1942).
Streit um Kindergarten
Möchten Sie einen Kindergarten ablehnen, während Ihr gleichfalls sorgeberechtigter Ex-Partner die Unterbringung befürwortet oder andersrum, müsste in letzter Konsequenz das Familiengericht eine Entscheidung treffen. Da es sich bei der Unterbringung um eine Regelung von erheblicher Bedeutung handelt, kann kein Elternteil allein die Entscheidung treffen. Maßstab ist immer das Kindeswohl. Das Gericht wird also diejenige Entscheidung treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Da das Gericht in der Sache selbst keine Entscheidung treffen kann, ist zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. In einem Fall des Amtsgerichts Frankenthal (Beschluss vom 25.6.2020, Az. 71 F79/20) wurde die Entscheidungsbefugnis der Mutter übertragen. Grund war, dass die Mutter, die das Kind betreute, die Hauptbezugsperson des Kindes war und die Frage über die Unterbringung überwiegend organisieren musste.
Alles in allem
Viele Eltern empfinden es angesichts der sehr beschränkten Kapazitäten als einen Lottogewinn, überhaupt einen Platz im Kindergarten zu kommen. Sie sollten also abwägen, ob es günstiger ist, verlängert Betreuungsunterhalt zu beziehen und das Kind persönlich zu betreuen oder ob es im Interesse des Kindes liegt, in einem Kindergarten untergebracht zu werden. Sofern es vorrangig um Ihren verlängerten Anspruch auf Betreuungsunterhalt geht, wäre auch das Risiko und der Aufwand einzubeziehen, mit dem Sie genau diesen Anspruch gegen den Ex-Partner geltend machen.