Erhält ein Ehepartner aus Anlass der Scheidung der Ehe eine nach ausländischem Recht vereinbarte Entschädigung, kann ihm trotzdem Anspruch auf Trennungsunterhalt in Deutschland zustehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Beschluss vom 4.3.2019, Az. 11 WF 19/19) hatte über den Antrag einer Marokkanerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu entscheiden und gab dem Antrag statt.
Wie war der Fall?
Das Ehepaar hatte 2016 in Marokko geheiratet und wurde ein halbes Jahr später in Marokko geschieden. Das marokkanische Gericht sprach der Ehefrau eine Abfindung in Höhe von rund 3.400 EUR zu sowie ein Wohngeld in Höhe von etwa 276 EUR zu. Eine Unterhaltszahlung wurde nicht zugesprochen. Die Ehefrau begehrte zunächst vor dem Familiengericht Bad Cannstatt zusätzlichen Trennungsunterhalt und verlangte Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehemanns durch Vorlage von Verdienstbescheinigungen und Steuererklärungen.
Nachdem das Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen hatte, gab das OLG Stuttgart der Frau auf deren Beschwerde hin Recht. Bei der durch das marokkanische Gericht zugesprochenen Zahlung handele es sich nicht um Trennungsunterhalt, der in Form monatlicher Zahlungen zu leisten gewesen wäre. Vielmehr handele sich um eine einmalige Abfindung und Wohngeld. Da die Frau die versprochene Entschädigung bislang nicht erhalten hatte, sei sie bedürftig, mit der Konsequenz, dass ihr Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen war.
Ob ihr tatsächlich ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zusteht, muss das zuständige Familiengericht erneut verhandeln. Soweit der geschiedene Ehemann die versprochene Abfindung zahlen sollte, wird sich die Frau die Zahlungen als eigenes Vermögen zurechnen lassen müssen.
Scheidungen nach ausländischem Recht
Da in Deutschland immer mehr ausländische Staatsangehörige leben und sich auch in Deutschland scheiden lassen oder Unterhalt oder Zugewinnausgleich geltend machen, müssen sich die Gerichte zunehmend mit Rechtsfragen befassen, für die es im deutschen Recht keine verbindlichen Antworten gibt.
Keine Anerkennung von Privat-Scheidungen nach ausländischem Recht
Soweit die Scheidung im Ausland erfolgt ist, wird sie in Deutschland anerkannt, unter der Voraussetzung, dass die Scheidung nach ausländischem Recht deutschen Rechtsgrundsätzen entspricht oder zumindest nicht in eklatanter Weise zuwiderläuft. Einigkeit besteht insoweit, als eine Privatscheidung nach Scharia-Recht in Deutschland nicht anerkannt werden muss.
So hat der europäische Gerichtshof (Urteil vom 20.12.2017, Az. C 372/16) klargestellt, dass die durch einseitige Erklärung eines Ehepartners von einem geistlichen Scharia-Gericht in Syrien herbeigeführte Scheidung eine Privatscheidung sei. Der Ehegatte hatte durch einen Bevollmächtigten vor einem solchen Scharia-Gericht die „Scheidungsformel aussprechen“ lassen, auf die hin das Gericht die Scheidung feststellte. Die Frau hatte dazu eine Erklärung unterzeichnet, wonach sie alle ihr nach religiösen Vorschriften aus dem Ehevertrag und aufgrund der Scheidung zustehenden Leistungen erhalten habe. Zudem hatte sie ihren Ehemann von allen ihr zustehenden Verpflichtung gegenüber befreit.
Da ein durch die einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen vereinbar ist, konnte die Scheidung in Syrien nicht in Deutschland anerkannt werden.
Weitere Einzelfälle
- Das OLG Hamm (Beschluss vom 4.7.2012, Az. 8 UF 37/12) verpflichtete einen aus dem Iran stammenden Ehemann, seiner Ehefrau iranischer Herkunft als Morgengabe Goldmünzen im Wert von umgerechnet ca. 213.000 EUR auszuhändigen. Das Ehepaar hatte dazu aus Anlass der Vermählung einen notariellen Ehevertrag abgeschlossen. Zweck der Vereinbarung war, dass die Ehefrau nach Maßgabe des iranischen Zivilrechts vor dem „leichtfertigen Verstoßen“ durch ihren Mann geschützt und finanziell abgesichert werden sollte. Die Vereinbarung sei nicht sittenwidrig, da die ihr zugrundeliegenden iranischen Wertvorstellungen zu respektieren seien.
- In einem ähnlichen Fall entschied das OLG Köln (Beschluss vom 5.11.2015, Az. 21 UF 32/15), dass die Vereinbarung einer Morgengabe nicht sittenwidrig sei. Eine Iranerin verlangte nach der Scheidung von ihrem Ehemann die Herausgabe der aus Anlass der Eheschließung vereinbarten Morgengabe von 414 Goldmünzen. Eine solche Vereinbarung entspreche iranischen Wertvorstellungen. Morgengaben und Brautgaben seien dadurch gerechtfertigt, dass sie vornehmlich der Ehefrau den Aufbau eines Vermögens für den Fall der Scheidung ermöglichen sollen. Die Morgengabe sei allerdings bei den Ansprüchen auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt zu berücksichtigen.
- Anders entschied das Amtsgericht Darmstadt (Beschluss vom 15.5.2014, Az. 50 F 366/13). Vereinbart ein Ehepaar aus Anlass der Eheschließung, im Fall der Scheidung der Ehe an die Ehefrau eine Brautgabe zu zahlen, sei die Vereinbarung unwirksam, wenn der Vollzug der Ehe Voraussetzung der Zahlung sei. Wegen des Verstoßes gegen die Freiheit der Eheschließung und der Ehescheidung sei die Vereinbarung sittenwidrig. Gerade, weil die Zahlung eines Geldbetrages mit dem Vollzug der Ehe verbunden werde, verstoße diese Vereinbarung gegen die guten Sitten nach dem Rechtsverständnis.
- In einer Entscheidung des Amtsgerichts München (Beschluss vom 24.8.2018, Az. 527 F 1257/17) wurde ein Brautgabeversprechen für unwirksam erklärt, weil es nicht notariell beurkundet war. Eine deutsche Staatsangehörige verlangte von ihrem türkischen Ehepartner die Zahlung von 4.000 EUR, die ihr bei der Eheschließung als Morgen- oder Brautgabe versprochen wurde. Da ein Schenkungsversprechen, zumindest vor der Erfüllung, notariell vereinbart werden muss, konnte die Frau den geschiedenen Ehepartner nicht zur Zahlung verpflichten.
Alles in allem
Bei Scheidungen mit Auslandsbezug müssen Gerichte verschiedene Rechtsordnungen einbeziehen und die Umstände des Einzelfalls unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Möchten Sie anlässlich Ihrer binationalen Scheidung Unterhaltsansprüche geltend machen, sollten Sie sich am besten individuell anwaltlich beraten lassen.