Leben Sie getrennt und fordern Unterhalt, macht es einen Unterschied, ob Sie in einer bloßen Wohngemeinschaft oder in einer unterhaltsrechtlich relevanten Lebensbedarfsgemeinschaft leben. Möchten Sie Ihren Unterhalt nicht gefährden oder umgekehrt den Unterhalt verweigern, sollten Sie die Unterschiede kennen. Unabhängig davon, ob Ihr Unterhaltsanspruch zur Debatte steht oder Sie unterhaltspflichtig sind, können Sie hier bei uns einen unverbindlichen Antrag für eine professionelle Unterhaltsberechnung stellen.
Was ist eine Wohngemeinschaft?
In einer Wohngemeinschaft (WG) finden sich Personen zusammen, die zwar zusammen wohnen, aber
- nicht verwandt oder verschwägert,
- nicht verheiratet sind
- oder verheiratet waren.
Hierbei teilen sich diese Personen einen Wohnraum, ohne dass es eine rechtliche Verbindung wie eine Ehe oder Partnerschaft gibt. Einen weitergehenden Zweck als den des Wohnens gibt es dabei nicht. Typische Beispiele sind
- Studierende,
- Berufstätige
- oder andere Personen, die gemeinsam in einer Wohnung leben und sich die Kosten für die Wohnung teilen.
Was ist eine (verfestigte) Lebensgemeinschaft?
Von einer Lebensgemeinschaft ist auszugehen, wenn zwei Personen länger andauernd zusammenleben und der Zweck des Zusammenlebens in einer Geschlechts- oder Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Hierbei handelt es sich nicht um eine gesetzlich geregelte Verbindung wie bei der Ehe, sondern um eine informelle Partnerschaft. Im Unterhaltsrecht ist in § 1579 Nr. 7 BGB von einer „verfestigten“ Lebensgemeinschaft die Rede.
Leben Sie in einer verfestigten Lebensgemeinschaft, kann diese Form des Zusammenlebens Auswirkungen auf Ihren Unterhaltsanspruch haben. Dann kann der Unterhalt vollständig ausgeschlossen, in der Höhe herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden.
Kriterien sind:
Dauerhaftigkeit
In der Regel wird von einer verfestigten Lebensgemeinschaft erst gesprochen, wenn die Gemeinschaft zwei bis drei Jahre besteht (BGH FamRZ 2002, 810). Charakteristisch ist, dass die Partner ihr Leben teilen und menschlich miteinander verbunden sind.
Wirtschaftliche Verflechtung
Die Partner müssen füreinander einstehen und wirtschaftlich miteinander verbunden sein. Eine gemeinsame Kasse braucht es hierzu nicht. Es genügt, wenn beide zusammen wirtschaften.
Gemeinsames Leben
Die Partner leben in einem gemeinsamen Haushalt zusammen, teilen sich die Alltagsaufgaben und leisten gegenseitige Unterstützung.
EXPERTENTIPP
Eheliche Verfehlungen bleiben außer Betracht
Lebt der Ex-Gatte nach der Trennung in einer außerehelichen verfestigten Lebensgemeinschaft und beantragt die Scheidung, spielt es für die Scheidung keine Rolle, wenn Sie die neue Beziehung als eheliche Verfehlung betrachten. Für die Scheidung zählt allein, ob die Ehe zerrüttet und damit gescheitert ist. Schuldvorwürfe bleiben dabei außer Betracht, können allerdings im Rahmen unterhaltsrechtlicher Bewertungen durchaus noch eine Rolle spielen.
Bedarfsgemeinschaft
Um zu beurteilen, ob Sie in einer bloßen unterhaltsrechtlich nicht relevanten Wohngemeinschaft oder vielleicht doch in einer unterhaltsrechtlich relevanten Lebensgemeinschaft leben, können auch die Kriterien herangezogen werden, die die Rechtsprechung für die Beurteilung einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen entwickelt hat. Lässt sich eine Bedarfsgemeinschaft begründen, liegt oft auch eine Lebensgemeinschaft vor (§ 7 Abs. 3a SGB II).
Eine Bedarfs- und eine sich daraus ergebende Lebensgemeinschaft kennzeichnet sich dadurch, dass daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art in Betracht kommen. Sie zeichnet sich durch innere Bindungen aus, die ein gegenseitiges Einstehen füreinander begründen und damit über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Da der innere Wille, wie die Partner zueinander stehen, von außen nicht beurteilt werden kann, ist darauf abzustellen, wie dieser innere Wille nach außen in Erscheinung tritt.
Anhaltspunkte für einen solchen inneren Willen sind:
- die Dauerhaftigkeit und Kontinuität der Beziehung,
- das gegenseitige Eheversprechen (Verlobung),
- das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft,
- Wohnen im gemeinsamen Wohneigentum,
- die gemeinsame Versorgung von Angehörigen in der Wohnung,
- die Pflege eines Partners im gemeinsamen Haushalt,
- gemeinsame Kinder,
- gemeinsames Verbringen der Wochenenden,
- gemeinsame Urlaube,
- Berechtigung, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Demgemäß wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet und eine Bedarfsgemeinschaft begründet, wenn die Partner mithin länger als ein Jahr zusammenleben oder ein gemeinsames Kind betreuen und dadurch den inneren wechselseitigen Willen zum Ausdruck bringen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Auf der Grundlage dieser sozialrechtlich bestimmten Bedarfsgemeinschaft lässt sich dann auch unterhaltsrechtlich eine Lebensgemeinschaft begründen.
Aber auch ohne einen gemeinsamen Haushalt und bei Beibehaltung getrennter Wohnungen sowie der gemeinsamen Entscheidung, nicht zusammenzuleben, kann nach Ansicht der Rechtsprechung bei einer anders gestalteten dauerhaften Verbindung je nach deren Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegen.
Praxisbeispiel
Beispielfall für eine Abgrenzung
In einem Fall des OLG Saarbrücken lebte die Ehefrau nach ihrer Scheidung mit einem Mann in einem Haus zusammen, dass beide gekauft hatten. Die Frau bewohnte die im Obergeschoss gelegenen Wohnräume, der Mann wohnte im Erdgeschoss. Der Ex-Gatte verweigerte die Unterhaltszahlungen und behauptete, die Frau lebe in einer verfestigten Lebensgemeinschaft.
Das OLG Saarbrücken stellte klar, dass von einer dauerhaften und verfestigten Lebensgemeinschaft in der Regel erst dann auszugehen ist, wenn die Gemeinschaft zwei bis drei Jahre bestehe. Das zeitliche Moment sei jedoch nicht das alleinige Kriterium. Auch eine kürzere Zeitspanne könne ausreichen, wenn die Verbindung nach außen in Erscheinung trete.
Dafür spreche, dass die Frau neben dem neuen Partner Miteigentümerin eines gemeinsam genutzten Hausanwesens war. Das Haus sei mit Mitteln beider Parteien erworben worden. Die Frau durfte die im Erdgeschoss liegenden Räumlichkeiten sowie die Waschmaschine, den Garten und den Keller mitbenutzen. Die finanziellen Verpflichtungen und die Ausgestaltung der Nutzung des Hauses, ließen bei vernünftiger Betrachtung keine Zweifel, dass die Beziehung der neuen Partner für die Zukunft und auf Dauer angelegt sei. Die Lebenserfahrung spreche unmissverständlich dafür, dass die Frau nicht bloß in einer Wohngemeinschaft, sondern in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebe (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18. Februar 2009, Az. 9 WF 19/09).
Verdacht einer Lebensgemeinschaft widerlegen
Möchten Sie bestreiten, dass Sie innerhalb einer Bedarfs- und Lebensgemeinschaft leben, müssen Sie die Kriterien widerlegen, die vermuten lassen, dass dem so ist und darlegen, dass Sie tatsächlich nur in einer Wohngemeinschaft leben. Dazu genügt es nicht, einfach nur zu behaupten, dass die für die Vermutung sprechenden Kriterien nicht vorliegen. Erforderlich ist, dass Sie darlegen und nachweisen, dass die maßgeblichen Kriterien nicht erfüllt sind.
Auch wenn Sie mit einer weiteren Person die gleiche Wohnung bewohnen, spricht gegen eine Bedarfs- und Lebensgemeinschaft und für eine Wohngemeinschaft, wenn
- Sie getrennte Haushalte führen,
- jeder für sich einkauft,
- jeder sich selbst verpflegt und kocht,
- jeder die eigene Wäsche wäscht,
- keine gemeinsam angeschafften Möbel oder Haushaltsgegenstände benutzt werden und
- jeder sein Leben im Wesentlichen ohne Rücksicht auf den oder die Anderen gestaltet.
GUT ZU WISSEN
… wenn Sie unterhaltspflichtig sind …
Sind Sie umgekehrt unterhaltspflichtig und behaupten, dass der/die Ex-Gatte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, müssen Sie die Lebensumstände des unterhaltsberechtigten Partners genau darlegen und beweisen. Dabei sind vornehmlich finanzielle Aspekte von Bedeutung, die ein starkes Indiz für die auf Dauer angelegte wirtschaftliche Verflechtung der neuen Partner sind. Sind solche Nachweise möglich, lassen sich daraus meist Rückschlüsse darauf ziehen, wie die Partner menschlich zueinander stehen.
Alles in allem
Sind Sie an sich unterhaltsberechtigt und leben oder möchten mit einem neuen Partner zusammenleben, sitzen Sie zwischen zwei Stühlen. Möglicherweise müssen Sie sich entscheiden, ob Sie gemeinsam zusammen leben und eine Lebensgemeinschaft begründen oder das Risiko vermeiden möchten, dass Sie Ihren Unterhaltsanspruch gefährden. Haben Sie Fragen dazu oder zu Ihrer Unterhaltsberechnung, können Sie sich weiter auf unseren Seiten umsehen und/oder ein kostenloses Orientierungsgespräch mit unserem InfoPoint führen, unter der Gratis-Telefonnummer 0800 34 86 72 3. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!