Die anhaltenden Schulschließungen stellen viele Eltern vor ungeahnte Herausforderungen. Nehmen die Kinder am Fernunterricht von zu Hause aus teil, müssen Unterrichtsmaterialien und teils auch Laptops oder Tablets angeschafft werden. Vor allem müssen alleinerziehende Eltern ihr Kind irgendwie betreuen und bei verringerten Arbeitszeiten Lohneinbußen hinnehmen oder Kurzarbeitergeld beziehen. Dann stellt sich schnell die Frage, ob der Elternteil, der das Kind nicht ständig betreut und deshalb barunterhaltspflichtig ist, wegen Homeschooling während Corona mehr Kindesunterhalt zahlen muss.
Kinderbonus als Unterstützung für Familien
In den Monaten September und Oktober 2020 wurde Eltern eine einmalige zusätzliche Kindergeldzahlung in Höhe von 200 EUR für September sowie 100 EUR für Oktober ausbezahlt. Da diese Leistungen gesetzestechnisch als Kindergeldzahlungen formuliert wurden, sind diese Leistungen wie das Kindergeld auch zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Kritiker bemängelten daran, dass der Kinderbonus einen anderen Zweck habe als das Kindergeld. Zweck sei vielmehr, Belastungen der Elternteile aufzufangen und die Konjunktur anzukurbeln.
Sind Sie für Ihr Kind unterhaltsberechtigt, lautet die schlechte Nachricht also, dass diese Zahlungen zur Hälfte auf die Unterhaltszahlungen angerechnet werden können (so auch Amtsgericht Bergheim FamRZ 2021, 102). Ein unterhaltspflichtiger Elternteil konnte deshalb einmalig seine Unterhaltszahlungen reduzieren, im September um 100 EUR und im Oktober um 50 EUR. Im November war dann wieder der volle Unterhalt fällig.
Begründet Homeschooling während der Corona-Krise höheren Kindesunterhalt?
Auch wenn Sie krisenbedingte Ausgaben haben, haben Sie allein deshalb noch keinen Anspruch auf höheren Kindesunterhalt. Nach der Düsseldorfer Tabelle zählt allein das bereinigte Nettoeinkommen und das Alter Ihres Kindes. Soweit der unterhaltspflichtige Elternteil kein höheres Nettoeinkommen erzielt, braucht er auch keinen höheren Kindesunterhalt zu zahlen.
Aber: In Ausnahmefällen kommt Sonderbedarf in Betracht. Sonderbedarf ist ein Bedarf, der durch den Tabellenunterhalt nicht abgedeckt ist. Möchten Sie Sonderbedarf einfordern, müssen Sie für jeden Ausgabeposten folgende Voraussetzungen prüfen:
- Tritt der außergewöhnliche hohe Bedarf unregelmäßig auf und besteht nicht auf Dauer?
- War der Bedarf für den betreuenden Elternteil nicht vorhersehbar, so dass er keine Rücklagen bilden konnte?
- Führt der Bedarf zu einem einmaligen, zeitlich begrenzten Kostenaufwand, der im Regelbedarf der Düsseldorfer Tabelle nicht berücksichtigt ist?
Als typische Beispiele für Sonderbedarf wird weitgehend Nachhilfeunterricht anerkannt. Kann Ihr Kind die Schule nicht mehr besuchen, so dass es Nachhilfe benötigt, kommt Sonderbedarf in Betracht.
Ist die Anschaffung eines Laptops für Homeschooling Sonderbedarf?
Die Anschaffung eines Laptops, Tablets oder eines PCs sollte ebenfalls Sonderbedarf darstellen. Schüler ohne internetfähigen PC wären andernfalls beim Homeschooling erheblich benachteiligt. So hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.5.2020, Az. L 7 AS 720/20 B) einem nach dem SGB II leistungsberechtigten Schüler einen Anspruch auf Finanzierung eines für die Teilnahme am digitalen Schulunterricht notwendigen Tablets zugestanden.
Ein internetfähiger Computer sei im Regelbedarf der Düsseldorfer Tabelle nämlich nicht berücksichtigt. Wegen der pandemiebedingten Schließung der Schulen handele es sich um einen grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf für Bildung und Teilhabe. Die Höhe des Bedarfs sei mit 150 EUR zu bemessen. Das Gericht orientierte sich an dem für ein internetfähiges Markentablet (10 Zoll, 16 GB RAM) ermittelten Preis von ca. 150 EUR sowie dem Bedarfspaket „digitales Klassenzimmer“ der Bundesregierung (150 EUR je Schüler).
Auch das Thüringer Landessozialgericht (Beschluss vom 8.1.2021, Az. 9 AS 862/20 B) billigte der Mutter einer Schülerin der achten Klasse einen höheren Bedarf von 500 EUR (das Gericht sprach hier von Mehrbedarf) zur Anschaffung eines kostengünstigen Computers zu. Es bestehe nach SGB II allerdings kein Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse.
Wie wird der Aufwand für den Sonderbedarf verteilt?
Machen Sie für Ihr Kind Sonderbedarf fürs Homeschooling geltend, müssen beide Elternteile anteilsmäßig dafür aufkommen. Es ist also nicht so, dass Sie sich beide hälftig beteiligen müssten. Vielmehr geht es nach dem Verhältnis Ihrer Einkommen.
Beispiel:
Vater | Mutter | |
Bereinigtes Nettoeinkommen | 2.000 EUR | 1.500 EUR |
abzüglich Selbstbehalt | -1.160 EUR | -1.160 EUR |
einzusetzendes Einkommen | 840 EUR | 340 EUR |
Ihr Gesamteinkommen | 1.180 EUR | 1.180 EUR |
Anteil am Gesamteinkommen % | 840/1.180 = 72% | 340/1.180 = 28% |
Beträgt Ihr Sonderbedarf z.B. 300 EUR, trägt jeder Elternteil folgenden Anteil:
Vater: 75 % von 300 EUR = 216 EUR
Mutter: 28 % von 300 EUR = 84 EUR
Umgekehrter Fall: Kürzung des Kindesunterhalts trotz Corona ausgeschlossen
Auch wenn der unterhaltspflichtige Elternteil in der Corona-Krise weniger Geld verdient, weil er Kurzarbeitergeld bezieht oder arbeitslos ist oder als Selbstständiger keine Einnahmen erzielt, bleibt er grundsätzlich verpflichtet, den bislang gezahlten Kindesunterhalt in voller Höhe auch weiter zu entrichten. Soll der Kindesunterhalt reduziert werden, müsste der unterhaltspflichtige Elternteil beim Familiengericht eine Abänderungsklage einreichen und nach Maßgabe seines aktuellen Einkommens feststellen lassen, dass er nur noch einen verringerten Kindesunterhalt zahlen muss.
Aber: Alles hat im Leben seine zwei Seiten. Es nutzt Ihnen nichts, wenn Sie auf der vollen Höhe des Kindesunterhalts bestehen, während der unterhaltspflichtige Elternteil finanziell außerstande ist, den Kindesunterhalt in dieser Höhe zu leisten. Sie provozieren Streit und erreichen im Ergebnis wahrscheinlich nichts.
Wie steht es um den Selbstbehalt?
Der unterhaltspflichtige Elternteil kann den Kindesunterhalt allerdings dann reduzieren oder braucht überhaupt keinen Kindesunterhalt mehr zu leisten, wenn er so wenig Einnahmen hat, dass er unter dem eigenen Selbstbehalt liegt. Liegt das Einkommen des noch erwerbstätigen Elternteils unter 1.160 EUR, gilt er nicht mehr als leistungsfähig und braucht keinen Unterhalt mehr zu leisten. Ist er nicht erwerbstätig, beträgt der Selbstbehalt 960 EUR.
Allerdings ist es dem Elternteil zuzumuten, dass er sich nachhaltig bemüht, ein vermindertes Einkommen durch zusätzliches Einkommen irgendwie auszugleichen. Dazu muss er jede zumutbare Möglichkeit nutzen, Geld zu verdienen. Unterlässt er entsprechende Bemühungen, obwohl sich eine Erwerbsmöglichkeit bietet, bemisst sich seine Leistungsfähigkeit nicht nach seinem tatsächlich erzielten, sondern nach dem theoretisch erzielbaren Einkommen. Er muss sich also ein Einkommen fiktiv zurechnen lassen, welches er unter dem zumutbaren Einsatz seiner Arbeitskraft erzielen könnte. Allerdings dürfte diese Verpflichtung in Corona-Zeiten schwierig umzusetzen sein. Kurzarbeit, Kündigungen, Freistellungen und unbezahlter Urlaub haben den Chancen, Geld zu verdienen, erhebliche Grenzen gesetzt.
Alles in Allem
Die Corona- Krise fordert alle und jeden. Es führt nicht zu konstruktiven Ergebnissen, wenn Sie kompromisslos auf Ihrem Recht bestehen und etwas fordern, was der Partner nicht leisten kann. Da wir alle hoffen, dass diese Krise ihr baldiges Ende finden wird, sollten Sie im Hinblick auf einen für beide Seiten vertretbaren Kompromiss alles tun, um eine einvernehmliche Regelung zu finden. Selbstverständlich dürfen Sie andererseits von Ihrem Ex-Partner erwarten, dass er/sie sich im Rahmen seiner Möglichkeiten und nach Kräften an dem Mehraufwand beteiligt, den Sie für Ihr gemeinsames Kind in Corona-Zeiten und wegen des Homeschoolings stemmen müssen.